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EinkünftequalifikationFreiberufliche Einkünfte der Mitunternehmerschaft bei kaufmännischer Führung durch Berufsträger

Abo-Inhalt20.06.20256 Min. LesedauerVon RA Dr. Jens-Peter Damas, FASteuerR, Darmstadt

| Ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer übt im Rahmen eines Zusammenschlusses von Berufsträgern den freien Beruf selbst aus, wenn er neben einer gegebenenfalls äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Mitunternehmerschaft erbringt. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden (BFH 4.2.25, VIII R 4/22). |

1. Sachverhalt

Im Entscheidungsfall geht es um eine Zahnarztpraxis mit drei Senior- und vier Juniorpartnern (jeweils approbierte Zahnärzte). Streitig ist, ob es sich bei einem der Seniorpartner um freiberufliche Einkünfte handelt oder ob gewerbliche Einkünfte vorliegen, welche die Gemeinschaftspraxis infizieren. Der Aufgabenbereich des Seniorpartners war seit der Gründung der Gemeinschaftspraxis, alle Angelegenheiten für die Praxis zu erledigen, die außerhalb der eigentlichen Patientenbehandlung zum Betrieb der Praxis gehörten. Hierunter fielen die Betreuung aller vertraglichen Angelegenheiten, die Vertretung gegenüber Behörden und Kammern (Bezirksärztekammer, KZV, Gesundheitsamt, Röntgenstelle, Bauamt), dem Datenschutzbeauftragten, Gerichten, Lieferanten, Banken, dem Steuerberater, dem FA sowie die interne Revision. Ferner gehörten zum Aufgabenbereich die Instandhaltung sämtlicher zahnärztlicher Gerätschaften und Einrichtungsgegenstände sowie die Betreuung baulicher Erweiterungen und Umbaumaßnahmen sowie Personalangelegenheiten. Ferner war er für die Qualitätssicherung, die Organisation der Abläufe und den Bereich Strahlenschutz/Röntgentätigkeit verantwortlich. Als hierzu Beauftragter trat er insbesondere mit den (Aufsichts-)Behörden in Kontakt. Regelmäßig hielt er sich am Dienstag in den Praxisräumen auf. Dort nahm er vor allem Reparatur- und Wartungsarbeiten vor („Reparaturtage“). Sonst befand er sich nur unregelmäßig in den Praxisräumen.

Dagegen behandelte er im Streitjahr lediglich fünf Patienten konsiliarisch. Die Beratung der Patienten erfolgte außerhalb der Praxisräume bzw. in Situationen, in denen er die Patienten „immer wieder“ im Wartezimmer angetroffen habe. Er war nicht direkt „am Stuhl“ behandelnd tätig und auch sonst in die praktische zahnärztliche Arbeit der sechs Mitsozien und der fünf weiteren angestellten Zahnärzte nicht eingebunden.

2. Entscheidungsgründe

Der BFH rekapituliert zunächst die Grundsätze freiberuflicher Tätigkeit bei Mitunternehmerschaften. Eine Personengesellschaft entfaltet danach nur dann eine Tätigkeit, die die Ausübung eines freien Berufs i. S. v. § 18 EStG darstellt, wenn sämtliche Gesellschafter die Merkmale eines freien Berufs erfüllen, denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der Freiberuflichkeit können nicht von der Personengesellschaft selbst, sondern nur von den natürlichen Personen im Gesellschafterkreis erfüllt werden.

2.1 Einkunftsart der Gesellschaft

Der Große Senat des BFH hat für den Bereich der Einkommensteuer entschieden, dass die Art der Einkünfte der Gesellschafter einer Personengesellschaft in erster Linie durch die Tätigkeit der Gesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit, mithin durch die Tätigkeit der Gesellschaft, selbst bestimmt wird und dass das Prinzip der Vielheit der Gesellschafter „regelmäßig“ ohne Einwirkung auf die Qualifikation der Einkünfte der Gesellschaft bleibt. Eine Ausnahme von der Regel ist indes geboten, wenn zum gesetzlichen Tatbestand einer Einkunftsart Merkmale gehören, die weniger im Bereich der Tätigkeit eines Steuerrechtssubjekts liegen als in persönlichen Eigenschaften, die nur eine natürliche Person haben kann. Das trifft auf Tatbestandsmerkmale der „Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit“ nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu. Alle Berufe, die die Norm aufzählt, erfordern persönliche Eigenschaften, die nur der Gesellschafter einer Personengesellschaft, der eine natürliche Person ist, haben kann, nicht die Gesellschaft selbst. Daher kann eine Personengesellschaft „Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit“ nur erzielen, wenn alle Gesellschafter der Personengesellschaft die Voraussetzungen einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllen. Jeder Gesellschafter muss mithin über die persönliche Berufsqualifikation verfügen und eine freiberufliche Tätigkeit, zu deren Ausübung er persönlich qualifiziert ist, tatsächlich entfalten. Erfüllt auch nur einer der Gesellschafter diese Voraussetzungen nicht, so erzielen alle Gesellschafter Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG. Eine Aufteilung der Einkünfte in freiberufliche und in solche aus Gewerbebetrieb scheidet aus.

