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Vermeidung der WegzugsbesteuerungVon der Industrie-Holding zur Family Office KG –Teil 1: Betriebswirtschaftliche Aspekte

Abo-Inhalt22.01.202514 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Florian Haase, Hamburg

| Wenn Gesellschafter eines Kapitalgesellschaftskonzerns ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen, stellt sich die Frage nach der Wegzugsbesteuerung. Eine Möglichkeit, diese Steuer zu vermeiden, bietet auch nach der Neufassung des § 6 AStG durch das ATADUmsG die Übertragung von Beteiligungen auf eine inländische, gewerblich tätige KG. Dies wird häufig genutzt, um eine bestehende Industrie-Holding in eine Family Office KG umzuwandeln. Im Folgenden werden die betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Aspekte beleuchtet, die bei einer solchen Umstrukturierung zu berücksichtigen sind – insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung einer unverzichtbaren verbindlichen Auskunft. |

1. Einführung und Fallkonstellation

Ausgangspunkt dieser Fallstudie ist eine mittelständische Unternehmensgruppe mit diversen in- und ausländischen Beteiligungen in der Rechtsform von operativ tätigen Kapitalgesellschaften, die in verschiedenen Geschäftsfeldern tätig sind. Auf der obersten Hierarchieebene der inhabergeführten Gruppe sollen annahmegemäß verschiedene Schwestergesellschaften rangieren, die von den Gesellschaftern paritätisch gehalten werden. Zwei Gesellschaften stechen in Bezug auf ihre übergeordneten Aufgaben schon bislang hervor: eine Immobiliengesellschaft und eine Industrie-Holding.

Die Immobiliengesellschaft bündelt den in der Unternehmensgruppe wesentlichen Immobilienbestand aller Unternehmensbereiche und der Holdingebene und stellt diesen den jeweiligen rechtlichen Einheiten gegen Entgelt zur Verfügung. Die Investmentstrategie der Immobiliengesellschaft zielt dabei eher auf die langfristige Erzielung regelmäßiger Mittelzuflüsse als auf die Realisierung kurzfristiger Veräußerungserlöse ab. Das grundlegende Management und die strategische Ausrichtung der Unternehmensgruppe bestimmt hingegen derzeit im Wesentlichen eine Gesellschaft auf Holdingebene, die bisher als klassische geschäftsleitende Industrieholding und nicht als (internationaler) Vermögensverwalter agiert. Darüber hinaus stellt diese Gesellschaft für alle Geschäftsbereiche zentral Dienstleistungen in den Funktionsbereichen Finanzen, Rechnungswesen, Steuern, Recht und IT gegen Entgelt zur Verfügung.

Einer der Gesellschafter erwägt einen Wegzug in das Ausland, was naturgemäß im Grundsatz eine Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG auslösen könnte. Die Einbringung von relevanten Kapitalgesellschaftsbeteiligungen in eine inländische gewerblich tätige KG ist nach wie vor „State of the Art“, wenn es darum geht, eine solche Wegzugsbesteuerung wirksam zu vermeiden. Neben rein steuerrechtlichen Aspekten wird in diesem Beitrag insbesondere untersucht, welche strategischen und operativen Voraussetzungen notwendig sind, um das gewünschte Ziel tatsächlich zu erreichen. Vor allem wird ausgeführt, welche Erfordernisse erfüllt sein müssen, um eine Transformation der Industrie-Holding zum Family Office zu erreichen.

2. Transformation zum Family Office

2.1 Neuorganisation

Bei der notwendigen Restrukturierung zur Vermeidung der Wegzugsbesteuerung besteht häufig die Herausforderung, unterschiedliche Interessen innerhalb der Familie zu berücksichtigen. Während einige Familienstämme unternehmerisch aktiv bleiben möchten, sehen sich andere eher als Vermögensverwalter. Daher bietet es sich an, im Zuge der Umstrukturierung die strategische Ausrichtung und das Management der Beteiligungen über eine zentrale Managementeinheit – ein Family Office – neu zu organisieren. Dieses übernimmt die geschäftsleitenden Funktionen, die steuerlich beispielsweise für eine inländische Holding erforderlich sind.

Merke | Eine Umsetzung der Neustrukturierung in der Praxis ohne vorherige Einholung einer verbindlichen Auskunft ist jedoch nicht zu empfehlen.

