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VertragsrechtPlanervertrag wird „frei“ gekündigt: Das müssen Sie bei der Honorarabrechnung beachten

Abo-Inhalt27.11.20249 Min. LesedauerVon Katja Gaiser, ö.b.u.v. Sachverständige für Honorare für Architektenleistungen, Baiersbronn

| Der Ton wird rauer, die Gangart härter. Viele Bauherren wollen Planungsverträge vorzeitig beenden. Die freie Kündigung nach § 648 BGB ist dabei der Regel-, die Kündigung aus wichtigem Grund nach § 648a BGB (PBP 11/2024) der Ausnahmefall. Eine Entscheidung des OLG Düsseldorf lehrt, dass Sie bei einer freien Kündigung aufpassen müssen, um nicht hohe Honorarverluste hinnehmen zu müssen. PBP stellt Ihnen neben dem konkreten Fall auch die Fallstricke des Kündigungsparagrafen § 648 BGB vor und zeigt, welche Konsequenzen Sie aus der Entscheidung ziehen sollten. |

Die Abrechnung bei freier Kündigung nach § 648 BGB

Bei einer freien Kündigung haben Sie grundsätzlich Anspruch auf die vereinbarte Vergütung; also auch auf das Honorar, das auf die kündigungsbedingt nicht mehr erbrachten Leistungen entfällt. Mit einer Einschränkung: Sie müssen sich ersparte Aufwendungen und anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Dazu müssen Sie vortragen. Reicht Ihr Vortrag nicht, werden Sie auf § 648 S. 3 BGB zurückgeworfen. Sie bekommen nur fünf Prozent der Vergütung für die nicht mehr erbrachten Leistungen. Und das kostet Sie eine Menge Geld, wie die Entscheidung des OLG Düsseldorf zeigt.

Wortlaut § 648 BGB / Freie Kündigung des Bestellers

Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.

OLG Düsseldorf: Statt zwei Mio. Euro gibt es nur 122.000 Euro

Im Fall, den das OLG Düsseldorf entscheiden musste, war ein Generalplaner frei gekündigt worden. Er verlangte mit seiner Schlussrechnung 2.003.472,79 Euro vom Auftraggeber. Das OLG Düsseldorf sprach dem Generalplaner aber lediglich 122.634,39 Euro nebst Zinsen zu, da er seiner Darlegungslast bezüglich ersparter Aufwendungen und anderweitigen Erwerbs nicht ausreichend nachgekommen war (OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.06.2023, Az. 21 U 191/22, Abruf-Nr. 243840; rechtskräftig durch Zurückweisung der NZB, BGH, Beschluss vom 15.05.2024, Az. VII ZR 134/23).

Musterfall zeigt Vorgehensweise

Anhand dieses Urteils zeigen wir Ihnen, was Sie bei der Abrechnung „frei“ gekündigter Verträge beachten müssen, um nicht mit der Vergütung nach § 648 S. 3 BGB vorlieb nehmen zu müssen.

Der Musterfall

Auftragssumme netto 980.000 Euro für die Lph 1 bis 8 nach HOAI mit 98 v. H. Der Vertrag wird in der Lph 7 gekündigt. Die Lph 8 sollte durch einen Subplaner, die anderen Lph mit eigenem Personal erbracht werden.

1. Aufstellung für erbrachte Leistungen

Das erste Problem im Düsseldorfer Fall bestand darin, dass der Generalplaner eine Pauschalvergütung für die Gesamtleistung vereinbart hatte. Bei einer Vertragskündigung muss zunächst die Vergütung für die erbrachten Leistungen und für die nicht erbrachten Leistungen dargelegt und nachgewiesen werden. Nur bei geringfügigen Restleistungen kann eine vereinfachte Abrechnung erfolgen (BGH, Urteil vom 16.10.2014, Az. VII ZR 176/12, Abruf-Nr. 175857; OLG Köln, Urteil vom 15.01.2021, Az. 19 U 15/20, Abruf-Nr. 231862). Haben Sie nur eine Pauschalvergütung vereinbart, ist die Darlegung oft schwierig. Achten Sie daher darauf, die zu erbringenden Leistungen und deren Anteil genau zu vereinbaren.

