Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juli 2025 abgeschlossen.
Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortetEine (Berichtigungs-)Pflicht mehr erhöht auch das strafrechtliche Risiko – zu § 153 Abs. 4 AO
| Zu Jahresbeginn wurde § 153 Abs. 4 AO um eine Anzeige- und Berichtigungspflicht erweitert, wenn Prüfungsfeststellungen einer Außenprüfung unanfechtbar in einem Steuer-, einem Feststellungsbescheid nach § 180 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 oder einem Teilabschlussbescheid nach § 180 Abs. 1a umgesetzt worden sind und die den Prüfungsfeststellungen zugrunde liegenden Sachverhalte auch in einer anderen vom oder für den Steuerpflichtigen abgegebenen Erklärung, die nicht Gegenstand der Außenprüfung war, zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen führt. Bei Nichtbeachtung drohen Folgeprobleme. |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Mein Mandant M hat am 1.4.25 eine Prüfungsanordnung für die Veranlagungszeiträume 2019, 2020 und 2021 erhalten. Die Erklärungen für die Folgejahre 2022 und 2023 wurden allesamt fristgerecht eingereicht. Im Rahmen der Prüfung hat sich jedoch herausgestellt, dass der Bruttolistenpreis (BLP) für ein auch und immer noch privat gefahrenes Dienstfahrzeug zu niedrig angesetzt wurde. Die geänderten Bescheide für den Prüfungszeitraum sind mittlerweile bestandskräftig. Muss M für die Folgejahre etwas unternehmen oder können wir abwarten, bis die nächste Prüfung erfolgt?
ANTWORT DER STRAFVERTEIDIGERIN: Die Berichtigungsvorschrift des § 153 AO wurde um einen Abs. 4 erweitert. Gesetzgeberisches Ziel war, den Ablauf von Außenprüfungen zu beschleunigen. Denn gerade bei anschlussgeprüften Unternehmen kann die Anpassung von Jahresabschlüssen an Vorprüfungen viel Zeit beanspruchen. Um das zu vermeiden, muss der Steuerpflichtige die notwendigen Anpassungen selbst vornehmen. Abs. 4 greift für alle nach dem 31.12.24 entstehenden Steuern und Steuervergütungen sowie auf früher entstandene bzw. entstehende Steuern und Steuervergütungen, für die nach dem 31.12.24 eine Prüfungsanordnung (§ 196 AO) bekannt gegeben wird.
Der Steuerpflichtige ist nun nach einer Außenprüfung (§ 193 AO) dazu verpflichtet, auch andere abgegebene Steuererklärungen, die nicht Gegenstand der Außenprüfung waren, selbstständig zu prüfen und ggf. an die Feststellungen der Außenprüfung anzupassen. Der Prüfungsbericht muss daher genau durchgesehen werden; der Prüfer sollte im Gegenzug aber auch den Bericht entsprechend verständlich und deutlich abfassen.
M muss also prüfen, ob der von der Außenprüfung festgestellte Fehler, hier des zu niedrigen BLP für den auch privat genutzten PKW, auch in anderen Steuererklärungen enthalten ist. Zu den einschlägigen Prüfungsfeststellungen, die eine solche Pflicht auslösen, zählen jedoch auch Umsatzsteuer-, Lohnsteuer und Kassennachschau.
Bezüglich des Berichtigungszeitraums gilt dabei die Vorgabe in § 153 Abs. 1 AO: Es muss sich um Erklärungen handeln, für die die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Für einen weiter zurückführenden Berichtigungszeitraum würden die deutlich strengeren Vorgaben des § 371 AO gelten. Der Berater sollte diese Umstände stets entsprechend prüfen und darüber aufklären.
Die Anzeige- und Berichtigungspflicht entsteht, sobald die Feststellungen der Außenprüfung in einem Steuer-, Feststellungs- oder Teilabschlussbescheid unanfechtbar umgesetzt worden sind. Solange dies jedoch noch nicht der Fall ist, weil der Änderungsbescheid z. B. durch Einspruch angefochten wurde, besteht auch keine Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO. Soweit für die Überprüfung der weiteren, nicht von der Außenprüfung umfassten Jahre also etwas mehr Zeit benötigt wird, kann ein Einspruch gegen den Änderungsbescheid ein probates Mittel sein, um einer Anzeige- und Berichtigungspflicht zumindest für den Moment zu entgehen.
Wie in § 153 Abs. 1 AO auch muss eine Anzeige auch im Fall des Abs. 4 unverzüglich erfolgen. Leider wurde es auch bei Einführung des Abs. 4 versäumt, diesen Zeitraum genau zu definieren (siehe die Übersicht von Hornig, PStR 20, 18, Abruf-Nr. 46263992). Überschreitet man diese zeitliche Grenze, liegt allenfalls eine als Selbstanzeige zu wertende Erklärung vor. Diese wiederum unterliegt den strengen Vorgaben des § 371 AO und muss vollständig sein. Auch deswegen ist es ratsam, gegen die aus der Prüfungsfeststellung resultierenden Bescheide Einspruch einzulegen, damit diese nicht unanfechtbar werden und die – unverzügliche – Anzeige- und Berichtigungspflicht auslösen.
M muss, da bereits feststeht, dass die Feststellungen der BP auch in den Folgejahren dazu geführt haben, dass Steuern verkürzt wurden, unverzüglich nach Bestandskraft der Änderungsbescheide mitteilen, dass auch in den für die Folgejahre abgegebenen Erklärungen Berichtigungsbedarf bezüglich des Bruttolistenpreises besteht.
Eine Verletzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 Abs. 4 AO kann den Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklichen, wenn die Finanzbehörde pflichtwidrig über die steuerlich erheblichen Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird und dadurch Steuern verkürzt werden, § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Rein vorsorglich sollte der Berater dabei auch immer die Jahre vor dem Prüfungszeitraum kontrollieren und eine Selbstanzeige zumindest bezüglich der Prüfungsfeststellungen ausschließen. Auch bei der Anzeige- und Berichtigungspflicht des Abs. 4 gilt: Wenn der Steuerpflichtige bereits durch die Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung eine Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO begangen hat, handelt es sich bei der Verletzung der Anzeige- und Berichtigungspflicht aus § 153 i. d. R. um eine straflose Nachtat. Eine Pflicht nach § 153 Abs. 4 AO besteht in diesen Fällen nicht.
Merke | Die Anzeige- und Berichtigungspflicht nach § 153 Abs. 4 AO trifft auch den Gesamtrechtsnachfolger eines Steuerpflichtigen und die nach den §§ 34 und 35 AO für den Gesamtrechtsnachfolger oder den Steuerpflichtigen handelnden Personen. Dies müssen z. B. auch später bestellte Geschäftsführer, die im geprüften Zeitraum oder bei Abgabe folgender unrichtiger Erklärungen noch nicht in der Verantwortung waren, unbedingt beachten, um strafrechtliche Konsequenzen zu vermeiden, sofern sie die Unrichtigkeit erkennen und nichts unternehmen. Gleiches gilt für die Haftung nach § 71 AO. |
AUSGABE: PStR 7/2025, S. 167 · ID: 50399205