Neben den sachlichen Gründen für die Einrichtung einer Family-Office-Struktur wird durch die geplante Implementierung einer Family Office KG in steuerlicher Hinsicht eine von der Ansässigkeit der Gesellschafter unabhängige Verstrickung der Anteile an Kapitalgesellschaften in einem deutschen Betriebsvermögen angestrebt. Insbesondere soll die geplante KG-Struktur sicherstellen, dass das deutsche Besteuerungsrecht an den Kapitalgesellschaftsanteilen bei Wegzug eines Gesellschafters lückenlos und vollumfänglich gewahrt wird (sog. Exit Tax Shield). Folgerichtig würde demgemäß im Wegzugsfall eine Entstrickungs- bzw. Wegzugsbesteuerung unterbleiben.

Dafür werden zunächst wesentliche Funktionen der Industrie-Holding auf das Family Office übertragen. Zudem werden auf Ebene des Family Office neue Funktionen geschaffen. Die bestehende Gesellschaft wird sodann ihre Tätigkeit als Industrie-Holding einstellen. Zwar soll sodann wie in der Vergangenheit die wesentliche operative Verantwortung der verschiedenen Unternehmensbereiche bei Fremdgeschäftsführern liegen. Wesentliche operative Verantwortung meint dabei die Führung der Geschäftsbereiche im gewöhnlichen Geschäftsverlauf und ein entsprechendes Geschäftsentwick-lungs-Reporting gegenüber dem Family Office. Gleichwohl obliegt die letztendliche Entscheidung über besondere Schlüssel-Geschäftsvorfälle, die über einen Katalog von Geschäftsvorfällen definiert werden, auch zukünftig den paritätisch beteiligten Familienstämmen. Anders als früher agieren diese nunmehr aber nun über ihre jeweiligen Family Offices.

2.2 Primäres Funktions- und Vermögensprofil

Primäres Ziel eines jeden Family Office ist es, das bestehende Vermögen der Familie zu bewahren und über Generationen zu vermehren. Dabei versteht sich das Family Office aber nicht als Vermögensverwalter, sondern fungiert vielmehr als Garant eines generationenübergreifenden Unternehmertums für den Familienstamm. Ein solches Unternehmertum versteht sich in diesem Kontext als Prozess, in dessen Verlauf Unternehmerfamilien unternehmerische Orientierung und Denkweisen entwickeln. Sie nutzen die von der Familie kontrollierten Ressourcen und Kompetenzen, um über Generationen hinweg unternehmerische, finanzielle und soziale Wertpotenziale zu schaffen und die Unternehmerfamilie zu erhalten. Die Hauptaufgabe ist somit die wirtschaftliche Steuerung aller unternehmerischen Beteiligungen des Familienstammes.

Diese Unternehmensbeteiligungen bilden den klaren Schwerpunkt der Vermögensbasis der Familie. Alle genannten Beteiligten stellen annahmegemäß aufgrund ihrer Struktur und Größe ein signifikantes Asset mit der Möglichkeit erheblicher Einflussnahme dar. Der Geschäftsbereich „Immobilien“ und eine Vielzahl an Finanzanlagen runden das Vermögensbild ab und tragen zur Diversifikation und Risikoabsicherung bei.

Das Family Office soll außerdem Beratungsleistungen in den Bereichen Anlagenberatung und Steuerrecht anbieten. Diese berufsspezifischen Leistungen werden in erster Linie für die geschäftlichen Tätigkeiten der unternehmerischen Beteiligungen erbracht, stehen aber auch den Mitgliedern des Familienstamms gegen Entgelt zur Verfügung. Zusätzlich fungiert das Family Office als zentrale Anlaufstelle (Hub) für Rechts- und Steuerberatungsleistungen. Diese Hub-Funktion gewährleistet insbesondere, dass im Falle eines Wegfalls der internen Beratungsressourcen die Steuerberatung schnell durch externe Berater ersetzt werden kann.

