FeedbackAbschluss-Umfrage

PlanungsleistungenLph 2 (Teil 2): Die Erfolgs- und Risikofaktoren bei der Planung der oberflächennahen Geothermie

Abo-Inhalt25.05.20225179 Min. LesedauerVon Dipl.-Ing., Dipl.-Wirtsch.-Ing. Martin Vielhauer, Honorarsachverständiger für Technische Ausrüstung, München

| Nachhaltigkeit, Klimawandel, Energieeffizienz: Diese drei Schlagworte beeinflussen Gebäude der Zukunft, und damit auch die Technische Ausrüstung. Vor allem die regenerative Wärme- und Kälteerzeugung über die Nutzung oberflächennaher Geothermie wird an Bedeutung gewinnen. Planung, Bau und Betrieb der Anlagen stellen aber hohe Anforderungen an das Planungsteam. Transparente Bauherren-Beratung zu Chancen, Nutzen und Risiken und die frühzeitige Festlegung von Schnittstellen und Honorar sind der Schlüssel zum Erfolg. PBP weist Ihnen den Weg. |

Die künftige Wärme- und Kälteversorgung in Gebäuden

Die Technische Ausrüstung ist über die Ausgestaltung der Anlagentechnik eine der wesentlichen Faktoren für nachhaltige Gebäude. Dabei ist die energieeffiziente Bereitstellung von Wärme und Kälte von größter Bedeutung. Im Gebäudeenergiegesetz (GEG) sind einige Optionen genannt, die zur Anwendung kommen. In Innenstadtlagen kommen aber nur einige wenige dieser Möglichkeiten in Betracht. Eine der wichtigsten Alternativen neben der Fernwärme ist die Geothermie. Dabei wird dem Untergrund Energie sowohl für Kühlung als auch Wärmeversorgung entzogen. Dies kann über Erdwärmesonden, Erdwärmekollektoren, thermisch aktivierte Bauteile, Bohrpfähle oder auch über das Grundwasser realisiert werden.

Doch was bedeutet diese Planungsalternative für TA-Fachplaner, koordinierende Objektplaner und auch für die Bauherren?

Geothermie – Wer plant das eigentlich?

Zunächst stellt sich die Frage, wer die Geothermienutzung eigentlich plant. Diese Frage ist sowohl bei größeren als auch bei kleineren Anlagen nicht so leicht zu beantworten, weil im Planungsprozess zwei unterschiedliche Fachbereiche von dieser Technologie betroffen sind.

Technologie betrifft zwei unterschiedliche Fachbereiche

Zum einen ist da die offensichtliche TA-Anlagentechnik der Technischen Gebäudeausrüstung mit ihren Wärmepumpen und Wärmetauschern. Diese ist auch in der HOAI in der Anlage 15.2 Anlagegruppe 2 Wärmeversorgungsanlagen der TA-Planung eindeutig zugeordnet.

Interessanter ist jedoch die Frage, wer die Auslegung der Wärmequelle und damit der Brunnen oder Erdwärmesonden vornimmt. Dies hat in der Vergangenheit immer wieder zu Konflikten geführt. Dabei ging es neben der Zuordnung der nicht unerheblichen anrechenbaren Kosten auch um die zugehörigen Planungsleistungen, Verantwortungen und Schnittstellen. Einfach ausgedrückt geht es

  • 1. um die Technische Gebäudeausrüstung (im Gebäude) und
  • 2. um die sog. Technische Baugrundausrüstung (im Boden).

AHO-Heft leistet bei Leistungsabgrenzung wertvolle Dienste

Die Schnittstellen sind sehr deutlich im AHO Heft Nr. 26 („Planungsleistung oberflächennahe Geothermie“) beschrieben. Darin ist auch ein eigener Leistungskatalog für den „Technischen Baugrundausrüster“ entwickelt und mit Schnittstellen zur TA versehen worden.

Praxistipp | Machen Sie Ihren Bauherrn schon während der Lph 1 auf den Unterschied zwischen Technischer Gebäudeausrüstung (TA) und Technischer Baugrundausrüstung (TBA) aufmerksam.

Die Schnittstelle wird auch dadurch interessant, weil davon Haftungs- bzw. Versicherungsfragen berührt werden können. Es ist fraglich, ob Planungsfehler bei der hydrogeologischen Auslegung von Brunnen und Erdwärmesonden oder der thermischen Baugrundsimulationen durch die reguläre TA-Planerhaftpflicht versichert sind. Diese geothermischen Planungsleistungen werden normalerweise durch spezialisierte Geologen erbracht.

Geothermie am Standort – Vorab prüfen

Bevor man sich mit der Nutzung von Geothermie beschäftigt, ist vorab zu prüfen, ob Geothermie an dem Standort überhaupt allgemein verfügbar ist. Diese Vorab-Prüfung ist bereits in der Grundlagenermittlung durchzuführen (Anlage 15 zu § 55 Lph 1 – Teilleistung b).

Die technische Verfügbarkeit ist aber nur die eine Seite der Medaille. Ist sie gegeben, muss man zusätzlich mit den Behörden klären, ob man Geothermie am konkreten Standort überhaupt nutzen darf. Erst wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sind, sollte Geothermie für eine Variantenbeurteilung in der Lph 2 in Betracht gezogen werden.

