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TrockenlegungDie Berechnung von Kofferdam

Abo-Inhalt22.07.2023194 Min. LesedauerVon Dental-Betriebswirtin Birgit Sayn, ZMV

| In der Zahnheilkunde dient der Kofferdam der absoluten Trockenlegung eines oder mehrerer zu behandelnder Zähne. Mit der Anwendung steigt die Qualität einiger zahnärztlicher Therapien. Ob beispielsweise konservierende Leistungen mit Komposit im feuchtigkeitsanfälligen Milieu oder endodontische Therapien mit einer zusätzlichen bakteriellen Infektion – die Verwendung von Kofferdam ist ein Muss. Welche gebührenrechtlichen Besonderheiten sind bei der Abrechnung zu beachten? |

Kofferdam

Die Begriffe „Kofferdam“ und „Spanngummi“ werden synonym verwendet. Kofferdam wurde in New York vom Zahnarzt Sanford Christie Barnum (1838–1885) erfunden und besteht aus elastischem Kunststoff, bevorzugt aus Gummi. Das Kofferdamtuch ist ca. 15 × 15 cm groß, hochelastisch und dient der absoluten Trockenlegung entlang einzelner Zahnkronen oder ganzer Zahngruppen durch einen dichten Abschluss an den Zahnhälsen und dem Zahnfleischrand. Der Gummi wird entsprechend der Zahl der Zähne in der Regel mit einer speziellen Lochzange perforiert, kann aber nur zum Einsatz kommen, wenn die Nasenatmung des Patienten nicht eingeschränkt ist.

Indikationen

Eine effektive Feuchtigkeitskontrolle im Mundinnenraum und die Vermeidung einer möglichen Kontamination mit Mikroorganismen sichern den Langzeiterfolg und die Qualität von Restaurationen und endodontischen Behandlungen. Die Verwendung von Kofferdam findet bspw. bei folgenden zahnmedizinischen Behandlungen statt:

  • Fissurenversiegelung
  • Amalgam-Entfernung
  • Kompositfüllung
  • Aufbaufüllung in Adhäsivtechnik
  • Einlagefüllung
  • Wurzelkanalbehandlung (Aspirationsschutz)
  • Anwendung der Adhäsivtechnik
  • Entfernung von Zahnfragmenten (Gefahr von Verschlucken)
  • Internes Bleaching
  • Befestigung von Kronen
  • Befestigung von Veneers

Durch die perfekte Anpassung der Klammer an den Wurzelquerschnitt wird der gesamte Behandlungsraum trockengelegt. Das betrifft auch die Areale, die sich unter dem Zahnfleischrand befinden. Ohne Kofferdam sind diese Bereiche nicht sichtbar. Werden Zahnsubstanz und Restaurationsmaterial über die Adhäsivtechnik dauerhaft verbunden, geht das nicht ohne absolute Trockenlegung. Da der Kofferdam auch die Aerosolbelastung während der Behandlung deutlich senkt, kommt er insbesondere bei Patienten zum Einsatz, die an einer durch Tröpfcheninfektion übertragbaren Krankheit leiden.

Vorteile von Kofferdam

Die Vorteile in der Zahnheilkunde:

  • Absolute Trockenlegung des Behandlungsgebietes
  • Reduktion der bei Zahnbehandlungen entstehenden Aerosole
  • Komplette Abschirmung des Behandlungsorts vom übrigen Mundraum
  • Schutz vor Aspiration von Fremdkörpern
  • Schutz vor Kontakt mit gewebeschädigenden Substanzen
  • Vermeidung eines Versagens von Adhäsivtechniken
  • Eindämmung einer Reinfektion des Wurzelkanals bei endodontischer Therapie