2.3 Funktionsbereiche des Family Office

Auf Ebene des Family Offices – meist als KG strukturiert – werden drei Geschäftsführungsressorts implementiert, nämlich:

  • Finanzen
  • Steuern (einschl. subsidiärer Hubfunktionalität) und Rechnungswesen
  • Verwaltung

Der Funktionsbereich Finanzen wird sich dabei im weitesten Sinn mit der Kapitalaufbringung und Kapitalanlage befassen. Der Bereich gliedert sich hierzu weiter nach den Aufgaben Finanzen, Treasury und Versicherung:

  • Im Bereich Finanzen wird hierbei das gesamte Family Office Reporting erarbeitet, entsprechende Berichte erstellt und gegebenenfalls veröffentlicht. Ferner berät der Bereich Finanzen die anderen Geschäftsbereiche in allen Fragen der Investment-Infrastruktur und des Controllings.
  • Der Bereich Treasury kümmert sich um die Liquiditätsplanung und den laufenden Zahlungsverkehr, sodass dieser Bereich im Ergebnis auch selbst operativ tätig wird.
  • Das Versicherungsmanagement befasst sich im Wesentlichen mit der Analyse und Bewertung der verschiedenen Unternehmensrisiken. In Zusammenarbeit mit externen Versicherungsberatern wird der notwendige Versicherungsumfang bestimmt. Daraus werden entsprechende Versicherungskonzepte für die betrieblichen Risikofelder entwickelt und im Versicherungsmarkt gedeckt.

Der Funktionsbereich Steuern und Rechnungswesen umfasst zum einen operative Tätigkeiten wie beispielsweise die Buchführung für die verschiedenen Holdinggesellschaften sowie für die in Deutschland ansässigen Gesellschaften. Weiterhin werden im Unterfunktionsbereich Rechnungswesen Jahresabschlüsse für die Holdinggesellschaften sowie für die in Deutschland ansässigen Gesellschaften erstellt. Darüber hinaus werden zusätzlich alle Beteiligungsunternehmen innerhalb der Gruppe bei der Erstellung der Jahresabschlüsse unterstützt und beraten.

Der Unterfunktionsbereich Steuern ist verantwortlich für alle operativen steuerlichen Angelegenheiten der Holdinggesellschaften sowie der inländischen Gesellschaften. Dies umfasst insbesondere die Erstellung aller betrieblichen Steuererklärungen und E-Bilanzen sowie die Beratung zu einzelnen steuerlichen Fragestellungen und Gestaltungsmöglichkeiten. Ferner steht der Bereich den Geschäftsbereichen der Family Office KG und den Familienmitgliedern für Fragen der steuerlichen Beratung zur Verfügung. Die originären Steuerberatungsleistungen werden dabei durch externe Steuerberatungsleistungen, wie etwa mit Bezug zum internationalen Steuerrecht, ergänzt. Hierdurch wird zum einen die hohe Qualität der Inhouse-Beratung gestärkt. Zum anderen wird dadurch eine entsprechende Hubfunktionalität des Family Office sichergestellt.

In den Aufgabenbereich der Verwaltung fallen alle sonstigen administrativen Aufgaben, die für die Funktion des Family Office und der Geschäftsbereiche notwendig sind. Dazu gehören beispielsweise die Einrichtung und Erhaltung aller für das Family Office notwendigen IT-Dienstleistungen oder die Führung aller administrativ notwendigen Unterlagen und der entsprechenden Dokumentation. Neben der Aufgabenzuweisung in den internen Funktionsbereichen wird sich die Family Office KG erforderlichenfalls zusätzlich externer Know-hows bedienen. So wird die rechtliche Beratung über externe Dienstleister mit der notwendigen Spezialisierung abgedeckt. Die Gehalts- und Lohnbuchhaltung für alle Mitarbeiter der Family Office KG wird auch durch einen externen Dienstleister durchgeführt.

2.4 Geschäftsbereiche des Family Office

Das Family Office gliedert sich herkömmlich in drei für den wirtschaftlichen Erfolg der Unternehmerfamilie maßgebliche Geschäftsbereiche:

  • Financial Asset Management
  • Family Services
  • Direkte Unternehmensbeteiligungen

Innerhalb des Bereichs direkte Unternehmensbeteiligungen wird hierbei meist nochmals unterschieden nach

  • Mehrheitsbeteiligungen (Beteiligung von > 50 %) und
  • paritätischen Beteiligungen (Beteiligungen von 50 %) sowie
  • Minderheitsbeteiligungen (Beteiligung von < 50 %).

Die direkten Unternehmensbeteiligungen mit Mehrheitsbeteiligung lassen sich darüber hinaus oft in die sachlichen Geschäftsbereiche Immobilien, Erneuerbare Energien etc. aufteilen.