Honorar und Zusatzleistungen frühzeitig klären

Ist es sowohl technisch als auch genehmigungsrechtlich möglich, am Standort Geothermie zu nutzen, müssen umgehend auch die Honorar- und Leistungsfragen geklärt werden.

Beispiel

Für die thermische Simulation des Baugrunds oder die hydrothermische Simulation werden Wärme- und Kältelastverlaufskurven des Gebäudes benötigt. Diese stellen im Leistungsbild der Technischen Ausrüstung eine Besondere Leistung dar.

  • Zunächst ist zu definieren, ob die geothermischen Planungsleistungen direkt oder über einen Subunternehmer innerhalb des Hauptvertrags des TA-Fachplaners beauftragt werden.
  • Daraus folgen dann Abgrenzungen der Planungsschnittstelle mit
    • der Technischen Baugrundausrüstung (z. B. Wärmetauscher) und
    • notwendigen Besonderen Leistungen des TA-Fachplaners.
  • Wichtig | Planer und Bauherr müssen sich aber einigen, wie das Honorar für die geothermische Planungsleistung ermittelt wird. Hier macht ebenfalls das AHO Heft Nr. 26 auf Basis der anrechenbaren Kosten der zu planenden Technik (z. B. Kosten Erstellung Sondenfeld) einen Vorschlag.

Thermische Leistungsfähigkeit und terminliche Folgen

Um eine geothermische Planungsvariante belastbar mit anderen Energieerzeugungsvarianten vergleichen zu können, muss die thermische Leistungsfähigkeit der Ressourcen Boden oder Grundwasser bestimmt werden. Dies wird

  • bei Grundwasser über Pumpversuche und
  • bei Erdsonden/Bohrpfählen über die Messung der thermischen Leistungsfähigkeit des Untergrunds mittels Probebohrung (sog. Thermal Response Tests) sichergestellt.

Das Durchführen von Pumpversuchen bzw. Thermal Response Tests muss so früh wie möglich durch spezialisierte Geothermieplanungsbüros umgesetzt werden. Dies ist vor allem bei der Grundwassernutzung entscheidend, da hier die Entnahmemengen beantragt werden müssen.

Wichtig | Die Genehmigungsprozesse bei thermischer Grundwassernutzung können bei manchen Behörden mehrere Monate dauern. Das kann dazu führen, dass die Bewilligung erst nach Beendigung der Lph 2 mitten in der Entwurfsplanung erfolgt. Wird die Entnahme generell verweigert oder die geforderte Entnahmemenge reduziert, hat dies einen direkten Einfluss auf die Planungsergebnisse der Lph 2. Im ungünstigen Fall muss die Energieversorgung innerhalb der Lph 3 umgeplant werden – mit allen Folgen.

Praxistipp | Klären Sie den Bauherrn über die zeitlichen Abhängigkeiten der Genehmigungs- und Planungsunsicherheiten bei Energiemengen auf. Die Entwurfsplanung startet nur mit einer abgestimmten Lösung, nicht mit mehreren. Müssen aufgrund der Risiken mehrere Energieversorgungs-Alternativen weitergeführt werden, ist dies eine zusätzlich zu honorierende Leistung.

Sondenauslegung und vorgezogene Gebäudelastkurven

Auch bei der Planung von Sondenfeldern für die Kälte– und Wärmeversorgung sind die einzuspeisenden bzw. zu entziehenden Energiemengen essenziell. Von den Genehmigungsbehörden wird vor allem bei Kühlung über Geothermie eine über das Jahr ausgeglichene Energiebilanz zwischen Heizen und Kühlen gefordert. Zudem sind über die VDI 4640 Teil 2 Einspeise- und Rückspeisetemperaturen einzuhalten.

Um eine wirtschaftliche Sondenfeldgröße (Abstand, Tiefe, Geometrie) zu ermitteln, muss daher der Verlauf der Energiemenge des Gebäudes für Heizen und Kühlen möglichst genau ermittelt werden. Jede Ungenauigkeit wirkt sich auf die Größe und damit auf die Kosten des Sondenfelds aus. Dabei entsteht eine nicht unerhebliche Planungsunsicherheit, da diese Lastkurven normalerweise über Gebäudesimulationen ermittelt werden (Besondere Leistung).

Am Anfang der Lph 2 sind diese fast nie in ausreichender Qualität möglich, weil sowohl die Bauphysik als auch der Baukörper (z. B. auch Verschattung) erst innerhalb der Lph 2 entwickelt werden. Man behilft sich daher oft notgedrungen mit ungefähren monatlichen Energieverläufen. Dabei entsteht auch hier ein planerisches Risiko der Über- und Unterdimensionierung, das sich je nach Änderungshäufigkeit bis in die Ausführungsplanung erstrecken kann. Zudem entsteht neben dem Kostenrisiko für den Bauherrn auch die Frage der Belastbarkeit der Entscheidung für die „wirtschaftlichste“ Lösung in der Lph 2 (vgl. Anhang 15 zu § 55 Lph 2 b).

