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GesellschaftsrechtMietergemeinschaften als GbR nach neuem Recht
| Mieten mehrere Personen eine Wohnung, handelt es sich meist um eine GbR (Paradebeispiel: Studenten-WG). Doch was ist zu beachten, wenn eine GbR Räume mietet? Kann eine Gesellschaft überhaupt Wohnraummietverhältnisse eingehen, obwohl sie selbst nicht „wohnen kann“? Durch neues Recht haben sich hier wichtige Änderungen für die Praxis ergeben. |
1. Altes Recht: „Teilrechtsfähigkeit“ der GbR bis zum 31.12.23
Die GbR-Außengesellschaft war bereits nach altem Recht als rechtsfähig anerkannt (BGH NJW 01, 1056). Unter mietrechtlichem Blickwinkel war sie jedoch nur „teilrechtsfähig“ (BGH NJW 17, 547). Damit konnte sie im Außenverhältnis selbst Rechte und Pflichten eingehen. Gleichwohl war sie im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern nicht eigenständig – anders als juristische Personen.
Im letztgenannten Urteil erkannte der BGH an, dass die GbR zugunsten ihrer Gesellschafter wegen Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB analog einen von ihr geschlossenen Mietvertrag kündigen kann. Denn der geltend gemachte Eigenbedarf eines Gesellschafters oder dessen Angehörigen sei in allen wesentlichen Punkten einer Miteigentümer- oder Erbengemeinschaft vergleichbar. Bei diesen handelt es sich ebenfalls um rechtlich nicht verselbstständigte Zusammenschlüsse natürlicher Personen.
2. Neues Recht: „Vollrechtsfähigkeit“ der GbR seit dem 1.1.24
Die Rechtsfähigkeit der GbR hängt vom Willen der Gesellschafter ab. Durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG; BGBl. 21, S. 3436) hat sich diese Sicht zum 1.1.24 weiterentwickelt. Denn § 705 Abs. 2 BGB bestimmt jetzt, dass die Rechtsfähigkeit vom gemeinsamen Willen der Gesellschafter abhängt. Die GbR kann im Außenverhältnis voll rechtsfähig sein. Sollen hingegen die Rechtsverhältnisse der Gesellschafter nur untereinander ausgestaltet werden, ist sie als Innengesellschaft nicht rechtsfähig.
Das bedeutet: Sobald eine Vermietermehrheit als GbR vermietet, wird sie im Außenverhältnis tätig. Dann ist zu untersuchen, ob sie den Status der Vollrechtsfähigkeit erlangt hat. Im Zweifel ist das anzunehmen, weil „nach außen“ mit der Vermietung ein gemeinsamer Zweck verfolgt wird.
Außerdem entspricht es dem gesetzlichen Leitbild der GbR in § 705 Abs. 2 BGB. Dieser Wille kann sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Eintragung der Gesellschaft in das neue GbR-Register ergeben. Es wird bei den AG geführt und weist u. a. die Gesellschafter und die getroffenen Vertretungsregelungen aus, § 707 Abs. 2 Nr. 3 BGB. Die Eintragung ist durch sämtliche Gesellschafter anzustoßen, § 707 Abs. 4 S. 1 BGB. Ist die Gesellschaft eingetragen, firmiert sie als „eGbR“.
Aber: Die Rechtsfähigkeit der GbR hängt nicht von ihrer Eintragung ab, sondern nur vom Willen der Gesellschafter, im Rechtsverkehr aufzutreten. Das ist spiegelbildlich auf Mietermehrheiten anwendbar. Besitzt die GbR jedoch das Grundstück selbst, ist sie verpflichtet, sich gemäß § 47 Abs. 2 GBO in das GbR-Register einzutragen.
3. Praxisfragen
Nach neuem Recht ergeben sich folgende Fragen:
a) Kann eine GbR Wohnraummietverträge schließen?
Meint man es mit der Vollrechtsfähigkeit der GbR wirklich ernst, kann die GbR selbst „nicht wohnen“. Das würde bedeuten, dass man mit einer GbR keine Wohnraummietverträge abschließen könnte. Entweder müsste man dann einen Mietvertrag mit der GbR selbst mit dem Zweck schließen, die gemieteten Räume an die Gesellschafter als Nutzer weiterzugeben. Oder es wäre eine Vermietung nur direkt an die Einzelmitglieder möglich. Denkbar ist beides.
Klüger ist es, sowohl an die GbR als auch einzeln an deren Mitglieder zu vermieten. Dies ergibt sich daraus, dass das Vermögen der Gesellschaft und der Gesellschafter strikt zu trennen ist, § 713 BGB. Mit dieser Lösung gewinnt der Vermieter einen weiteren Schuldner hinzu. Verfolgt die GbR den Zweck, eine Wohngemeinschaft zu gründen, kann auch ihre Vollrechtsfähigkeit der Möglichkeit eines Wohnungsmietvertrags nicht entgegenstehen.
Umstritten ist, ob die GbR den Mieterschutz des Wohnraummietrechts genießt. Mit Blick auf die soziale Schutzkomponente im Wohnraummietrecht wird wohl eine solche sehr formale Betrachtung ausscheiden müssen. Letztendlich ist dies eine Frage des Anwendungsbereichs von § 549 BGB.
b) Was sollte im Mietvertrag geregelt werden?
