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UmsatzsteuerbefreiungReitunterricht als Freizeitgestaltung ist umsatzsteuerpflichtig
| Die Erteilung von Reitunterricht ist nicht von der Umsatzsteuer befreit, es sei denn, der Unterricht dient der Ausbildung, Fortbildung oder Umschulung (BFH 22.1.25, XI R 9/22). |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Der Kläger begehrte die Steuerbefreiung verschiedener Reitkurse für Kinder und Jugendliche auf seinem Reiterhof in den Jahren 2007 bis 2011. In der „Ponygruppe“ wurden Kinder und Jugendliche, bei „Klassenfahrten“ wurden Schulklassen im Umgang mit Pferden unterrichtet. Zudem wurden Kurse für eine „Große Pferdegruppe“ angeboten, die auf das Ablegen von Leistungsabzeichen gerichtet waren. Die unterrichteten Kinder und Jugendlichen wurden überdies verpflegt und übernachteten teilweise auch auf dem Reiterhof. Das FA vertrat den Standpunkt, dass sämtliche Leistungen steuerpflichtig seien.
Das FG sah es größtenteils anders. Die Umsätze seien insoweit steuerfrei, als sie auf die Beherbergung und Verpflegung sowie auf den Teil des Reitunterrichts entfielen, mit dem die formalen Voraussetzungen dafür erlangt werden können, später den Beruf des Turniersportreiters auszuüben („Große Pferdegruppe“). Der BFH wiederum hat sich der Vorentscheidung nicht in allen Teilen angeschlossen. Er hat klargestellt, dass es sich bei der Beherbergung und Verpflegung von Kindern und Jugendlichen um selbstständige steuerbare Leistungen neben dem Reitunterricht handelt. Er hat weiter hervorgehoben, dass Reitunterricht kein „Schul- und Hochschulunterricht“ ist und eine Steuerbefreiung nur in Betracht kommt, wenn der Unterricht tatsächlich auf einen Beruf vorbereitet.
2. Entscheidungsgründe
Jeder Umsatz ist zwar im Hinblick auf die Mehrwertsteuer i. d. R. als eigenständige und selbstständige Leistung zu betrachten. Ein Umsatz, der eine wirtschaftlich einheitliche Leistung darstellt, darf aber im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Eine einheitliche Leistung liegt vor, wenn mehrere Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre. Insbesondere ist eine Leistung als Nebenleistung einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kunden keinen eigenen Zweck darstellt, sondern das Mittel, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.
Reitkurse einerseits und die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung andererseits sind selbstständige Leistungen. Einem Durchschnittsverbraucher kommt es nicht bloß auf die Durchführung der Kurse an, sondern es ist ihm gleichermaßen wichtig, eine angemessene Unterkunft und Verpflegung während seines Aufenthalts zu erhalten. Dies gilt insbesondere, wenn beide Leistungen bzw. Leistungsbestandteile das Entgelt wesentlich mitbestimmen. Es kommt dem durchschnittlichen Teilnehmer insbesondere auch nicht auf die Verbindung beider Leistungselemente an. Es besteht ein abtrennbares Interesse an beiden Leistungen.
2.1 Umsatzsteuerliche Einordnung von Reitkursen
§ 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG a. F. (vgl. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL) befreit die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen. Voraussetzung ist in jedem Fall das Vorliegen eines Schul- bzw. Bildungszwecks. Eine Einrichtung erbringt unmittelbar dem Bildungszweck dienende Leistungen, wenn sie Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt, die beruflich genutzt werden können und damit für die Berufsausbildung geeignet sind. Die Befreiung gilt für die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die Schul- und Hochschulunterricht, die Aus- und Fortbildung sowie die berufliche Umschulung und die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung. Die ebenfalls erforderliche Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde kann Indiz dafür sein, dass die Leistungen, soweit sie dem tatsächlichen Anforderungsprofil der Bescheinigung entsprechen und keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen, nicht den Charakter einer bloßen Freizeitgestaltung haben.
