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ManagementAgile Bauplanung: Das Last Planner System
| Immer mehr Unternehmen und Projektteams wenden Prinzipien und Arbeitsweisen aus dem Lean & Agile Management an, um die Planungs- und Ausführungsprozesse transparenter zu gestalten und in volatilen Projekt-umfeldern methodisch fundiert mit Änderungen umzugehen. Architekten und Ingenieure arbeiten interdisziplinär eng verzahnt und kollaborativ zusammen, z. B. mithilfe des Last Planner Systems. Doch wie funktioniert diese Methodik und was sind die Vorteile? |
Agile Bauplanung
Die Planung komplexer Bauprojekte findet als kreativer Prozess in einem volatilen Umfeld statt. Dabei ist es entscheidend, unter Einbezug aller Beteiligten eine belastbare Planung der Planung zu entwickeln sowie über den Verlauf der Planungsphase mit Änderungen umgehen, diese effizient in den laufenden Planungsprozess integrieren und negative Iterationen vermeiden zu können. Das Konzept des agilen Arbeitens, das auf dem Agilen Manifest (Beck, et al., 2001) basiert und ursprünglich aus der Softwareentwicklung stammt, kann interdisziplinären Bauplanungsteams Impulse geben, diese Herausforderung zu meistern und sie methodisch unterstützen.
Unter Agilität wird die „Gewandtheit, Wendigkeit o. Beweglichkeit von Organisationen und Personen bzw. in Strukturen u. Prozessen“ verstanden (Bendel, 2024). Agilität meint keinen statischen Zustand, sondern vielmehr eine kontinuierlich zu entwickelnde Fähigkeit von Organisationen und Teams, in volatilen Umfeldern schnell und flexibel agieren zu können (Engels & Görner, 2018).
Im Rahmen der agilen Bauplanung wird antizipiert, dass sich bei großvolumigen Projekten im oft mehrjährigen Planungsverlauf Änderungen ergeben werden, etwa aufgrund von technischen Neuerungen, Baupreissteigerungen, Budgetkürzungen oder veränderten Nutzeranforderungen. Um diese methodisch zu begleiten, werden
- eine hochgradige Vernetzung der verschiedenen Planungsdisziplinen,
- transparente Planungsprozesse sowie
- kurze Feedbackzyklen
angestrebt. Somit werden agile Prinzipien und Bestandteile agiler Methoden aus der Softwareentwicklung sinnvoll auf die Bauplanung angepasst und adaptiert, wie z. B. im Rahmen des Last Planner Systems.
Das Last Planner System (LPS)
Das LPS wurde von Glenn Ballard und Gregory Howell in den USA entwickelt und konkret auf die Baubranche zugeschnitten. Die Methode bietet die Möglichkeit, Abläufe und Abhängigkeiten im Projekt gemeinsam und interdisziplinär zu erarbeiten und im Projektverlauf weiterzuentwickeln (Fiedler, 2018).
Ziele
Der Begriff „Last Planner“ bezieht sich auf alle Entscheidungsträger innerhalb des Projekts, also nicht nur auf Architekten, Fachplaner und Projektkoordinatoren, sondern auch auf Poliere, Montagemeister oder Fachbauleiter.
Die Anwendung des LPS soll eine kollaborative Zusammenarbeit im Projektteam etablieren. Durch die gemeinsame Arbeit an der Terminkette wird die Verlässlichkeit von Zusagen erhöht, sodass die Vorleistungen für nachfolgende Prozessschritte rechtzeitig und zuverlässig erbracht werden. Auf diese Weise soll die Verbindlichkeit im Planungs- und Bauprozess gesteigert und die Verlässlichkeit von Vorhersagen über den Planungs- bzw. Bauablauf erhöht werden. Dadurch verringern sich wiederum Wartezeiten und es entsteht ein kontinuierlicher Fluss im Prozess der Leistungserbringung. Darüber hinaus werden die Transparenz und die Produktivität des Projektteams gesteigert.