Zu empfehlen ist, die Nutzungsform – z. B. studentische Wohngemeinschaft, Seniorenwohngemeinschaft – im Mietvertrag aufzunehmen. So wird deutlich, dass die GbR sich zu diesem Wohnzweck zusammengeschlossen hat. Werden daneben noch die Einzelmitglieder namentlich erfasst, ist schon die erste Bremse gegen einen Mitgliederwechsel ohne und unabhängig vom Willen des Vermieters eingebaut.
Zusätzlich bietet es sich an, dem Vermieter vertraglich ein Mitspracherecht beim Mieterwechsel vorzubehalten (Change-of-Control-Klausel). Er könnte auch den Gesellschaftsanteil eines ausscheidungswilligen Gesellschafters übernehmen. Solche Klauseln existieren im Gewerberaummietrecht. Auch im Wohnraummietrecht gibt es sie (BGH NJW 85, 623, allerdings zum Kfz-Händlervertrag). Ein einschränkungsloses Zustimmungsrecht benachteiligt den Mieter unangemessen, wenn es ohne Rücksicht auf seine Interessen eingreift.
Beachten Sie | Diese Klauseln sind nah am „Vertrag zulasten Dritter“. Denn der Vertrag mit der vollrechtsfähigen GbR wirkt zum Nachteil der rechtlich getrennt zu betrachtenden Gesellschafter. Daher sollte bei formularmäßigen Klauseln die spezielle Interessenlage ausführlich begründet werden. Sollte dies nicht gelingen, ist die Klausel wegen § 307 BGB unwirksam.
Praxistipp | Weiter sollte im Vertrag klar geregelt sein, ob die Gesellschaft im GbR-Register eingetragen worden ist oder werden soll. Dies ist vor allem für die Vertretungsverhältnisse innerhalb der Mieter-GbR von Bedeutung, die sich aus dem Register ergibt. Denn das gesetzliche Prinzip der Gesamtgeschäftsführungsbefugnis (§ 715 Abs. 1, Abs. 3 BGB) und der Gesamtvertretungsbefugnis (§ 720 Abs. 1, Abs. 3 BGB) kann durch den Gesellschaftsvertrag geändert werden (§ 715 Abs. 4, § 720 Abs. 1 BGB). Eine Erleichterung enthält § 720 Abs. 5 BGB für Vermieter: „Ist der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, genügt die Abgabe gegenüber einem vertretungsbefugten Gesellschafter.“ Ohne die ausdrückliche Erwähnung der Gesellschafter als Mieter müsste der Vermieter einen Gesellschafter- und somit einen Mieterwechsel bei der eGbR akzeptieren. |
c) Ist dem Vermieter ein Wechsel der nutzenden Personen noch anzuzeigen?
Sofern (auch) an Einzelmitglieder der Gemeinschaft vermietet worden ist, versteht sich dies von selbst. Ebenso ist es, wenn im Vertrag eine Change-of- Control-Klausel enthalten ist oder der Vermieter sich ein Recht zur Anteilsübernahme vorbehalten hat. Existiert keine vertragliche Regelung, ist entscheidend, ob dem Mietvertrag ein Anspruch der verbleibenden Mieter auf Zustimmung des Vermieters zu einem Mieterwechsel entnommen werden kann. Aber: Ist nur an die GbR vermietet, besteht keine Anzeigepflicht. Der Wechsel erfolgt dann nur auf Ebene des Gesellschaftsrechts. Allein die Tatsache, dass mit einer Wohngemeinschaft ein Mietvertrag geschlossen wurde, reicht nicht aus. Es genügt aber, dass dem Vermieter dieser Zweck der kurzfristigen Vermietung bei Vertragsschluss bekannt ist (BGH 27.4.22, VIII ZR 304/21). Diese Rechtsprechung gilt auch heute noch. Denn der Gesetzgeber hat nur das Personengesellschaftsrecht geändert, nicht das Mietrecht.
d) Gegenüber wem muss der Vermieter eigene Verbindlichkeiten erfüllen?
Wurde an die GbR vermietet, sind Verbindlichkeiten auch nur ihr gegenüber zu erfüllen. Denn § 713 BGB separiert rechtlich das Gesellschaftsvermögen vom Vermögen der einzelnen Gesellschafter. Wurde daneben sinnvollerweise auch an die Einzelmitglieder vermietet, kommt es auf die Kenntnis der Vertretungsverhältnisse in der Gesellschaft an. In jedem Fall sind im Außenverhältnis die GbR sowie deren Mitglieder Gesamtgläubiger.
Lässt sich nicht klären, wem gegenüber die Forderung als Verbindlichkeit vom Vermieter zu erfüllen ist, kann die Forderung nur schuldbefreiend hinterlegt werden. Das kostet Zeit, Mühe und Geld. Deswegen sollte schon im Mietvertrag geregelt werden, wie die Vertretungsverhältnisse in der Gesellschaft geregelt sind und wem gegenüber Verbindlichkeiten zu erfüllen sind.
Fazit | Schließen Sie Mietverträge mit einer GbR so konkret wie möglich, und zwar mit der GbR und den einzelnen Gesellschaftern. Regeln Sie Folgendes:
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AUSGABE: MK 11/2024, S. 213 · ID: 50191959