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Der praktische Fall Tax CMS im Bereich Verrechnungspreise – Teil 2: Implementierung sowie Reifegradermittlung

Abo-Inhalt31.01.20258 Min. LesedauerVon StB Marc Oppermann, Düsseldorf

| Nach Darstellung der IDW-Vorgaben in Teil 1 dieses Beitrags (PIStB 25, 25) soll in Teil 2 die Implementierung von Tax-Compliance-Management-Systemen (Tax CMS) im Bereich der Verrechnungspreise vorgestellt werden. Ein besonderer Fokus wird auf die Ermittlung des Reifegrades gelegt, da dies zunehmend in Betriebsprüfungen insbesondere vor dem Hintergrund des am 28.12.22 verkündeten DAC7-Umsetzungsgesetzes diskutiert wird. Schließlich sollen zukünftig innerbetriebliche Steuerkontrollsysteme (Tax CMS) zur Beschleunigung von Betriebsprüfungen genutzt werden. Dies wird im Rahmen einer Erprobungsregelung bis zum Jahr 2029 umgesetzt und evaluiert. |

1. Dreistufiger Projektansatz zur systematischen Implementierung

In der Praxis hat sich ein dreistufiger Ansatz etabliert, welcher aus der Bestandsaufnahme bestehender Prozesse, der Erstellung von Risiko-Kon-troll-Matrizen und der Erstellung einer Tax-CMS-Dokumentation besteht.

1.1 Bestandsaufnahme

Jedes Unternehmen verfügt – bewusst oder unbewusst – über Prozesse, Maßnahmen und Kontrollen, die sicherstellen sollen, dass die steuerrechtlichen Verpflichtungen ordnungsgemäß erfüllt werden. Daher sollte bei der Einführung eines Tax CMS damit begonnen werden, sich Klarheit über diese vorhandenen Prozesse, Maßnahmen und Kontrollen zu verschaffen. Sollte bereits eine schriftliche Dokumentation bestehen (zu denken ist hierbei insbesondere an Verrechnungspreisdokumentationen), sollten diese für Zwecke des Tax CMS herangezogen werden. Am Ende dieser ersten Stufe der Bestandsaufnahme sollten die mit den betrachteten Prozessen verbundenen Risiken und ggf. schon vorhandenen (Ist-)Kontrollen in einer sog. Steuer-Prozess-Dokumentation zusammengefasst und visualisiert werden. Schließlich bedarf es nämlich einer Dokumentation, die auch nachvollziehbar und überprüfbar ist.

Sobald die relevanten Prozesse identifiziert sind, können die beteiligten Abteilungen und Ansprechpartner festgelegt werden. Dies können beispielsweise Abteilungen wie Controlling, Legal oder Tax und deren Mitarbeiter sein; die Auswahl hängt vom jeweiligen Prozess und Unternehmen ab. In der Praxis haben sich Workshops und Interviews als effiziente Methoden zur Prozessaufnahme bewährt. Durch diese können die Prozesse in analysierbare Teilschritte zerlegt und bestehende Risiken sowie vorhandene Kontrollen identifiziert werden. Die Dokumentation der Gesprächsinhalte sollte idealerweise direkt mit geeigneter Software erfolgen (z. B. Microsoft Visio).

Praxistipp | Um einen gewissen Haftungsschutz bei Compliance-Verstößen gewährleisten zu können, sind Regelungen zu Prozessen und Verantwortlichkeiten unerlässlich. Anstelle klassischer Flowcharts kann sich die Darstellung in sog. „Swimlanes“ als Datenflussdiagramm zusammen mit einer Verantwortlichkeitsmatrix nach RACI anbieten. Eine Swimlane zeigt sehr gut den Fluss eines Prozesses auch zwischen unterschiedlichen Abteilungen. Zwar ist es bei dieser Aufbereitung etwas schwieriger, zusätzliche Informationen zu ergänzen, dafür werden alle Tätigkeiten einer Abteilung allerdings auf einen Blick sichtbar.