2.1.1 Pferdesport als spezialisierter Unterricht
Pferdesport ist kein Schul- oder Hochschulunterricht. Er dient grundsätzlich der Freizeitgestaltung. Daran ändert nichts, dass sich der (professionelle) Berufssport, den es zweifelsfrei auch im Pferdesport gibt, aus dem Amateur- und Hobbysport speist und er dort seine Anfänge nehmen mag. Pferdesport ist typischer Freizeitsport, dessen Vermittlung nicht von der Umsatzsteuer zu befreien ist. Reitkurse sind üblicherweise mit Segel-, Fahr-, Jagd-, Schwimm- oder Tanzschulen vergleichbar. Sie bereiten auf keinen bestimmten Beruf vor, sondern haben Freizeitcharakter, auch wenn einzelne Teilnehmer später einmal in den genannten Bereichen professionell tätig werden mögen. Allein der Erwerb bestimmter Fähigkeiten ist noch keine Vorbereitung auf einen Beruf, die steuerfrei ist. Sonst wäre der Umfang der Steuerbefreiung grenzenlos, weil (nahezu) jede Tätigkeit auch beruflich ausgeübt werden kann.
2.1.2 Ausnahme: Vermittlung von Kenntnissen eines Turniersportreiters
Etwas anderes gilt, wenn die Kurse (hier: die „Große Pferdegruppe“) tatsächlich darauf ausgerichtet sind, Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln, die es ermöglichen, einen bestimmten Beruf (hier: des Turniersportreiters) zu ergreifen. In diesem Fall kann eine berufsbildende Einrichtung i. S. d. § 4 Nr. 21 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG vorliegen, die Leistungen erbringt, die unmittelbar dem Bildungszweck dienen. Indizien sind insoweit die Vorbereitung für das Ablegen von Leistungsabzeichen, mit denen wiederum eine Jahresturnierlizenz zur Teilnahme an Turniersportprüfungen erworben werden kann und wenn ohne eine solche Jahresturnierlizenz der Einstieg in den Beruf (hier: des Turniersportreiters) nicht möglich ist. Auch die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde entfaltet eine Indizwirkung, dass die Leistungen nicht der bloßen Freizeitgestaltung dienen. Umso mehr gilt dies, wenn die weit überwiegende Anzahl der Teilnehmer tatsächlich an den Prüfungen für ein Leistungsabzeichen teilnimmt.
2.2 Umsatzsteuerliche Einordnung von Reitkursen
Die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen war nach § 4 Nr. 23 S. 1 UStG a. F. nur dann steuerfrei, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke oder für Zwecke der Säuglingspflege bei sich aufnahmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt wurden. Die Befreiungsvorschrift sollte Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und der Ausbildung zugutekommen. Bei richtlinienkonformer Auslegung verlangte § 4 Nr. 23 UStG a. F. eine anerkannte Einrichtung mit im Wesentlichen sozialem Charakter.
3. Relevanz für die Praxis
Reitunterricht, der typischerweise der Freizeitgestaltung dient, ist i. d. R. keine Ausbildung oder Fortbildung; denn er bereitet nicht auf einen bestimmten Beruf vor. Die Auffassung des BFH dürfte insoweit strenger sein als die Auffassung der Finanzverwaltung zu Ballett-, Tanz- oder Musikunterricht (Absch. 4.21.2 Abs. 8 UStAE) – darauf weist der BFH in seiner Pressemitteilung vom 30.5.25 zum Besprechungsurteil hin. Die Kurse der „Ponygruppe“ und für Schulklassen im Rahmen der „Klassenfahrten“ sind nach Auffassung des BFH umsatzsteuerpflichtig. Bei den Kursen der „Großen Pferdegruppe“ lagen hingegen die strengen Voraussetzungen für eine Ausnahme vor, da zahlreiche Teilnehmer später Turniersportreiter wurden. Diese Kurse sind folglich umsatzsteuerfrei. Hinsichtlich der Beherbergungs- und Verpflegungsleistungen für die Kinder und Jugendlichen hat der BFH ausgeführt, dass die hierfür seinerzeit geltende Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 23 UStG a. F.) nur dann in Betracht kommt, wenn eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter vorliegt. Bereits hieran fehlte es. Seit dem 1.1.20 können im Übrigen nur noch die Leistungen von Einrichtungen ohne Gewinnstreben insoweit umsatzsteuerbefreit sein, was der Kläger eben nicht ist.
Praxistipp | § 4 Nr. 21 UStG, d. h. die Steuerbefreiung für Bildungsleistungen, wurde mit dem Jahressteuergesetz 2024 geändert. So wurde der Umfang der begünstigten Leistungen von „Leistungen, die auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten“ auf „Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen“ ausgedehnt. Doch auch nach der Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG ließe sich für den Reitunterricht keine Steuerbefreiung herleiten, soweit er lediglich der Freizeitgestaltung dient. |
AUSGABE: PFB 8/2025, S. 217 · ID: 50439702