Zahnärztliche Haftung

Kofferdam dient unter anderem dazu, ein Verschlucken oder Einatmen von Kleinteilen zu vermeiden. Lässt man den Kofferdam weg, obwohl er ratsam ist, sollte der Patient unbedingt über das erhöhte Risiko aufgeklärt sein und der Verzicht schriftlich fixiert werden. Es ist zu beachten, dass die Notwendigkeit, mit Kofferdam zu arbeiten, stets objektiv und für Haftungsfälle und Erstattungsfälle gleich zu beantworten ist. Streitet man über die Erstattung des Kofferdams und argumentiert mit der womöglich sogar zwingenden Notwendigkeit, sollte man stets überlegen, ob die Argumente auch in einem Haftungsfall greifen würden. Im jeweiligen Einzelfall wird stets der vom Gericht beauftragte Sachverständige für die konkrete Situation beurteilen, ob ein Kofferdam zahnmedizinischer Standard gewesen wäre.

Honorierung

Das Legen von Kofferdam wird in der GKV nach der BEMA-Nr. 12 berechnet:

BEMA-Nr. 12

Leistung

2023

Besondere Maßnahmen beim Präparieren oder Füllen (Separieren, Beseitigen störenden Zahnfleisches, Anlegen von Spanngummi, Stillung einer übermäßigen Papillenblutung), je Sitzung, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich

12,00 Euro

In der PKV wird das Legen von Kofferdam nach Nr. 2040 GOZ berechnet:

Nr. 2040 GOZ

Leistung

2,3-fach/ Euro

Anlegen von Spanngummi, je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich

8,42

Berechnung von Kofferdam im Rahmen einer Kassenleistung

1. Wurzelkanalbehandlung

Endodontische Maßnahmen wie z. B. die Vitalexstirpation (BEMA-Nr. 28), die Trepanation (BEMA-Nr. 31), die Wurzelkanalaufbereitung (BEMA-Nr. 32), medikamentöse Einlagen (BEMA-Nr. 34) und Wurzelkanalfüllungen (BEMA-Nr. 35) sollten immer unter möglichst keimfreien Bedingungen durchgeführt werden.

2. Mehrkostenvereinbarung bei Füllungen

Eine Mehrkostenvereinbarung (MKV) gemäß § 28 Abs. 2 SGB V kann bei folgenden Indikationen zur Anwendung kommen:

  • Bei dentinadhäsiv befestigten, in Säure-Ätz-Mehrschichttechnik gefertigten Kunststofffüllungen
  • Bei Aufbaufüllungen mit dentinadhäsiver Befestigung
  • Bei Einlagefüllungen

Leistungen nach der BEMA-Nr. 12, die im Rahmen einer Vertragsleistung notwendig sind, werden als solche nach der BEMA-Nr. 12 abgerechnet. Wird jedoch eine Kompositfüllung oder eine Aufbaufüllung dentinadhäsiv befestigt, ist eine absolute Trockenlegung erforderlich, die nach der Nr. 2040 GOZ und nicht nach BEMA-Nr. 12 zu berechnen ist, da für das Legen einer Füllung in der GKV nach den BEMA-Nrn. 13a–d (z. B. für Amalgam) keine absolute Trockenheit produktbezogen erforderlich ist. Diese Maßnahme ist nach Nr. 2040 GOZ mit dem Kassenpatienten nach entsprechender Aufklärung privat zu vereinbaren.

3. Spanngummi bei Fissurenversiegelung

Die Fissurenversiegelung nach BEMA-Nr. IP5 beinhaltet die relative Trockenlegung mit Watte und Speichelzieher. Um eine absolute Trockenlegung der zu versiegelnden Zähne und somit eine verbesserte Haftwirkung des Versiegelungskunststoffs zu erzielen, kann es erforderlich sein, einen Kofferdam zu legen. In diesen Fällen ist zusätzlich die BEMA-Nr. 12 berechenbar. Auf die Dokumentation der Notwendigkeit ist stets zu achten.

Berechnung von Kofferdam im Rahmen einer Privatleistung

Das Legen von Kofferdam darf mit einem gesetzlich versicherten Patienten nach der GOZ vereinbart werden, wenn es im Zusammenhang mit dem Erbringen von vertragszahnärztlichen Leistungen nicht erforderlich ist und über das Maß des Ausreichenden, Wirtschaftlichen und Zweckmäßigen hinausgeht. Das kann z. B. bei einer Mehrkostenfüllung nach § 28 Abs. 2 SGB V der Fall sein. Die Kompositfüllungen nach den Nrn. 2060 ff. werden i. d. R. unter Kofferdam gelegt, was bei einer Füllung aus dem Werkstoff Amalgam nicht notwendig ist.

