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WerkvertragsrechtOLG Frankfurt a. M. spricht Klartext: Ohne Lph 1 keine Haftung des (Fach)planers

Abo-Inhalt28.01.20222099 Min. Lesedauer

| Es gibt immer noch Auftraggeber, die die Lph 1 nicht beauftragen wollen, weil sie die Grundlagenermittlung selber machen können oder wollen. Wer so „A“ sagt, muss aber auch „B“ sagen – und die Folgen unsachgemäßer Grundlagenermittlungen tragen. Das lehrt eine Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. Dort wollte ein Auftraggeber einen Fachplaner Technische Ausrüstung wegen eines Planungsfehlers in Haftung nehmen – und ist krachend gescheitert. Lernen Sie die Entscheidung kennen und ziehen Sie daraus die richtigen Schlüsse für den Umgang mit solchen Auftraggebern. |

Darum ging es beim OLG

Im konkreten Fall war ein Freibad modernisiert worden, das unmittelbar an ein reines Wohngebiet angrenzte. Die Schallemissionen der fertiggestellten Heizungsanlage (hier: Abgasanlage) des Freibads überschritten die Werte, die für das reine Wohngebiet zulässig waren. Die Anwohner beschwerten sich, insbesondere wegen der nächtlichen Lärmbelästigung. Die Stadtverwaltung als Bauherr warf dem Fachplaner vor, einen Planungsmangel begangen zu haben. Sie verlangte von ihm Schadenersatz in Höhe von ca. 316.000 Euro.

Die Stadt begründete ihre Ansprüche damit, dass in den Planungsvertrag eine Generalklausel aufgenommen worden war, wonach der Fachplaner die öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die allgemein anerkannten Regeln der Technik einhalten musste. Vertraglich vereinbart waren die Grundleistungen der Lph 2 bis 9 für alle relevanten Anlagengruppen. Die Stadt stellte sich auf den Standpunkt, dass der Fachplaner die Planungsanforderungen ungeachtet der Tatsache hätte einhalten müssen, dass er mit der Lph 1 nicht beauftragt war.

Planungsauftrag ist ohne Grundlagenermittlung begrenzt

Das OLG Frankfurt a. M. sah das anders. Es wies die Schadenersatzansprüche der Stadtverwaltung gegen den Fachplaner zurück. Die Begründung hat es in sich. Sie gilt sinngemäß auch für die anderen Leistungsbilder, wie z. B. Gebäude, Innenräume, Ingenieurbauwerke und Verkehrsanlagen (OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 12.07.2021, Az. 29 U 234/19, Abruf-Nr. 226936):

  • Der Fachplaner Technische Ausrüstung hatte hinsichtlich des Schallimmissionsschutzes in Bezug auf das benachbarte Wohngebiet keinen Planungsauftrag.
  • Die Lph 1, in der maßgebliche Teilleistungen wie die Klärung der Aufgabenstellung, die Ermittlung der Planungsrandbedingungen sowie die Beratung zum gesamten Leistungsbedarf zu erbringen sind, war ihm nicht beauftragt worden. Damit war der Fachplaner genau dafür auch nicht verantwortlich.
  • Es war für den Fachplaner nicht erkennbar, dass spezielle Vorgaben oder Vorleistungen bezüglich des Schallschutzes gegenüber dem Wohngebiet fehlten, die er hätte berücksichtigen müssen.
  • Die für die Schallschutzanforderungen wichtige Frage, ob es sich beim benachbarten Wohngebiet um
    • ein reines Wohngebiet (hoher Immissionsschutz),
    • ein allgemeines Wohngebiet (weniger Immissionsschutz) oder
    • um ein Mischgebiet (noch weniger Schutz) handelt,
  • ist eine spezifische bauplanungsrechtliche Fragestellung. Ein Fachplaner Technische Ausrüstung, der ohne die Lph 1 beauftragt wurde, muss diese nicht selbst klären. Er darf auf entsprechende Planungsgrundlagen des Auftraggebers vertrauen.
  • Die Stadt hätte dem Fachplaner die Grundlagen für seine Leistungen, die ab der Lph 2 begannen, übergeben müssen. Der Auftraggeber darf von einem Fachplaner, der die Lph 1 nicht im Auftrag hat, nicht erwarten, dass dieser bei ihm nachfragt, ob bzgl. des Schallschutzes benachbarter Baugebiete besondere Vorgaben zu beachten sind.
  • Die Stadtverwaltung hätte dem Fachplaner die Anforderungen an den Immissionsschutz (u. a. als Träger der Bauleitplanung) insbesondere vor dem Hintergrund der nicht beauftragten Lph 1 vorgeben müssen und weil sie das aufgrund ihrer eigenen Bearbeitung des Bebauungsplans wusste.

