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UmsatzsteuerVermietete Immobilie ist keine Betriebsstätte
| Die Ausführungen des BMF klingen unspektakulär, wonach Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln sind (vgl. A 13b.11. Abs. 2 S. 2 UStAE). Diese Konstellation ist bei ausländischen Investoren oder innerhalb von Konzernstrukturen weit verbreitet. Der EuGH (3.6.21, C-931/19) und nun (als erstes inländisches Gericht) auch das FG Münster (29.10.24, 15 K 399/23 U, Abruf-Nr. 247651) widersprechen dem jedoch – mit gravierenden Folgen. |
1. Ausgangsbeispiel
Die luxemburgische Immobiliengesellschaft I vermietet u. a. das Grundstück X in Aachen steuerpflichtig an den unternehmerischen Mieter M. Die Verwaltung erfolgt von Luxemburg aus. Die Steuerberatung erfolgt von dem Kölner Steuerberater S. Dieser erbringt dabei u. a. die Erstellung der Ertragsteuer- und Umsatzsteuererklärungen und das Aufsetzen und Anpassen der Mietverträge.
2. Lösung nach Meinung der Finanzverwaltung
In A 13b.11. Abs. 2 S. 2 bis 4 UStAE verfügt das BMF, dass Unternehmer, die ein im Inland gelegenes Grundstück besitzen und steuerpflichtig vermieten, insoweit als im Inland ansässig zu behandeln sind. Weiter heißt es dort, dass diese Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren zu erklären sind und der Leistungsempfänger nicht die Steuer für diese Umsätze schuldet. Dies dürfte darin begründet sein, dass die Verwaltung das Grundstück – wohl aus Vereinfachungsgründen – als Betriebsstätte ansehen möchte.
Dies hat zur Folge, dass I als inländische Unternehmerin gilt und sich im Inland auch umsatzsteuerlich registrieren lassen muss. Aus diesem Grund liegt hinsichtlich der Vermietung an M kein Anwendungsfall des § 13b Abs. 2 Nr. 1 i. V. mit Abs. 5 S. 1 UStG vor, sodass I die Umsatzsteuer hierfür schuldet. I kann M diese Umsatzsteuer in Rechnung stellen, die dieser als Vorsteuer abziehen kann.
Steuerberater S muss bei seinen Leistungen differenzieren. Denn das BMF unterscheidet, ob es sich um eine Leistung im Zusammenhang mit einem Grundstück handelt, die am Belegenheitsort zu besteuern ist (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG) oder um eine allgemeine Leistung i. S. des § 3a Abs. 2 UStG.
Merke | Als Grundstücksleistung wird z. B. das Aufsetzen und Verhandeln von Miet-/Pachtverträgen über ein bestimmtes Grundstück angesehen (A 3a.3. Abs. 9 Nr. 9 S. 8 UStAE), die Rechts-/Steuerberatung in Grundstückssachen indes nicht (A 3a.3 Abs. 10 Nr. 7 S. 2 UStAE). Diese fällt unter den B2B-Grundsatz des § 3a Abs. 2 UStG. Da I aber als im Inland ansässig anzusehen ist, bestimmt sich auch hier der Leistungsort nach dem Belegenheitsort der vermieteten Immobilie in Aachen. S stellt also in beiden Fällen Umsatzsteuer in Rechnung, die I im Rahmen ihrer inländischen Umsatzsteuerklärungen als Vorsteuer geltend machen kann. |
3. Neue Rechtsprechung
In dem Fall des EuGH (3.6.21, C-931/19) ging es um eine Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung auf Jersey, deren Geschäftsgegenstand im Bereich Realitätenwesen, Vermögensverwaltung sowie Wohnungs- und Siedlungswesen lag. Diese vermietete eine Immobilie in Österreich umsatzsteuerpflichtig an zwei österreichische Unternehmer. Nach der Entscheidung stellt eine in einem Mitgliedstaat vermietete Immobilie keine feste Niederlassung i. S. des Art. 43 MwStSystRL sowie der Art. 44 und 45 MwStSystRL dar, wenn der Eigentümer der Immobilie nicht über eigenes Personal für die Leistungsbewirkung im Zusammenhang mit der Vermietung verfügt.
Auf diesen Zug ist nun das FG Münster (29.10.24, 15 K 399/23 U) in einem ähnlichen Fall (Vermieterin aus Italien) aufgesprungen. Danach ist § 13b Abs. 7 S. 1 UStG richtlinienkonform auszulegen. Mangels feststellbarem im Inland tätigen Personals kann die Immobilie nicht als Betriebstätte angesehen werden, sodass die Vermietung aus dem Ausland erfolgt.
3.1 Ausgangsbeispiel: Auswirkungen für I und M
Da I im Inland kein eigenes Personal einsetzt, gilt sie nicht als im Inland ansässig. Damit liegen die Voraussetzungen des § 13b UStG vor, sodass M zum Steuerschuldner wird. I muss sich aus diesem Grund nicht mehr im Inland registrieren lassen und stellt Netto-Rechnungen an M aus (§ 14a Abs. 5 UStG).
Merke | Derzeit können sich Unternehmer auf die abweichende Rechtsauffassung im UStAE berufen (Vertrauensschutz). Dies ist insbesondere für M bedeutend, da dieser die Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG bislang zu Recht nicht beachtet hat. Möchte I die Rechtsprechung anwenden, ist die Vorschrift des § 14c Abs. 1 UStG zu beachten, wenn bislang Umsatzsteuer offen ausgewiesen wurde. |
3.2 Ausgangsbeispiel: Auswirkungen für S
Es dürften sich auch Auswirkungen für S ergeben. Denn I gilt nicht mehr als im Inland ansässig, sodass für Leistungen, die nicht unter das Belegenheitsprinzip des § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG fallen, sich der Leistungsort nun nach § 3a Abs. 2 S. 1 UStG in Luxemburg befinden dürfte (Anwendung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach Art. 196 MwStSystRL).
4. Vertreter-Betriebsstätte
In Konzernstrukturen werden die inländischen Immobilien oft an inländische Tochtergesellschaften vermietet (im Beispiel wäre M eine Tochtergesellschaft der I). Oft übernehmen die inländischen Unternehmen wegen ihrer Marktkenntnisse (unentgeltlich) die Immobilienverwaltung. Ertragsteuerlich dürfte dadurch grundsätzlich eine Vertreter-Betriebsstätte der Muttergesellschaft im Inland begründet werden (Art. 5 Abs. 5 OECD-Musterabkommen sowie § 13 AO). Dies könnte auch umsatzsteuerlich dazu führen, dass dieser Betriebsstätte nun auch (fremdes) Personal zuzuweisen ist, sodass die Rechtsprechung zu keiner abweichenden Beurteilung zum UStAE mehr führen dürfte. In diesem Sinne wohl auch FG München 16.5.24, 14 K 103/23, Rev. BFH V R 12/24.
AUSGABE: MBP 6/2025, S. 99 · ID: 50363490