Vorgehen: Die fünf Schritte des LPS

- Im Rahmen der Gesamtprozessanalyse (GPA) werden die für die Leistungserbringung erforderlichen Vorgänge in Abhängigkeit zueinander gesetzt und deren Kausalitäten erfasst – zunächst auf einer rein inhaltlichen Ebene, losgelöst von einer zeitlichen Fixierung. Dies erfolgt auf einer sehr großen Flughöhe, d. h. mit einem niedrigen Detaillierungsgrad.Von der Grobplanungdes Gesamt- prozesses ...
- In der darauf aufbauenden Meilenstein- und Phasenplanung (MPP) wird diese Kausalkette mit einer Zeitachse versehen. Die Hauptmeilensteine werden fixiert, dazwischenliegende Phasen grob geplant und terminiert.
- In der Sechs-Wochen-Vorschau erfolgt eine detaillierte Planung der Arbeitspakete, die in den kommenden sechs Wochen anstehen. Die Vorgänge werden auf Tagesbasis geplant, mit Verantwortlichkeiten versehen und visualisiert.... über die Steuerung und Verbesserung kurzzyklischer Arbeitsprojekte ...
- In kurzzyklischen (je nach Projektphase und Abstimmungsbedarf meist wöchentlich stattfindenden) Lean Besprechungen wird die Sechs-Wochen-Vorschau erweitert und aktualisiert.
- Durch die Analyse der Vorgänge der vergangenen Woche und Auswertung anhand von Kennzahlen wird ein Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) etabliert.... bis zur Evaluation und Optimierung künftiger Prozesse
Die konkrete Umsetzung im Projekt
Je nach den Besonderheiten und Anforderungen eines Projekts kann die spezifische Ausgestaltung unterschiedlich erfolgen. Einige Kernbestandteile sollten jedoch immer Beachtung finden und werden im Folgenden erläutert.
Zielverständnis
Bei der Projektarbeit mit langen Laufzeiten ist die Einsicht essenziell, dass sich die Rahmenbedingungen und Vorzeichen, unter denen sich das Projekt entwickelt, über den Projektverlauf verändern werden. Somit muss das Projektteam befähigt werden, mit Änderungen umzugehen, kurzfristig Entscheidungen zu treffen und diese in die laufende Planung einfließen zu lassen.
Von besonderer Bedeutung ist es, zwischen Ziel und Ergebnis zu differenzieren. Die gemeinsame Formulierung der Projektziele unter Einbezug aller relevanter Projektbeteiligter und so das Schaffen eines einheitlichen Zielverständnisses sollte zu Projektbeginn erfolgen, um die Leitplanken und Entscheidungskriterien der Planung vorzugeben. Das Ergebnis kann nach dem agilen Verständnis zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vorweggenommen und sollte deshalb nicht zu präzise vertraglich fixiert werden. Vielmehr ist den Kompetenzträgern, also den Planern selbst, ein größtmöglicher Spielraum einzuräumen, der kreative und innovative Ideen zulässt und das Planungsergebnis eben nicht zu Projektbeginn vorwegnimmt (Lennartz, 2023).
Agile Teams
Die Mitglieder agiler Bauplanungsteams arbeiten eigenverantwortlich, auf Augenhöhe, geben sich gegenseitig Feedback und sind gewillt, Einzelinteressen zugunsten der Gesamtprojektziele hintenan zu stellen. Eine enge Abstimmung sowie eine hochgradige Vernetzung der verschiedenen an der Bauplanung beteiligten Fachdisziplinen sind essenziell. Das Arbeiten in räumlicher Nähe zeigt sich dabei als Erfolgsfaktor. Gemeinschaftlich genutzte Arbeitsräume (Co-Locations oder Big Rooms) für die planenden Akteure garantieren kurze Wege (Haghsheno & Wachter, 2019). Innerhalb dieser Räumlichkeiten sollte auf eine Durchmischung der Planungsdisziplinen Wert gelegt werden. Auf diese Weise wird versucht, die Kommunikation zu fördern, Silos aufzubrechen und die interdisziplinäre Vernetzung zu erhöhen, um kollisionsfreie, innovative und integrale Planungsergebnisse zu erreichen.