RACI ist ein Akronym, welches für die nachfolgenden Zuständigkeiten in einem Prozess steht:

  • R – Responsible (verantwortlich): Diese Rolle ist unmittelbar mit der Arbeit betraut, sie kümmert sich operativ um die Umsetzung der Aktivität. Es ist mit wenigen Ausnahmen nur eine Rolle, welche Verantwortlichkeit für einen Prozess besitzt.
  • A – Accountable (rechenschaftspflichtig): Die rechenschaftspflichtige Rolle ist dafür verantwortlich, dass alle Aufgaben und Aktivitäten innerhalb eines Prozesses erledigt bzw. umgesetzt werden. Dies ist oftmals nicht die Rolle, welche die eigentlichen Aufgaben tatsächlich ausführt. In der Regel ist es die Rolle eines Managers, welcher verantwortlich ist, oder eine andere Rolle (regelmäßig aus dem höheren Management), die rechenschaftspflichtig ist.
  • C – Consulted (konsultiert): Hierbei handelt es sich um die Rollen, die die Arbeit überprüfen und abzeichnen sollten, bevor sie übergeben wird. Es kann mehrere Consulted-Rollen für die jeweilige Aktivität eines Prozesses – z. B. bei Durchführung des Vier-Augen-Prinzips – geben.
  • I – Informed (informiert). Hierbei handelt es sich um die Rollen, welche über den Fortschritt bzw. Abschluss eines Prozesses informiert werden. In der Regel werden Arbeitsergebnisse aus dem Prozess einer Abteilung in eine den Prozess weiterbearbeitende Abteilung übergeben.

Nachfolgend finden Sie zur Veranschaulichung ein Beispiel zur Steuer- Prozess-Dokumentation mittels „Swimlane“ mit RACI-Matrix:

In der obigen Swimlane sind wesentliche Rollen soweit benannt, wie diese R- (verantwortlich), A- (rechenschaftspflichtig), C- (konsultiert) und I- (informiert) Verantwortlichkeiten im Prozess wahrnehmen.

Die nachfolgende Tabelle listet alle Rollen und Verantwortlichkeiten zum Prozess auf.

Margenmonitoring Routineunternehmen
Rollen/Prozess
Verantwortlichkeiten
Sachbearbeiter FiBu
R
Sachbearbeiter Controlling
R
Sachbearbeiter Steuern
C
Sachbearbeiter Zollteam
C
Leiter Controlling
A

Schließlich kann hierauf eine Risikoeinschätzung erfolgen:

Risikoeinschätzung
RisikohöheRisikowahrscheinlichkeitKontrollen/MaßnahmenVeranwortlichkeiten
bis 100 TEUR p. a.seltenChecklisten, Arbeitsanweisungen, SchulungenAbteilungsleitung Controlling

1.2 Erstellung einer Risiko-Kontroll-Matrix

Nach der Bestandsaufnahme der Steuer-Prozess-Dokumentation sollte im zweiten Schritt eine Risiko-Kontroll-Matrix erstellt werden. In dieser Matrix werden die identifizierten Risiken den bereits vorhandenen oder neu geplanten Kontrollen übersichtlich gegenübergestellt, bewertet und priorisiert. Dabei ist es sinnvoll, zunächst die Bruttorisiken (ohne Kontrollen) und anschließend die Nettorisiken (nach Anwendung der Kontrollen) zu bewerten. Diese Vorgehensweise hilft, verbleibende materielle Restrisiken zu identifizieren, die durch bestehende Kontrollen noch nicht ausreichend minimiert wurden. Basierend auf dieser Risiko-Kontroll-Matrix können gezielte präventive oder detektive Kontrollmaßnahmen entwickelt und in ein Tax-Compliance-Programm integriert werden (s. dazu Teil 1 unter „Tax-Compliance-Programm“). Im Anschluss folgt ein Beispiel für die Darstellung einer Risiko-Kontroll- Matrix (zur besseren Übersicht wurde die Darstellung zweigeteilt.

1.3 Erstellung der Tax-CMS-Dokumentation

In der dritten und letzten Stufe wird die Tax-CMS-Dokumentation erstellt. Diese sollte eine klare Darstellung der Steuerprozesse inklusive Vorprozessen und Schnittstellen, die identifizierten Risiken sowie die bestehenden und geplanten Kontrollmaßnahmen aus der Risiko-Kontroll-Matrix enthalten. Besonders wichtig ist die Festlegung neuer Rollen und Verantwortlichkeiten für die Kontrollmaßnahmen sowie die Definition von Eskalationsstufen.

