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ArchitektenrechtFachplaner prüft nur auf Auftrag: Was der Architekt bei Planungsänderungen beachten muss

Abo-Inhalt29.07.202575 Min. LesedauerVon Rechtsanwältin und Architektin Aleksandra Gleich, Mannheim

| Wer als Architekt ein Projekt durch alle Lph begleitet, ist sich der Bedeutung der Fachplaner bewusst. Doch wie ist es zu bewerten, wenn die Objektplanung nach Bauantragstellung ohne erneute Einbindung der Fachplaner geändert wird? Und wie können sich Objektplaner absichern, wenn sie auf eine Prüfung durch die Fachplanung angewiesen sind, diese aber nicht veranlasst oder durchgeführt wird? Eine aktuelle Entscheidung des OLG Karlsruhe bietet hierzu wichtige Klarstellungen und zugleich wertvolle Hinweise für die Vertragspraxis. |

Der Fall: Änderungen in der Lph 5 ohne neue Fachplanung

Dem Urteil liegt ein Regressstreit zwischen einem Architekten und einem Fachplaner zugrunde. Der Bauherr machte Schadenersatz wegen mangelhafter Ausführung geltend, u. a. wegen statischer Probleme. Der Architekt hatte die Objektplanung nachträglich geändert und die Änderungen direkt mit dem Bauunternehmen umgesetzt. Der ursprünglich vom Bauherrn beauftragte Fachplaner war an der Überarbeitung nicht beteiligt.

Im anschließenden Gesamtschuldnerausgleich zwischen Architekt und Fachplaner argumentierte der Architekt, der Fachplaner hätte sich proaktiv einbringen und die geänderte Ausführungsplanung prüfen müssen. Schließlich habe er die Änderungen gekannt.

OLG Karlsruhe: Es besteht keine Prüfpflicht ohne Auftrag

Das OLG Karlsruhe sah das anders. Der Fachplaner sei vertraglich nicht verpflichtet gewesen, eigeninitiativ tätig zu werden. Eine neue Prüfpflicht entstehe nur auf ausdrücklichen Auftrag. Es hat vier wesentliche Punkte klargestellt (OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.05.2025, Az. 19 U 127/24, Abruf-Nr. 249033; nicht rechtskräftig, Revision beim BGH anhängig):

  • 1. Ein Gesamtschuldnerausgleich zwischen Architekt und Fachplaner setzt eine eigene Pflichtverletzung des Fachplaners gegenüber dem Bauherrn voraus.
  • 2. Der Fachplaner verletzt keine Hauptpflicht, wenn er auf Basis der ursprünglich vereinbarten Entwurfsplanung arbeitet und nicht mit der Überprüfung späterer Änderungen beauftragt wird.
  • 3. Selbst wenn er Kenntnis von der geänderten Ausführungsplanung hat, entsteht keine Nebenpflicht zur eigenständigen Prüfung.
  • 4. Der Fachplaner haftet nicht, wenn er nicht erneut eingebunden wird; selbst dann nicht, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass seine frühere Planung durch die Änderungen unbrauchbar geworden ist.

Die Lehre daraus: Verantwortung trägt, wer koordiniert

Für Objektplaner bedeutet das: Wer Fachplanungsleistungen nicht erneut einfordert, obwohl sich die Grundlagen der Planung ändern, bleibt in der Verantwortung. Denn auch wenn die Fachplanung vom Bauherrn beauftragt wurde, ist der Architekt in seiner Rolle als Koordinator und Gesamtverantwortlicher für die Planung in der Pflicht, die Integrität des Planungsergebnisses sicherzustellen.

Das Urteil stärkt damit einerseits die Position von Fachplanern, andererseits erhöht es den Handlungsdruck auf Architekten, im Planungsprozess klar zu kommunizieren, zu dokumentieren und sich abzusichern.

Die Praxis: Planänderung ja, aber nur mit Rückendeckung

In der Planungsrealität kommt es immer wieder vor, dass Entwurfsplanungen im Projektlauf angepasst werden – auf Wunsch des Bauherrn, aufgrund von Nachträgen oder wegen technischer Notwendigkeiten. Dabei gilt: Wer die Änderung verantwortet, muss auch deren Auswirkungen prüfen lassen.

Wird z. B. ein Tragwerk verändert, ein Haustechnikraum verschoben oder eine Brandschutzwand verlegt, kann das weitreichende Auswirkungen auf die Tragwerks-, HLS- oder Brandschutzplanung haben. Wer hier nicht sicherstellt, dass die ursprüngliche Fachplanung angepasst oder zumindest überprüft wird, handelt risikobehaftet, unabhängig davon, ob ihm der Fachplaner „unterstellt“ ist oder nicht.