Alle Geschäftsbereiche sind hierbei im Grundsatz für die Konzeption und Umsetzung der jeweiligen langfristigen Unternehmensstrategie verantwortlich. Sie haben die Aufgabe, langfristige Strategien in Form von mittelfristigen Planungen zu entwickeln und mit der Familie abzustimmen. Sie sind weiterhin verantwortlich für die Umsetzung der entwickelten Strategien und die damit verbundenen Investitionen. Für die Umsetzung können die Geschäftsbereiche auf Dienstleistungen der oben dargestellten Funktionsbereiche des Family Office in jeweils erforderlicher Ausprägung zurückgreifen. In das Aufgabenspektrum des Geschäftsbereichs Family Services etwa fällt die Erfüllung aller laufenden Anliegen der Gesellschafter und Familienmitglieder, angefangen vom Travel Management über den Abschluss von Versicherungen bis hin zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs.

Der Geschäftsbereich Financial Asset Management hat die Aufgabe, die Überschussliquidität der Gesellschafter und der Familien-Holding zu verwalten; dies mit dem Ziel, durch geeignete Finanzinstrumente die Vermehrung der angelegten Werte zu realisieren. In Abstimmung mit den Gesellschaftern sowie unter Berücksichtigung der Investmentstrategie und verschiedener Risiken wird in diesem Geschäftsbereich eine konkrete langfristige Anlagestrategie entwickelt und umgesetzt. In regelmäßigen Abständen werden die Gesellschafter über die Entwicklung des Portfolios informiert.

Der Geschäftsbereich Immobilien beschäftigt sich mit dem An- und Verkauf sowie der Planung, Bewertung, Vermarktung, Organisation und Verwaltung von Immobilien. Des Weiteren gehört dazu auch das Thema der Objekt- und Unternehmensfinanzierung. Das bestehende Portfolio umfasst sowohl Gewerbe- als auch Wohnimmobilien zur Vermietung. Durch eine kluge Objektnutzung und -auslastung sowie die Weiterentwicklung werden Vermögenswerte langfristig erhalten. Dabei kommt der Optimierung der Vermietbarkeit eine wichtige Bedeutung zu.

2.5 Finanzierungskonzept des Family Office

Die vom Family Office erbrachten Dienstleistungen werden meist auf Basis eines Cost-Plus-Verfahrens über die Geschäftsbereiche an die jeweiligen Leistungsempfänger verrechnet. Leistungsempfänger sind dabei die Mitglieder der Familie und alle direkten Unternehmensbeteiligungen, die Dienstleistungen der Family Office KG in Anspruch nehmen. Der Gewinnaufschlag wird üblicherweise mit 5 % auf die betrieblichen Aufwendungen kalkuliert. Die Sachkosten werden dabei über Prozentschlüssel auf die Funktionsbereiche verteilt, während die Personalkosten direkt den Funktionsbereichen zugeordnet werden. Die Umlage der Funktionsbereiche (Kostenstellen) auf die Geschäftsbereiche (Kostenträger) erfolgt prozentual auf Basis einer Aufwandsschätzung. Unterjährig wird die Ist-Umlage der Kostenstellen mit der geplanten Umlage abgeglichen und falls notwendig angepasst.

3. Besonderes Interesse an einer verbindlichen Auskunft zur Absicherung

Voraussetzung für die Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist unter anderem die Darlegung eines besonderen steuerlichen Interesses (vgl. § 89 Abs. 2 S. 1 AO). Ein solches sog. Zusageinteresse ist dann gegeben, wenn von der beantragten Auskunft wirtschaftliche Dispositionen des Steuerpflichtigen abhängig sind und in rechtlicher Hinsicht Unsicherheit besteht.

Merke | Das Zusageinteresse bezieht sich somit zum einen auf die möglichen finanziellen Folgen des vorgetragenen Einzelfalls (erster Anknüpfungspunkt) sowie auf eine bestehende Rechtsunsicherheit (zweiter Anknüpfungspunkt). Dem Steuerpflichtigen soll nicht zugemutet werden, bei derart komplexen und folgenreichen Beurteilungsfragen in einem Bereich ohne unmittelbare und eindeutige gesetzliche Grundlage Risiken zu tragen.