2.2 Inhaltliche Anforderungen

Sodann blendet der BFH auf die Anforderungen inhaltlicher Art in den einzelnen Leistungserbringer über.

Die freiberufliche Tätigkeit ist durch die unmittelbare, persönliche und individuelle Arbeitsleistung des Berufsträgers geprägt. Daher reicht die bloße Zugehörigkeit eines Gesellschafters zu einer der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG genannten Berufsgruppen nicht aus. Vielmehr muss positiv festgestellt werden können, dass jeder Gesellschafter die Hauptmerkmale des freien Berufs, nämlich die persönliche Berufsqualifikation und das untrennbar damit verbundene aktive Entfalten dieser Qualifikation auf dem Markt, in seiner Person verwirklicht hat, denn es gibt keine aus der Tätigkeit der übrigen Gesellschafter abgeleiteten freiberuflichen Einkünfte.

Diese Tätigkeitsanforderung kann im Rahmen der arbeitsteiligen Zusammenarbeit auch weitgehend in nur organisatorischer Weise (nach innen) erfolgen. Die persönliche Ausübung der freiberuflichen Tätigkeit setzt nämlich nicht voraus, dass jeder Gesellschafter in allen Unternehmensbereichen leitend und eigenverantwortlich tätig ist und an jedem Auftrag mitarbeitet. Die eigene freiberufliche Betätigung eines Mitunternehmers kann auch in Form der Mit- und Zusammenarbeit stattfinden. Einen Mindestumfang für die nach außen gerichtete qualifizierte Tätigkeit sieht das Gesetz nicht vor.

Das Berufsbild des (Zahn-)Arztes ist zwar in besonderem Maße durch den persönlichen individuellen Dienst am Patienten geprägt. Diese patientenbezogene Betrachtung schließt es indes nicht aus, eine freiberufliche zahnärztliche Tätigkeit auch anzunehmen, wenn ein als Zahnarzt zugelassener Mitunternehmer im Rahmen eines größeren Zusammenschlusses von Berufsträgern neben einer gegebenenfalls äußerst geringfügigen behandelnden Tätigkeit vor allem und weit überwiegend organisatorische und administrative Leistungen für den Praxisbetrieb der Gesellschaft erbringt. Auch in diesem Fall entfaltet er Tätigkeiten, die zum Berufsbild des Zahnarztes gehören, denn die kaufmännische Führung und Organisation der Personengesellschaft ist die Grundlage für die Ausübung der am Markt erbrachten berufstypischen zahnärztlichen Leistungen und damit auch Ausdruck der freiberuflichen Mit- und Zusammenarbeit sowie der persönlichen Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit.

3. Relevanz für die Praxis

Betrachtet man den Grundsatz der gegenseitigen Handlungszurechnung innerhalb von Mitunternehmerschaften, so erscheint das Urteil nachvollziehbar und dem „gesunden Menschenverstand“ schlüssig. Die Bedeutung des Urteils zeigt sich erst ganz, wenn man die Urteilsbegründung der Vorinstanz mit in den Blick nimmt.

Das FG Rheinland-Pfalz (16.9.21, 4 K 1270/19) hatte noch judiziert, dass der Partner einer zahnärztlichen Partnerschaftsgesellschaft, der ganz überwiegend nur noch Organisation-, Verwaltungs- und Management-Tätigkeiten ausübt und nur in geringem Umfang eigene zahnärztliche Beratungs- oder Behandlungsleistungen unmittelbar an Patienten erbringt, nicht mehr dem Leitbild des selbstständigen Zahnarztes entspricht. Aus der – insofern maßgeblichen und typisierend anzunehmenden – Patientensicht sei die Erwartung von Patienten an die Tätigkeiten approbierter Zahnärzte ganz vorrangig auf die Feststellung etwaiger Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten und deren Prophylaxe bzw. Behandlung gerichtet. Im Gegensatz hierzu spielten Aspekte zunehmender Professionalisierung, rechtlicher Regulierung, wirtschaftlicher Sequenzierung und organisatorischer Arbeitsteilung der zahnärztlichen Tätigkeit eine Nebenrolle und seien für Patienten weder einsehbar noch von besonderem Interesse.

Aber auch der BFH (8.4.08, VIII R 73/05) hat die Festlegung von Rahmenbedingungen und Richtlinien für Buchhaltung und Controlling, die Prüfung der Controllingergebnisse, den Kauf und die Pflege übergeordneter EDV-Programme, die Erstellung von Akquisitionsmaterial, die übergeordnete Akquisition und die Festlegung von Arbeitsabläufen von der freiberuflichen Tätigkeit ausgeschlossen. Insoweit scheint das aktuelle Urteil auch eine gewisse Neuorientierung des VIII. Senats zu verkörpern.

AUSGABE: PFB 7/2025, S. 188 · ID: 50381796

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