Transparenz am Lean Board
Zur Sicherstellung von Transparenz und Übersichtlichkeit werden die Planungsprozesse als Ergebnis der GPA und MPP in ein Lean Board übernommen. Dies kann entweder analog in Form von Post-Its bzw. Steckkarten oder digital mithilfe einer Softwarelösung erfolgen. Dieses Board bildet im Weiteren die Grundlage für die Sechs-Wochen-Vorschau sowie die kurzzyklisch durchzuführenden Lean Besprechungen. Insbesondere bei der Anwendung von digitalen Lösungen ist es möglich, die Flughöhe bzw. Granularität der Ansicht je nach Art der Besprechungsrunde und Zusammensetzung der Gesprächsteilnehmer zu variieren. Kurze tägliche Stand-up-Meetings, sog. Dailies oder Huddles, können dabei helfen, die Transparenz über die Aufgabenverteilung und mögliche Engpässe im Planungsteam weiter zu erhöhen.
Iterativer Prozess
Um zu verhindern, dass die Planung derart vorangetrieben wird, dass sie den Anforderungen des Bauherrn nicht gerecht wird und Ressourcen verschwendet werden, wird der Planungsprozess in kurzzyklische Iterationen gegliedert, an deren Ende bauherren-/nutzerseitiges Feedback eingeholt werden sollte (Preußig, 2015). Je nach Komplexität und Planungsphase kann die Dauer einer Iteration und so die Häufigkeit der Feedbackschleifen angepasst werden. Im besten Fall sollte die Kostenermittlung im Sinne eines Target Value Designs während des Planungsverlaufs sukzessive mitgeführt und auf dieser Basis die nächsten Entscheidungen getroffen werden.
Reviews und Retrospektiven
Als Review wird das kritische Beleuchten der fertiggestellten Teilleistung (z. B. Planungsstand) verstanden. Dieses kann intern im Projektteam, bestenfalls aber extern mit dem Kunden erfolgen. Wichtig ist, dass Reviews nicht erst am Ende einer Lph stattfinden, sondern kurzzyklisch, um regelmäßiges Feedback einzuholen und die nächsten Arbeitsschritte ggf. anzupassen. Je nach Detaillierungsgrad der Planung bieten sich andere Rhythmen zur Taktung an. Während in frühen Stadien der Planung mit hohen Unsicherheiten und Freiheitsgraden eine enge Taktung zu empfehlen ist, können die Abstände der Reviews im weiteren Projektverlauf (z. B. in der Lph 5) in vielen Projekten erhöht werden.
Davon abzugrenzen ist die Retrospektive, in der nicht der fachlich-inhaltliche Leistungsstand bewertet, sondern die Art und Weise der Zusammenarbeit kritisch hinterfragt wird. Das Planungsteam beleuchtet gemeinsam, was positiv und reibungslos abgelaufen ist, wo Schwierigkeiten oder Unsicherheiten aufgetreten sind und wie diese in Zukunft vermieden werden können. So können Lessons Learned zusammengetragen und ein KVP etabliert werden.

Fazit | Das LPS bietet einen geeigneten Ansatz, um agile Vorgehensweisen in die Bauplanung zu integrieren. Durch das methodisch strukturierte Vorgehen wird es dem Planungsteam möglich, interdisziplinär zu bearbeitende Prozesse zu visualisieren, Transparenz zu schaffen und Änderungen im Planungsprozess professionell und effektiv zu integrieren, ohne den Überblick zu verlieren. Die konkrete Ausgestaltung kann projektspezifisch verschieden sein und durch andere Techniken ergänzt werden, ist aber in jedem Fall durch das Projektteam gemeinsam zu entwickeln. |
AUSGABE: PBP 12/2024, S. 24 · ID: 50134959