Fortführung Beispiel

Die Lph 1 bis 5 waren zum Kündigungszeitpunkt vollständig, die Lph 6 und 7 zu 50 Prozent erbracht. Grundhonorar für Lph 1 bis 9 nach HOAI 1 Mio. Euro, davon wurden erbracht
Lph 1 bis 5 in Summe
100 % von52 v. H.= 520.000 Euro
Lph 6
50 % von10 v. H.= 50.000 Euro
Lph 7
50 % von4 v. H.= 20.000 Euro
Summe erbrachter Leistungen
59 v. H.= 590.000 Euro

2. Aufstellung und Honorar für nicht erbrachte Leistungen.

Im Düsseldorfer Fall forderte der Generalplaner für die erbrachten Leistungen abzüglich schon geleistete Abschlagszahlungen 17.674,13 Euro brutto, die das Gericht in voller Höhe anerkannte. Das Honorar für die nicht mehr erbrachten Leistungen bezifferte er mit 1.985.798,66 Euro. Damit hatte der Generalplaner die erste Hürde, die Darlegung der erbrachten und der nicht erbrachten Leistungen sowie deren Abgrenzung, erfolgreich genommen. Auf den Musterfall angewendet heißt das:

Fortführung Beispiel

Von den beauftragten 98 v. H. wurden 59 v. H. erbracht. Der nicht erbrachte Leistungsanteil beträgt damit 39 v. H. das darauf entfallende Honorar 390.000 Euro.

Wichtig | Bei der Abrechnung nicht erbrachter Leistungen ist folgendes zu beachten:

  • 1. Das Honorar ist ohne Mehrwertsteuer zu berechnen (BGH, Urteil vom 22.11.2007, Az. VII ZR 83/05, Abruf-Nr. 080224)
  • 2. Das Honorar ist ohne Nebenkosten zu berechnen.
  • 3. Ersparte Aufwendungen sind vom Honorar abzuziehen (§ 684 S. 2 BGB).
  • 4. Das Honorar ist ggf. um anderweitigen Erwerb zu mindern.

3. Darlegung zu den ersparten Aufwendungen

In der Abrechnung müssen Sie lt. BGH die ersparten Aufwendungen nach Personal- und Sachkosten aufschlüsseln. Dabei müssen Sie sich nicht anrechnen lassen, dass Sie infolge der Kündigung eigenes Personal weiterbeschäftigen oder für andere Aufträge einsetzen (BGH, Urteil vom 28.10.1999, Az. VII ZR 326/98, Abruf-Nr. 000181).

Zu den ersparten Personalkosten führte der Generalplaner im Düsseldorfer Fall aus, dass das Projekt in flexibler Arbeitsteilung mit seiner Tochtergesellschaft hätte durchgeführt werden sollen. Der Generalplaner wollte seine Leistung in den ersten vier Monaten erbringen. Infolge der Kündigung habe er die Mitarbeiter aufgefordert, Überstunden und Urlaub abzubauen. Hinsichtlich der Festkosten für Personal und Betriebskosten hatte der Generalplaner nur pauschal behauptet, dass diese ca. 80 Prozent des Umsatzes ausmachen würden. Er war der Überzeugung, mit seinem Vortrag zu den Umsätzen der Jahre 2018 bis 2021 darlegen zu können, dass sein Umsatz zurückgegangen sei und er deshalb keine Personalkosten eingespart habe. Dem folgte das OLG Düsseldorf nicht. Dem Gericht fehlte ein nachvollziehbarer Vortrag zum geplanten Abruf und zur Arbeits- und Vergütungsteilung mit der Tochtergesellschaft, sowie zum Abbau von Überstunden. Zudem sei ein Umsatz als solcher rechtlich nicht geschützt.