Diese allgemeine Betrachtung vorangestellt, ist im vorliegenden Sachverhalt darauf hinzuweisen, dass die Errichtung der Family-Office-Struktur primär betriebswirtschaftlich motiviert ist. Die angestrebte Struktur soll insbesondere eine aus Sicht der Unternehmerfamilie optimale Verwaltung und Entwicklung des unternehmerischen Familienvermögens sicherstellen. Als Instrument zur gesellschaftsübergreifenden Bündelung wirtschaftlicher Tätigkeiten der Familienmitglieder dient die Family Office-Struktur zugleich und vor allem den Interessen der gesamten Unternehmensgruppe.

Darüber hinaus soll die geplante Errichtung eines Family Office unter Einbindung einer gewerblich tätigen Family Office KG dazu beitragen, entstrickungs- und wegzugssteuerliche Risiken zu minimieren. Ziel ist es, eine stabile Inlandszuordnung der Anteile an der Familienholding sicherzustellen, um die Steuerneutralität des bevorstehenden Wegzugs eines Gesellschafters ins Ausland zu gewährleisten. Zusätzlich besteht ein rechtliches Interesse daran, zu klären, ob die geplante Family-Office-Struktur mit ihrem Schutz vor der Wegzugsbesteuerung alle Aspekte der komplexen und teils schwer überschaubaren Rechtsentwicklungen im Bereich der Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung umfassend berücksichtigt.

Die wirtschaftlichen Dispositionen hängen in der Praxis somit meist von der Erteilung einer verbindlichen Auskunft ab, sodass in Fällen wie diesen m. E. ein unstrittiges steuerliches Interesse an der Erteilung einer verbindlichen Auskunft besteht.

4. Relevante Einzelfragen

Eine originär gewerbliche Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 2 EStG liegt vor, wenn eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt wird, die am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Abzugrenzen ist dies von Tätigkeiten in der Land- und Forstwirtschaft, freien Berufen oder anderen selbständigen Tätigkeiten. Der BFH betont zudem – was hier relevant ist –, dass die Tätigkeit den Rahmen der privaten Vermögensverwaltung überschreiten muss. Die genannten Tatbestandsmerkmale dürften in diesem Fall unproblematisch erfüllt sein, da die Family Office KG auf Grundlage von Kostenumlageverträgen mit den Konzerngesellschaften (Cost-Plus-Methode) strukturell positive Einkünfte erzielt und am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.

Mit Blick auf das Überschreiten der Grenze einer bloß vermögensverwaltenden Tätigkeit ist darauf hinzuweisen, dass die Family Office KG als geschäftsleitende Holding aktiv wird. Ihre Tätigkeit beinhaltet neben dem Halten und Verwalten der Anteile an diversen Konzerngesellschaften vor allem originär gewerbliche Aspekte, insbesondere die aktive Erbringung von Beratungs-, Verwaltungs- und Geschäftsführungsleistungen. Als zukünftige Konzernobergesellschaft wird die Family Office KG vor diesem Hintergrund mit dem im Businessplan beschriebenen, personell und sachlich funktionsgerecht eingerichteten Geschäftsbetrieb ausgestattet werden.

In Abgrenzung zur bloßen Vermögensverwaltung liegt hierbei im Rahmen einer geschäftsleitenden Holding-Tätigkeit nach Auffassung der Rechtsprechung eine originär gewerbliche Tätigkeit dann vor, wenn die Holding-Gesellschaft die einheitliche Leitung über mehrere (typischerweise mindestens zwei) Konzerngesellschaften ausübt und diese damit zu einer wirtschaftlichen Einheit, die neben die einzelnen Unternehmen tritt, zusammenfasst (vgl. BFH 17.12.69, I 252/64, BStBl II 70, 257; 31.1.73, I R 166/71, BStBl II 73, 420; 27.3.85, I S 5/84, BFH/NV 86, 118). Nach Auffassung des BFH genügt es für die Einordnung einer Holding-Tätigkeit als Unternehmenstätigkeit, wenn die Holding sowohl nach außen erkennbar die Geschäftsleitung übernimmt, sodass die Tätigkeit über die für die Vermögensverwaltung typische Fruchtziehung hinausgeht. Darüber hinaus sollte die Holding-Gesellschaft nach außen erkennbar in Erscheinung treten.

In Abgrenzung hierzu ist zu berücksichtigen, dass der Obergesellschaft die Qualifikation einer geschäftsleitenden Holding jedoch nicht schon dann zukommt, wenn die Konzernleitung mittels Personalunion in der Geschäftsleitung durch einen die verschiedenen Konzerngesellschaften beherrschenden Gesellschafter wahrgenommen wird (vgl. BFH 31.1.73, I R 166/71, BStBl II 1973). Vielmehr muss anhand äußerer Merkmale erkennbar sein, dass die Konzernleitung durch die Obergesellschaft selbst ausgeübt wird (vgl. BFH 14.10.87, I R 26/84, BFH/NV 89, 192, m. w. N.).