Praxistipp | Nutzen Sie Checklisten für Planungsänderungen. Jeder Entwurfs- oder Ausführungsplan, der gegenüber dem Bauantrag modifiziert wird, sollte automatisch einen „Fachplanungs-Check“ auslösen. Notieren Sie schriftlich, ob eine Überprüfung durch Fachplaner erforderlich ist, ob sie beauftragt wurde und – falls nicht – aus welchen Gründen darauf verzichtet wurde.

Wenn der Architekt aber keine Weisung geben darf

Fachplaner, insbesondere Tragwerksplaner und Haustechniker, werden meist direkt vom Bauherrn beauftragt; nicht vom Architekten. Der Architekt spricht Empfehlungen aus, hat aber keine vertragliche Weisungsbefugnis. Das Problem: Obwohl er die Fachdisziplinen nicht steuert, wird von ihm erwartet, dass er deren Beiträge in eine konsistente Gesamtplanung einbettet.

Wenn nun Änderungen in der Ausführungsplanung erfolgen und der Bauherr auf eine erneute Beauftragung des Fachplaners verzichtet, sitzt der Architekt zwischen den Stühlen. Er weiß, dass eine Prüfung erforderlich ist, hat aber keine Möglichkeit, sie verbindlich einzufordern.

Praxistipp | Regeln Sie die Fachplanerkoordination vertraglich. Im Architektenvertrag sollte klargestellt sein, dass Empfehlungen von Fachplanern nur dann wirksam in die Planung integriert werden können, wenn deren spätere Einbindung gewährleistet ist. Eine mögliche Formulierung lautet: „Der Auftraggeber verpflichtet sich, Änderungen der Ausführungsplanung nur in Abstimmung mit dem Architekten vorzunehmen und dabei eine erforderliche Einbindung von Fachplanern sicherzustellen.“

Bauherr verweigert sich: Gibt es Handlungsspielräume?

Was tun, wenn der Bauherr sich trotz Beratung weigert, den Fachplaner erneut zu beauftragen? Die Antwort ist unangenehm, aber eindeutig: Setzen Sie die Planung auf eigene Verantwortung nicht fort. Ein bloßer Hinweis reicht nicht aus. Als Architekt müssen Sie aktiv dokumentieren, dass Sie ohne Einbindung der Fachdisziplinen keine Aussage zur Genehmigungsfähigkeit oder Ausführungssicherheit machen können. Wird dennoch weitergebaut, ist das Risiko einer eigenen Haftung erheblich. Im Zweifel müssen Sie die eigene Leistung einstellen oder den Vorbehalt schriftlich erklären.

Praxistipp | Verwenden Sie ein „Risikovermerk-Protokoll“. Darin dokumentieren Sie die Planänderung, den Hinweis auf die notwendige Prüfung und die Entscheidung des Bauherrn. Lassen Sie sich die Ablehnung der Fachplaner- beauftragung schriftlich bestätigen. Das schützt Sie im Schadensfall.

Planungskoordination braucht System statt Intuition

Gerade in mittleren und großen Projekten ist es ratsam, ein Planungsprotokoll zu führen: Wer wurde wann eingebunden? Welche Unterlagen lagen vor? Welche Planungsänderungen wurden mit wem abgestimmt? Das klingt aufwendig, hilft aber nicht nur rechtlich, sondern ist auch in der Kommunikation mit den Ausführenden Gold wert.

Praxistipp | Nutzen Sie digitale Tools zur Protokollführung. Ein gemeinsames Planungstagebuch mit dem Bauherrn und allen weiteren am Bau Beteiligten schafft Transparenz und Klarheit. Fügen Sie zu jeder Änderung einen Vermerk hinzu, ob eine Rückkopplung mit Fachplanern erfolgt ist.

Fazit | Das OLG Karlsruhe hat mit seiner Entscheidung Klarheit geschaffen, aber auch neue Anforderungen formuliert. Fachplaner sind nicht zur eigenständigen Prüfung von Änderungen verpflichtet, wenn sie dafür nicht beauftragt wurden. Das klingt entlastend, ist es mindestens für Architekten aber nicht. Denn sie bleiben das Bindeglied zwischen Bauherr, Planung und Ausführung, auch wenn sie nicht alle Disziplinen selbst steuern. Wer in dieser Rolle bestehen will, braucht vor allem drei Dinge: Klare Verträge, gelebte Koordination, belastbare Dokumentation. Dann kann auch eine Änderung in der Planung zur Chance werden, statt zum Risiko.

AUSGABE: PBP 8/2025, S. 12 · ID: 50486892

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