Wird das Projekt ausschließlich mit eigenem Personal betreut, liegen zunächst keine ersparten Personalkosten vor. Umstritten ist, ob der Abbau von Überstunden als ersparte Aufwendungen zu berücksichtigen ist. Hätte der Generalplaner einen Überstundenabbau bestritten, wäre es Sache des Auftraggebers gewesen, das Gegenteil darzulegen und zu beweisen. Im vorliegenden Fall hatte jedoch der Generalplaner selbst den Abbau der Überstunden ins Spiel gebracht.

Ersparte Aufwendungen aus Verträgen mit freien Mitarbeitern oder Subplanern können vorliegen, wenn auf deren Beauftragung oder Weiterbeschäftigung ganz oder teilweise verzichtet werden kann.

Fortführung Beispiel

Alle eigenen Mitarbeiter wurden weiterbeschäftigt. Der Subplanervertrag mit netto 280.000 Euro konnte aufgehoben werden.
Ersparte Personalkosten eigenes Personal
= 0 Euro
Ersparte Personalkosten aus Subplanervertrag
= 280.000 Euro

Zu den projektbezogenen Sachkosten gehören z. B. Schreib- und Zeichenmittel, Reisekosten, Telefonkosten und Kopierkosten, soweit es sich nicht um Nebenkosten im Sinne der HOAI oder der Vereinbarung handelt. Es genügt, die ersparten projektbezogenen Sachkosten überschlägig aufzulisten. Diese können anhand von Erfahrungswerten pauschal beziffert werden (BGH, Urteil vom 28.10.1999, Az. VII ZR 326/98, Abruf-Nr. 000181).

Der Generalplaner hatte vorgetragen, dass Sachkosten für Papier, Stifte, Minen, Farben, Plottertinte, Druckertoner und sonstige Verbrauchsmaterialien in Höhe von insgesamt ca. 3.000 Euro eingespart wurden. Diese Aufstellung wurde vom Gericht anerkannt. Als Sachmittelkosten können Sie auch eine monatliche Pauschale für die Zeit ansetzen, die für die nicht erbrachten Leistungen angefallen wäre.

Beispiel ersparte Sachkosten

Für die projektbezogenen Sachmittel (Toner, Papier, Schreib- und Zeichenmaterial) werden pauschal Kosten in Höhe von 60 Euro/Monat angesetzt. Zwischen dem geplantem Projektende und der Kündigung liegen 18 Monate.
Ersparte Sachmittel
= 18 Monate x 60 Euro/Monat
= 1.080 Euro

Die Fahrtkosten wurden vom Generalplaner nicht im Einzelnen dargelegt, was das Gericht bemängelte. Fahrtkosten können nach § 14 HOAI 2021 nur erspart werden, wenn die Fahrstrecke nicht mehr als 15 km beträgt, ansonsten sind sie mit den Nebenkosten abgegolten.

Beispiel ersparte Fahrtkosten

Es ist eine Nebenkostenpauschale nach § 14 HOAI in Höhe von fünf Prozent vereinbart. Die Entfernung Büro zur Baustelle beträgt 30 km.
Ersparte Fahrtkosten
0 Euro

4. Darstellung zum anderweitigen Erwerb

Zum Thema „anderweitigen Erwerb“ bzw. „böswillig unterlassenem anderweitigen Erwerb“ muss der gekündigte Planer eine Erklärung abgeben. Nur wenn er dem genügt, liegt die Darlegungs- und Beweislast für höhere Ersparnisse oder anderweitigem Erwerb beim Auftraggeber. Im konkreten Fall machte der Generalplaner widersprüchliche Angaben zur Gesamtauslastung. Zudem hatte der Bauherr selbst nach der Kündigung weitere Aufträge an den Generalplaner vergeben und hierzu vor dem OLG Düsseldorf vorgetragen. Das OLG verlangte deshalb vom Generalplaner weitere Erläuterungen und Nachweise. Dem kam dieser nicht nach, weshalb das OLG monierte, dass der Generalplaner nichts zu

  • Inhalt,
  • Umfang,
  • Volumen und
  • zeitlichem Rahmen der Aufträge

für die mögliche Restlaufzeit von 21 Monaten mehr vorgetragen oder Nachweise in Form von Aufträgen vorgelegt hatte.