Die Leistung nach Nr. 2040 GOZ beschreibt die absolute Trockenlegung des Behandlungsgebiets mittels Kofferdam, wobei auch das Anlegen von Minidam oder Quickdam dazu zählt.

Die notwendige Ausdehnung des Spanngummis wird durch das trockenzulegende Gebiet bestimmt. Für die Berechnung der Gebührenziffer ist nicht die Anzahl und/oder Lage der behandelten Zähne, sondern die Ausdehnung des gelegten Spanngummis entscheidend.

Die Leistung ist je Kieferhälfte oder Frontzahnbereich ggf. auch mehrmals pro Sitzung berechenbar, wenn die Behandlungsumstände dies erfordern. Das kommt beispielsweise bei einer erneuten absoluten Trockenlegung nach einer Röntgenaufnahme oder im Rahmen einer endodontischen Therapie mit Behandlungspause vor. Ein entsprechender Hinweis auf der Rechnung bei Privatversicherten ist empfehlenswert.

Auch wenn nur ein Zahn behandelt wird, muss der Kofferdam ggfs. über den Bereich von mehreren Zähnen gelegt werden, bspw. im Bereich von 14 bis 24. Die Nr. 2040 GOZ kann in diesem Fall zweimal berechnet werden.

Eine Verwendung von Einzelzahnligaturen oder die zusätzliche Verwendung von flüssigem Kofferdam zur Abdichtung ist bei der Bestimmung des Steigerungsfaktors gemäß § 5 Abs. 2 GOZ zu berücksichtigen. Mittlerweile gibt es einige Kofferdam-Produkte auf dem Markt (z. B. Optradam, Insti-Dam). Das Honorar für das Anlegen wird auch bei diesen Materialien nach der Nr. 2040 GOZ berechnet.

Berechnung von Kofferdam bei einer Verlangensleistung

Wird z. B. eine intakte Füllung auf Wunsch eines Patienten ausgewechselt, so ist die Anwendung von Kofferdam – wie auch aller anderen Leistungen für diese Therapie – privat nach § 2 Abs. 3 GOZ und § 8 Abs. 7 BMV-Z bei gesetzlich Versicherten vor Behandlungsbeginn schriftlich zu vereinbaren, da es sich nicht um eine medizinisch notwendige Therapie handelt. Details hierzu lesen Sie im Beitrag „Varianten der Rechnungsstellung für Verlangensleistungen“ in PA 01/2021, Seite 4; hier finden sich auch unterschiedliche Beispiele.

Ein Muster einer Vereinbarung von Verlangensleistungen nach § 2 Abs. 3 GOZ finden Sie unter iww.de/pa > Downloads > Musterverträge- und schreiben oder direkt mit der Abruf-Nr. 45007797.

Flüssiger Kofferdam ist analog zu berechnen

Das Auftragen eines Gingivaprotektors erfüllt nicht den Leistungsinhalt „Anlegen von Spanngummi“, sondern ist entsprechend § 6 Abs. 1 GOZ (analog) inkl. der Materialkosten zu berechnen. Derartige Produkte schützen beispielsweise beim Bleaching das Zahnfleisch vor dem Bleichgel, erfüllen aber nicht den Leistungsinhalt der Nr. 2040 GOZ.

Weiterführende Hinweise
  • Amalgamentfernung: Für die Verwendung von Kofferdam kommt es auf den Einzelfall an (ZR 08/2019, Seite 7; online unter iww.de > Abruf-Nr. 45995518)
  • Cochrane-Review zur Trockenlegung bei restaurativer Therapie (ZR 08/2021, Seite 6; Abruf-Nr. 47490874)

AUSGABE: PA 8/2023, S. 9 · ID: 49544118

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