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Werkvertragsrecht Baukostenexplosion (Teil 4): So gehen Sie mit Forderungen ausführender Unternehmen um

Top-BeitragAbo-Inhalt20.05.20225729 Min. Lesedauer

| Die aktuelle Kostensituation führt zu erheblichen Diskussionen beim Thema „Nachforderungen von Baufirmen und Lieferschwierigkeiten“, die oft an Planungsbüros weitergereicht werden. Viele Anfragen zeigen, dass hier weiterer Klärungsbedarf besteht. Erfahren Sie deshalb nachfolgend, was für Sie veranlasst ist, wenn Sie gebeten werden, sich fachlich mit den Kostenforderungen ausführender Unternehmen auseinanderzusetzen. |

Diese Themen stehen aktuell im Blickpunkt

Im Kern geht es hier vor allem um zwei Themen:

  • 1. Ist die rein baufachliche Prüfung finanzieller Zusatzforderungen (ohne Änderung der Ausführungsplanung) im bestehenden Vertrag überhaupt als Leistung vereinbart? Hinweis: Es handelt sich um eine Besondere Leistung.
  • 2. Droht ein hohes Haftungsrisiko, wenn Sie die Leistung erbringen und z. B. später in der Revisionsprüfung eines öffentlichen Auftraggebers behauptet wird, dass die Prüfungsergebnisse nicht angemessen sind?

So vermeiden Sie unnötige Risiken

Zunächst bleibt festzuhalten: Als Planer sind Sie dem Auftraggeber gegenüber hier allenfalls als baufachlicher Berater gefragt. Sie dürfen keine Rechtsfragen bearbeiten, für die Sie nicht versichert sind.

Kein Grundleistungsthema

Vor diesem Hintergrund gilt: In den Grundleistungen der Lph 6 und 7 ist die Prüfung der hier in Rede stehenden rein finanziellen Forderungen nicht enthalten. Zu den Grundleistungen gehört u. a. die Prüfung von Nachtragsangeboten, die infolge von geänderten oder zusätzlichen Leistungen anfallen. Rein finanzielle Nachforderungen zu prüfen, gehört nicht zu den Grundleistungen.

Möglichen Leistungsumfang genau definieren

Sind Sie dennoch bereit, dem Bauherrn eine baufachliche (zusätzlich zu honorierende) Beratungsleistung anzubieten, sollten Sie klären, ob Sie überhaupt darauf ausgerichtet sind, rein finanzielle Zusatzforderungen zu prüfen. Mit Baukostendatenbanken kommt man hier nicht aus.

PBP empfiehlt, allenfalls eine einschätzende Plausibilitätsbeurteilung bzw. baufachliche Einschätzung der Zusatzforderung anhand der Hauptauftragskalkulation oder anhand aktueller Marktpreise (die erkundet werden müssten) anzubieten.

Wichtig | Im Umkehrschluss sollten Sie eine konkrete, rechnerisch genaue, finanziell und baufachlich hergeleitete Nachtragsprüfung (wie z. B. bei geänderter Planung) möglichst vermeiden. Viele Projekte werden auf Bauherrnseite später von Innenrevisionen oder Rechnungsprüfungsbehörden geprüft. Die dortigen Prüfmaßstäbe bzw. Herleitungen können von Ihren Kenntnissen weitreichend abweichen. Dort werden bereits rechtliche Zusammenhänge oft anders gewertet. Auch deshalb ist eine genaue Leistungsabgrenzung erforderlich.

Unbedingt auch fachliche Schnittstellen beachten

Nachstehende Leistungsgrenzen sollten keinesfalls überschritten werden:

Checkliste / Leistungsbild und -grenzen kennen und nicht überschreiten

Die rechtlichen Vorgaben und Grundlagen für Ihre fachliche bzw. beratende Beurteilung müssen konkret für jede einzelne Forderung vorliegen. Lassen Sie sich nicht auf eine allgemein gehaltene rechtliche Beurteilung ein. Die einzelnen Forderungen können sehr unterschiedliche Rechtsgrundlagen enthalten.

Nicht von Ihnen zu bearbeiten ist die Frage, ob die jeweiligen Zusatzforderungen unvermindert zu beurteilen sind oder ob jeweils zunächst eine Zumutbarkeitsschwelle (bis zum Verlassen der „ursprünglichen“ Geschäftsgrundlage) abzuziehen ist. Mit anderen Worten: Welchen Anteil der Forderungen muss der Auftragnehmer aus rechtlichen Gründen selbst tragen? Ab wann kann der Bauherr überhaupt in die Pflicht geraten? Die Festlegung dieser Schwelle ist eine Rechtsfrage.

Nicht von Planungsbüros bearbeitet werden kann auch die Frage, ob z. B. „Höhere Gewalt“ vorliegt und was daraus zu schließen ist.

Auch die grundsätzliche Frage, welche Bestandteile der einzelnen Vertrags- bzw. Einheitspreise, deren Änderung verlangt wird, überhaupt angepasst werden dürfen (z. B. Wagnisanteil an den Einheitspreisen, Lohnanteil?) dürfte eine Rechtsfrage sein – und damit keine Frage für Ihr Planungsbüro.

Ihnen muss auch vorgegeben werden, für welche Positionen Sie die Zusatzvergütung beurteilen sollen.

Das fachliche Beurteilungsverfahren bzw. die -methoden, anhand derer Sie die Forderungen der Höhe nach beurteilen, sollten Sie auf jeden Fall mit dem Auftraggeber und seiner Rechtsberatung abstimmen. Denn auch im fachlichen Beurteilungsverfahren stecken oft verborgene Rechtsfragen.