Als solche äußeren Merkmale der Konzernleitung kommen hierbei beispielhaft in Betracht:

  • Aktive Konzernleitung: Ausübung der einheitlichen Leitung über die und Willensdurchsetzung bei den Konzerngesellschaften, z. B. durch Anweisung, Richtlinien, gemeinsame Besprechungen etc.
  • Festlegung der Unternehmenspolitik: Erstellung des planerischen Gesamtkonzeptes der Unternehmensgruppe. Eine Beeinflussung des Tagesgeschäfts der nachgeordneten Gesellschaften ist hierbei nicht zwingend erforderlich.
  • Erkennbarkeit der Führungsfunktion: Die unternehmerische Vorherrschaft muss nach außen für Dritte erkennbar sein, z. B. durch Eintragung einer hierauf deutenden Firma, die Repräsentanz der gesamten Unternehmens- und Konzernpolitik durch die Obergesellschaft, Dokumentation der wahrgenommenen Konzernleitung und Unternehmenspolitik durch schriftliche Fixierung der hierzu getroffenen Maßnahmen.

Bei der Beurteilung, ob die Family Office KG eine originär gewerbliche Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 2 EStG als Konzernleitungsgesellschaft ausübt, ist mit Blick auf den Businessplan zu berücksichtigen, dass sie geschäftsleitende Funktionen übernimmt. Dies zeigt sich daran, dass ein Katalog von Geschäftsvorfällen festgelegt wird, die entweder einer zwingenden Abstimmung mit oder der ausdrücklichen Zustimmung der Family Office KG bedürfen.

Die Geschäftsleitungsfunktion wird sich hierbei auch – wie in der einschlägigen BFH-Rechtsprechung gefordert – auf mindestens zwei Konzerngesellschaften erstrecken. Konkret wird eine Geschäftsleitungsfunktion zumindest für all jene Konzerngesellschaften ausgeübt, an denen die Unternehmerfamilie und die Family Office KG mittelbar zu 100 % beteiligt ist.

Darüber hinaus übernimmt die Family Office KG neben der Geschäftsleitungsfunktion auch zentrale Konzerndienstleistungsaufgaben, die künftig selbst erbracht werden. Dazu zählen insbesondere folgende Bereiche:

  • Finanzen: Konzeption und Umsetzung einer Anlagestrategie für die Gesellschafter bei verfügbarer Liquidität.
  • Steuern und Rechnungswesen: Erstellung von Buchhaltungen, Jahresabschlüssen und Steuererklärungen sowie Erbringung weiterer buchhalterischer und steuerlicher Dienstleistungen für Konzerngesellschaften.
  • Controlling: Erbringung von Controlling-Leistungen für die Unternehmensgruppe sowohl zur Unterstützung der geschäftsleitenden Funktionen als auch für die KG-Gesellschafter.

In der Gesamtschau zeigt sich, dass sowohl die geschäftsleitende Funktion als Holding als auch die Tätigkeit als Konzerndienstleistungsgesellschaft jeweils eigenständig eine originär gewerbliche Tätigkeit i. S. v. § 15 Abs. 2 EStG begründen können.

Zusammengenommen überschreiten diese Tätigkeitsprofile eindeutig die Grenze der bloßen Vermögensverwaltung. Die Family Office KG und ihre Gesellschafter erzielen somit originär gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 15 Abs. 2 EStG.

Weiterführender Hinweis
  • Der Beitrag wird im zweiten Teil mit weiteren steuerlichen Fragen fortgesetzt.

Zum Autor | RA StB FAfStR Prof. Dr. Florian Haase, M.I.Tax ist Partner und Niederlassungsleiter im Hamburger Büro von Rödl & Partner sowie Leiter des Beratungsfelds „Internationales Steuerrecht“ und der steuerlichen Grundsatzabteilung der Kanzlei. Er ist ferner Inhaber der Professur für Deutsches, Internationales und Europäisches Steuerrecht an der IU Internationale Hochschule, Bad Honnef.

AUSGABE: PIStB 2/2025, S. 53 · ID: 50251188

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