OLG hat noch andere wichtige Fragen geklärt

Das OLG hat mit seinem Urteil noch an anderen Streitpunkten für klare Verhältnisse gesorgt.

1. Schwierige Baurechtsfragen sind gesondert zu klären

Das OLG hat die manchmal ausufernde Planungsverantwortung eingegrenzt. Schwierige rechtliche Fragen, wie z. B.

  • welchen bauplanungsrechtlichen Charakter die Nachbarbebauung hat,
  • welche Lärmgrenzwerte für das Schwimmbad (z. B. als Sportbad oder als Freizeitbad) gelten oder
  • wie sich der Bestandsschutz des alten Schwimmbads auswirkt (es handelte sich um eine Modernisierung und nicht um einen Neubau),

sind von einem Fachplaner nicht ohne Weiteres zu beherrschen.

Wichtig | Ein Sportbad im Sinne der 18. Durchführungsverordnung des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist in emissionsschutzrechtlicher Hinsicht privilegiert. Ein Bad ist dann ein Sportbad, wenn die Anlage dem Breiten- oder Wettkampfsport dient. Diese Abgrenzung ist auch für Objektplaner im Hochbau bedeutsam, wenn z. B. eine Multifunktionshalle geplant wird, bei der Schallimmissionen (gegen 22.30 Uhr durch abfahrende Veranstaltungsbesucher) entstehen.

2. Sowiesokosten begründen keinen Schadenersatz

Die Frankfurter Richter stellten zweitens klar, dass die Mangelbeseitigungskosten in Höhe von ca. 316.000 Euro nicht als Schadenersatz gelten, weil sie auch angefallen wären, wenn die Schwimmbadsanierung von vorneherein ordnungsgemäß geplant worden wäre (Sowiesokosten).

Im vorliegenden Fall verlangte die Stadtverwaltung Kostenerstattung für ein spezielles schallgedämmtes Abgasrohr und die Einhausung der Anlage. Diese Kosten wären aber auch bei ordnungsgemäßer Planung angefallen.

3. Auch schwierige Ersatzteilversorgung ist kein Schaden

Last but not least hat das OLG klargestellt, dass ein Auftraggeber auch nicht prognostisch Schadenersatz für in Zukunft drohende Mehraufwände fordern kann.

Hier ging es um folgendes Detail: Die Stadt hatte ihre Schadenersatzforderung im Verlauf der Klage geändert, weil der Hersteller der eingebauten Heizungsanlage seinen Geschäftsbetrieb zwischenzeitlich eingestellt hatte. Die Stadtverwaltung befürchtete deshalb, dass sie künftig Schwierigkeiten bei Defekten und der Ersatzteilbeschaffung haben könnte – und wollte diesen möglicherweise drohenden Schaden erstattet bekommen. Auch diese Forderung ließen die Richter nicht durchgehen.

Sie sahen keinen Zurechnungszusammenhang zwischen der Ersatzteilversorgung und dem behaupteten Planungsfehler. Dass der Anlagenhersteller seinen Geschäftsbetrieb eingestellt habe, sei vielmehr ein zufälliges Ereignis gewesen, das außerhalb des Verantwortungsbereichs des Fachplaners gelegen habe.

Fazit | Das Urteil zeigt, dass die Lph 1 unverzichtbarer Bestandteil einer in sich schlüssigen und sachgerechten Planung sein muss. Bauherren, die auf die Beauftragung der Lph 1 verzichten, sparen an der falschen Stelle. Nichtsdestotrotz tun Sie gut daran, dem Auftraggeber die Folgen der Nichtbeauftragung der Lph 1 mittels eines freundlichen Schreibens aufzuzeigen. Sie vermindern so proaktiv und für Gerichte nachvollziehbar Ihr Haftungsrisiko. Das gilt für alle Leistungsbilder.

Weiterführende Hinweise
  • Musterschreiben „Reaktion auf Ablehnung der Beauftragung mit der Lph 1“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 37635620
  • Musterschreiben „Leistungsphase 1: Beratung zur Beauftragung, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 37635480
  • Musterschreiben „Lph 2: Anforderung der Grundlagenermittlung vom Auftraggeber“, pbp.iww.de → Abruf-Nr. 44153406

AUSGABE: PBP 2/2022, S. 12 · ID: 47936653

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