2. Reifegradbestimmung eines Tax CMS

Mit Blick auf den Fragebogen des Konzernprüfungsamtes Stuttgart soll der Prozess der Reifegradbestimmung in einem gesonderten Kapitel dargestellt werden. Nach der Erhebung des Ist-Zustandes (s. Kapitel 1.1 zur Bestandsaufnahme) kann eine Einschätzung des Reifegrades des Tax CMS im Unternehmen vorgenommen werden. Dabei kann nach dem folgenden Modell vorgegangen werden:

Die fünf Reifegrade unterscheiden sich insbesondere im Grad der Personenbezogenheit, der Automatisierung sowie der Dokumentation der Kontrollaktivitäten. Regelmäßig wird ein Reifegrad der Stufe 3 aus haftungsrechtlichen Gründen angestrebt, lediglich in regulierten Industrien (wie Banken und Versicherungen) wird mindestens ein Reifegrad von 4 notwendig sein (so auch Neuling, Wilmanns, Busch, Scheibe: Verrechnungspreise in der Betriebsprüfung, 1. Auflage aus 2020, 3 f.). Nachfolgend finden Sie eine Auflistung von hilfreichen Fragestellungen in Anlehnung an eine im Internet veröffentlichte PwC-Tax-CMS-Studie aus 2020 hinsichtlich der sieben Grundelemente. Letztlich ist eine Gesamtbetrachtung unerlässlich:

Ermittlung des Reifegrades
Grundelement
Fragen
Kultur
  • Existiert ein Verhaltenskodex für Steuern bzw. eine Steuerstrategie?
  • In welchem Detaillierungsgrad werden Vorgaben für das Tax CMS und entsprechende Verhaltensweisen der Mitarbeiter in einer unternehmens- bzw. konzernweiten Steuerstrategie definiert?
  • Inwieweit leben die gesetzlichen Vertreter die in der Steuerstrategie definierten Verhaltensweisen (Tone from the Top) vor?
  • Wie oft und in welcher Form kommuniziert der Steuerleiter bzw. ein Tax-Compliance-Verantwortlicher mit den gesetzlichen Vertretern / dem Vorstand über das Tax CMS?
  • Ist dem Vorstand / der Geschäftsführung bewusst, dass Tax Compliance nicht alleine durch die Umsetzung eines Tax CMS in der Steuerabteilung erzielt werden kann, sondern auch weitere Unternehmensbereiche sowie insbesondere Schnittstellen einbezogen werden müssen?
  • Gibt es verbindliche Vorgaben, wann die Steuerabteilung bzw. externe Berater in steuerrelevante Fragestellungen einzubeziehen sind?
  • Findet eine aktive Einbindung der Steuerabteilung durch die einzelnen Fachbereiche bei (komplexen) steuerrelevanten Fragen auch tatsächlich statt?
  • Gibt es Maßnahmen (z. B. Schulungen) zur Vermittlung der Bedeutung der Einhaltung steuerlicher Regelungen und Pflichten?
Ziele
  • Inwieweit sind Tax-Compliance-Ziele bereits definiert und dokumentiert?
  • Stehen die festgelegten Tax-Compliance-Ziele im Einklang mit der Unternehmensstrategie?
  • Wie beurteilen Sie die Tax-Compliance-Ziele im Hinblick auf z. B.:
    • Konsistenz mit anderen Zielen und Strategien?
    • Verständlichkeit und Praktikabilität? Messbarkeit der Zielerreichung?
    • Vereinbarkeit mit verfügbaren Kapazitäten?
    • Grad der Zielerreichung im Bereich Tax Compliance?
Organisation
  • Sind die Rollen und Verantwortlichkeiten zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten für alle relevanten Prozessschritte (inklusive Schnittstellen sowie Vorprozessen außerhalb der Steuerfunktion) eindeutig festgelegt und dokumentiert?
  • Stehen notwendige Personalressourcen (Know-how und zeitliche Verfügbarkeit) für die fortlaufende Verbesserung des Tax CMS (Stichwort: „lebendes System“) zur Verfügung?
  • Wie verhält es sich mit notwendigen IT-Ressourcen (Software, Know-how, zeitliche Verfügbarkeit)?
Risiken
  • Findet eine Identifizierung, Analyse und Bewertung der steuerrelevanten Risiken auf Basis einer systematischen Vorgehensweise und entsprechender Dokumentation dieser Vorgehensweise statt?
  • Nehmen Sie eine systematische Beurteilung und Analyse nach Eintrittswahrscheinlichkeit und potenziellem Schadensausmaß vor?
  • Sind Maßnahmen zur Minimierung der Bruttorisiken dokumentiert?
  • Werden Wesentlichkeitsgrenzen berücksichtigt?
  • Wie ist gewährleistet, dass steuerrelevante Risiken am besten im Voraus erkannt werden?
  • In welchen Abständen werden die steuerlichen Risiken evaluiert?
  • Liegen den Risiko-Kontroll-Matrizen Dokumentationen der steuerrelevanten Prozesse (inklusive Schnittstellen und Vorprozesse) zugrunde?
Programm
  • Werden steuerliche Risiken mit den dazugehörigen Kontrollen in Form einer Risiko-Kontroll-Matrix dokumentiert?
  • Existieren Arbeitsanweisungen, Checklisten, Prozessbeschreibungen, Kontrolldefinitionen und -beschreibungen sowie Pflichtschulungen mit Blick auf materielle Steuern?
  • Inwieweit greift die Kontrolle mittels Vier-Augen-Prinzips und ist diese dokumentiert?
  • Sind IT-systemimmanente Kontrollen vorhanden?
  • Werden Datenanalysen durchgeführt?
  • Sind Beschreibungen der Kontrollmaßnahmen für einen sachverständigen Dritten leicht verständlich?
  • Wie häufig wird die Eignung der eingerichteten Kontrollen überprüft?
  • Findet eine steuerliche (Grundlagen-)Wissensvermittlung an Mitarbeiter außerhalb der eigentlichen Steuerabteilung statt?
Kommunikation
  • Existieren standardisierte Kommunikationsprozesse an den Vorstand / die Geschäftsführung (bspw. bezüglich Inhalt, Häufigkeit, Struktur, Darstellungsweise, Umfang / Tiefe)?
  • In welcher Form werden Mitarbeiter über konkrete Tax-Compliance-Aufgaben, Verantwortlichkeiten bzw. Pflichten im Rahmen des Tax CMS informiert?
  • Wie werden Rechtsänderungen kommuniziert?
Überwachung
  • Wie wird die laufende Verbesserung des Tax CMS in Bezug auf Wirksamkeit und Effizienz systematisch und für externe Dritte nachvollziehbar sichergestellt?
    • 1. Laufende, zeitnahe Behebung von aufgedeckten Schwachstellen?
    • 2. Mindestens jährliche dokumentierte Besprechung der steuerrelevanten Prozesse mit allen Beteiligten?
    • 3. Regelmäßige Besprechungstermine des Tax-Compliance-Verantwortlichen mit Ansprechpartnern aller steuerrelevanter Abteilungen?
    • 4. In anderer Form?
  • Findet eine Überwachung der Einhaltung von Richtlinien und Kontrollen sowie Durchführung regelmäßiger Systemprüfungen inklusive interner oder externer Wirksamkeitstests statt?
  • Werden Wirksamkeitstests von sachverständigen Personen (Steuerabteilung, Internal Audit etc.) durchgeführt?
  • Finden eine Kommunikation und Berichterstattung von Fehlern und dadurch initiierte Anpassungen statt?
  • Sind klare Zuständigkeiten und die Entwicklung eines Überwachungs- und Verbesserungsplans festgelegt und dokumentiert?
Fazit | Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die ausgestreckte Hand der deutschen Finanzverwaltung mit der Einführung des Anwendungserlasses zum § 153 AO (seit 2016) sowie auch die Hand des Gesetzgebers mit Blick auf mögliche zukünftige Betriebsprüfungserleichterungen für Steuerpflichtige in Deutschland (DAC-7-Umsetzungsgesetz) dankbar ergriffen werden sollte. Ein wirksames und aktiv genutztes Tax CMS ermöglicht es nicht nur, Steuererklärungen nachträglich zu korrigieren, ohne hohe Strafen befürchten zu müssen, sondern schafft auch die Grundlage für zukünftige Betriebsprüfungserleichterungen. Dadurch können steuerliche Prüfungen effizienter, zeitnaher und digitaler gestaltet werden. Aus den vorstehenden Gründen empfiehlt sich aus rein steuerlicher Sicht dem Thema Tax CMS einen hohen Stellenwert beizumessen.

AUSGABE: PIStB 2/2025, S. 37 · ID: 50161638

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