Praxistipp | Kommen Sie Ihrer Beratungspflicht nach. Erklären Sie Ihrem Auftraggeber die Abhängigkeiten und möglichen Auswirkungen auf die Kosten. Nehmen Sie alle Kosten in die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (z. B. auch die für Thermische Simulationen) auf. Klären Sie notwendige Besondere Leistungen vor der Entscheidung weiterer Untersuchungen der Geothermie mit dem Bauherrn ab und bieten Sie die Wiederholung von Lastsimulationen über den Projektverlauf zur Optimierung der Anlagen an.

Theorie versus Praxis – Geothermie im Betrieb

„Vor der Hacke ist es dunkel“. Das ist ein bekannter Ausspruch der Geologen. Auch wenn über Simulationen eine hohe Planungssicherheit erzeugt werden kann, ergibt sich erst aus dem tatsächlichen Betrieb der Geothermieanlage, welche Qualität die Planung und die gewählten Rahmenparameter – besonders die Lastannahmen für Wärme- und Kältebedarf – hatten.

Auch müssen im Betrieb die tatsächlichen Witterungsverhältnisse und der damit verbundene Lastverlauf mitbetrachtet werden. Werden z. B. Entzugsleistungen bei einer Sondenanlage über warme Winter nicht generiert, kann die geplante „Kälteenergie“ für den Sommer nicht erzeugt werden.

Wichtig | Daher ist es auch dringend zu empfehlen, dass der Betrieb der Anlage nach deren Abnahme – vor allem in den ersten Jahren – von einem Monitoring begleitet wird (Besondere Leistung der Lph 9). Diese Zusatzleistung trägt zur energetischen und wirtschaftlichen Optimierung bei.

Praxistipp | Besprechen Sie mit dem Bauherrn die Notwendigkeit der Schulung des Personals und einer erweiterten Inbetriebnahme bzw. der Monitoring-Beauftragung. Werden Geothermieanlagen falsch betrieben, steht schnell der – diffuse – Mangelvorwurf einer Fehlplanung im Raum, den Sie nur mit viel Aufwand entkräften können. Zudem kann ein nicht fachgerechter Betrieb die Speicherfähigkeit des Bodens nachhaltig schädigen bzw. bei Grundwassernutzung rechtliche Konsequenzen für den Bauherrn bedeuten.

Der werkvertraglich geschuldete Erfolg, ein nach den anerkannten Regeln der Technik geheiztes und gekühltes Gebäude zu erstellen, bleibt auch mit Geothermienutzung erhalten.

Begrenztes Nutzungsrecht – Bauherrnrisiko kommunizieren

Oft wird im technischen Planungsprozess übersehen, dass die thermische Grundwassernutzung durch den Bauherrn ein vorbehaltliches Nutzungsrecht ist; in der Regel ist das Nutzungsrecht auf 20 bis 25 Jahre befristet. Die Behörden können dieses Nutzungsrecht aus unterschiedlichen Gründen nach Jahren des Betriebs einschränken oder gänzlich verweigern.

Das kann passieren, wenn etwa die Anlage nicht richtig betrieben wird oder Grundwassertemperaturen ansteigen (oft bei Innenstadtlagen der Fall). Auch zu diesem Punkt muss ein Hinweis durch Fachplaner oder Fachexperten erfolgen.

Wichtig ist zu klären, wie mit diesem Risiko in der Planung umgegangen werden soll. Dabei stehen Vorhaltung und Honorierung der Planung für Ersatztechnik (auch Raumbedarf, Phantomplanung) ebenso zur Debatte wie die Vergrößerungen der Leistungsfähigkeit mittels Backup-Lösungen. In letzter Konsequenz ist dies die Entscheidung des Bauherrn. Er muss jedoch vom Fachplaner umfassend aufgeklärt werden, um „entscheidungsfähig“ zu sein.

Fazit | Die oberflächennahe Geothermie wird in ihrer Bedeutung und bei richtiger Auslegung einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Immobilienentwicklung leisten. Jedoch stellt die Planung, der Bau und der Betrieb der Anlagen erhöhte Anforderungen an das Planungsteam und den Bauherrn. Transparente Erklärungen zu Chancen, Nutzen und Risiken, als auch die frühzeitige Definition von Zeitabläufen, zusätzlichen Leistungen, Schnittstellen und Honorar sind hierbei der Schlüssel zum Erfolg.

Weiterführende Hinweise
  • Dieser Beitrag wurde in Diskussion und mit freundlicher Unterstützung von Dr. Claus H. Heske, öbuv Sachverständiger für Geothermie, erstellt.
  • Beitrag „BIM in der Lph 2: Zu frühe Detailfestlegungen haben „Risiken und Nebenwirkungen“, PBP 5/2022, Seite 6 → Abruf-Nr. 48178248
  • Beitrag „Lph 2: Wieviele Alternativen/Varianten nach gleichen Anforderungen sind geschuldet?“, PBP 3/2022, Seite 4 → Abruf-Nr. 47998913

AUSGABE: PBP 6/2022, S. 7 · ID: 48236528

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2022

Bildrechte