Es versteht sich von selbst, dass alle relevanten Entscheidungen auch nachvollziehbar dokumentiert werden müssen. Ohne rechtliche Grundlagen ist eine fachliche Beurteilung nicht sinnvoll.

Geregelt werden muss auch, welche Informationen und Kalkulationsgrundlagen der ausführende Betrieb vorlegen muss, um eine Beurteilung durch Ihr Büro überhaupt zu ermöglichen (Stichwort: prüfbare Kalkulation und Herleitung der geltend gemachten Forderungen).

Als rechtliche Beurteilungsgrundlage muss Ihnen auch vorgegeben werden, ab welchem Stichtag (siehe Termin-ablauf) überhaupt Mehrforderungen bei Baustoffkosten grundsätzlich berechtigt sind (Rechtsfrage). Schließlich hat das ausführende Unternehmen für den Vertragszeitraum ja verbindliche Angebotspreise abgegeben. Das bedeutet, dass der Bauunternehmer sich für diesen Terminablauf (gemäß Kalkulationsgrundlage) ja bereits alle Baumaterialien eingekauft (und nur auf Abruf gestellt) hatte. Alles andere wäre sein eigener kostenmäßiger Dispositionsbereich, den er (Rechtsfrage) nicht beim Bauherrn abladen kann.

Sollte die Forderung nach erhöhten Baustoffkosten von verzögerten Mitwirkungsleistungen (§ 642 BGB) des Bauherrn (auch anteilig) herrühren, wäre (Rechtsfrage) zunächst zu klären, welcher Zeitraum überhaupt für die fachliche Beurteilung relevant wäre. Denn daraus kann sich die Erhöhung herleiten.

Vergütung unberührt von Vertragsleistungen regeln

Als Vergütung für diese Besonderen Leistungen empfiehlt PBP, die Vereinbarung eines Zeithonorars. Das liegt daran, dass der Aufwand für die Leistung sehr unterschiedlich sein kann; er hängt auch vom jeweiligen Beurteilungsprinzip ab.

Beispiele

  • Der Aufwand kann überschaubar sein, wenn Sie aktuell Ausschreibungen in anderen Projekten laufen haben, die inhaltlich mit den Zusatzforderungs- Posten ähnlich sind.
  • Haben Sie aber keine vergleichbaren Projekte, müssen Sie andere – aufwendigere – Beurteilungsmöglichkeiten finden. Dies wäre auch mit der Rechtsberatung des Bauherrn abzustimmen und zu dokumentieren.

Beim Stundensatz sollten Sie berücksichtigen, dass Sie für diese Leistungen womöglich auf erfahrene Mitarbeiter zurückgreifen müssen. Da es sich höchstwahrscheinlich um eine vorher nicht im Vertrag enthaltene Leistung handelt, sollten Sie die Leistungen nur übernehmen, wenn Sie den angebotenen Stundensatz durchsetzen können. Nach § 650b BGB soll sich der Auftraggeber mit Ihnen zu Beginn der Leistungsvereinbarung auch über die Vergütungshöhe verständigen. Stundensätze von Konstruktionszeichnern sind hier nicht empfehlenswert.

Praxistipp | Vor der Zusage, solche beratenden Leistungen zu erbringen, sollten Sie immer bürointern klären, wer diese Aufgabe übernehmen kann. Ist es schon aus rein fachlichen Gründen nicht zumutbar, diese (inhaltlich nicht sehr nah an Planung und Bauüberwachung ausgerichteten) Leistungen mit dem bereits am Projekt arbeitenden Team zu erbringen, müssten Sie einen anderen Mitarbeiter – mit dem dann dafür angemessenen Stundensatz – anbieten. Planungsbüros sind keine bauwirtschaftlichen Fachberater und können daher allenfalls Plausibilitätsbetrachtungen vornehmen.

Erst wenn diese grundsätzlichen Fragen, wozu auch die Fragen der rechtlichen Klärungen gehören, erledigt sind, geht es um die Frage, ob die Höhe der Forderung (z. B. Preisaufschlag auf bestimmte Materialien in Höhe von 15 Prozent) rein fachtechnisch vertretbar ist.

Fazit | Die beratende Beurteilung von Zusatzforderungen der Bauunternehmer, die aus höheren Materialkosten resultieren, ist an viele Rechtsfragen gebunden. Deren Bearbeitung ist Planungsbüros nicht zuzumuten. Hier ist großes Augenmerk auf die Schnittstellenabgrenzung zu legen, sofern Sie fachlich auf die Ausführung solcher Beratungsleistungen eingerichtet sind. Sind Sie das nicht, und ist Ihnen die Erbringung solcher Zusatzleistungen nicht zuzumuten, sollten Sie Rücksprache mit Ihrem Anwalt halten.

Weiterführende Hinweise
  • Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 1): Führen höhere Baukosten zu höheren Honoraren?“ PBP 5/2022, Seite 13 → Abruf-Nr. 48194910
  • Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 2): Beratungspflichten und Besondere Leistungen von Planungsbüros“ PBP 5/2022, Seite 16 → Abruf-Nr. 48194915
  • Beitrag „Baukostenexplosion (Teil 3): Umgang mit steigenden Baustoffkosten und Ausführungsterminen“ PBP 5/2022, Seite 19 → Abruf-Nr. 48195836

AUSGABE: PBP 6/2022, S. 12 · ID: 48316569

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