Liegt zum Zeitpunkt der Kündigung (nahezu) keine Vollauslastung vor, können in der Regel auch keine Füllaufträge, sondern nur Aufträge entstehen. Denn Füllaufträge können nur solche Aufträge sein, die erst infolge der Kündigung angenommen werden können. Dazu müssen Sie sich zunächst nur erklären. Reichen Ihre Erklärungen jedoch nicht aus, müssen Sie dies plausibel für die mögliche Restlaufzeit darlegen.

Die Abrechnung im Musterfall

Lesen und sehen Sie nachfolgend, wie im Musterfall richtig abgerechnet wird.

Der Musterfall

Auftragssumme netto 980.000 Euro für die Lph 1-8 nach HOAI mit 98 v. H. Der Vertrag wird in der Lph 7, 18 Monate vor dem geplanten Projektende, gekündigt. Lph 6 und 7 wurden zu 50 Prozent erbracht. Die Lph 8 sollte durch einen Subplaner, ansonsten mit eigenem Personal erbracht werden. Alle eigenen Mitarbeiter wurden weiterbeschäftigt. Der Subplanervertrag mit netto 280.000 Euro konnte aufgehoben werden. Ansatz für die Sachmittel (Toner, Papier, Schreib- und Zeichenmaterial) von pauschal 60 Euro/Monat. Nebenkostenpauschale nach § 14 HOAI von fünf Prozent vereinbart. Entfernung Büro zur Baustelle 30 km. Keine Vollauslastung in der möglichen Restlaufzeit bis zum geplanten Projektende. Daher kein anderweitiger Erwerb.
Auftrag
Abrechnung nach „ freier“ Kündigung
Grundleistung
A - Honorar erbrachte Leistungen
B - Honorar nicht erbrachte Leistungen
Grundhonorar
Lph gemäß § 34 HOAI
v. H.Honorarv. H.Honorarv. H.Honorar
  • 1. Grundlagenermittlung
2 %2 %20.000 Euro2 %20.000 Euro
  • 2. Vorplanung
7 %7 %70.000 Euro7 %70.000 Euro
  • 3. Entwurfsplanung
15 %15 %150.000 Euro15 %150.000 Euro
  • 4. Genehmigungsplanung
3 %3 %30.000 Euro3 %30.000 Euro
  • 5. Ausführungsplanung
25 %25 %250.000 Euro25 %250.000 Euro
  • 6. Vorbereitung der Vergabe
10 %10 %100.000 Euro5 %50.000 Euro5 %50.000 Euro
  • 7. Mitwirken bei der Vergabe
4 %4 %40.000 Euro2 %20.000 Euro2 %20.000 Euro
  • 8. Objektüberwachung
32 %32 %320.000 Euro32 %320.000 Euro
  • 9. Objektbetreuung
2 %
Summe
100 %98 %980.000 Euro59 %590.000 Euro39 %390.000 Euro
Abzüglich ersparter Aufwendungen
- Personalkosten
-280.000 Euro
- Projektbezogenen Sachkosten
-1.080 Euro
- Fahrtkosten
0 Euro
Abzüglich anderweitigen Erwerb
0 Euro
Nebenkostenpauschale
5 %49.000 Euro29.500 Euro
Honorar netto
1.029.000 Euro619.500 Euro108.920 Euro
Mehrwertsteuer
19 %195.510 Euro117.705 Euro
Honorar brutto
1.224.510 Euro737.205 Euro

AUSGABE: PBP 12/2024, S. 12 · ID: 50233138

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