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SozialversicherungspflichtAls Folge des „Herrenberg-Urteils“: Neue Übergangsregelung für Lehrkräfte bis Ende 2026

Top-BeitragAbo-Inhalt20.02.20253 Min. Lesedauer

| Das „Herrenberg-Urteil“ des BSG vom 28.06.2022 hat die sozialversicherungsrechtliche Einordnung von Honorarlehrkräften grundlegend verändert. Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte waren dadurch erheblich verunsichert. Denn die bisherige Praxis der Beschäftigung auf Honorarbasis war infrage gestellt worden. Der Gesetzgeber hat jetzt reagiert und eine Übergangsregelung getroffen. LGP stellt sie Ihnen vor. |

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BSG stellt Beurteilung von Honorarlehrkräften auf den Kopf

Das BSG hat in seinem „Herrenberg-Urteil“ die sozialversicherungsrechtliche Einstufung von Musiklehrkräften maßgeblich beeinflusst. Es hat in einem Einzelfall entschieden, dass eine Lehrkraft an einer kommunalen Musikschule nicht selbstständig, sondern abhängig beschäftigt war, was die Sozialversicherungspflicht zur Folge hat (BSG, Urteil vom 28.06.2022, Az. B 12 R 3/20 R, Abruf-Nr. 235470).

Bildungseinrichtungen waren in Folge dieses Urteils zum Teil hohen Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen ausgesetzt und dadurch in ihrer Existenz gefährdet. Sie standen vor der Herausforderung, ihre bisherigen Vertragsverhältnisse zu überdenken, um SV-Nachforderungen zu entgehen. Eine Übergangsregelung verschafft ihnen Luft.

SV-Pflicht von Honorar-Lehrkräften verschoben

Der Bundesrat hat am 14.02.2025 dem „Gesetz zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften für Opfer der politischen Verfolgung in der ehemaligen DDR und zur Änderung weiterer Vorschriften“ zugestimmt (Abruf-Nr. 246684). Dort ist als Reaktion auf das „Herrenberg-Urteil“ eine Übergangsregelung enthalten, die im neuen § 127 SGB IV verankert ist.

Diese Regelung ermöglicht es, dass Lehrkräfte, die auf Honorarbasis tätig sind, bis zum 31.12.2026 weiter als Selbstständige gelten, selbst wenn eine Statusfeststellung der Deutschen Rentenversicherung eine abhängige Beschäftigung nahelegt. Voraussetzung hierfür ist, dass

  • beide Vertragsparteien bei Vertragsschluss von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen sind und
  • die Lehrkraft dieser Einstufung zustimmt.

Auch ohne eine solche Feststellung tritt bis zum 31.12.2026 keine Versicherungs- und Beitragspflicht aufgrund einer Beschäftigung ein, wenn

  • die Vertragsparteien bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer selbstständigen Lehrtätigkeit ausgegangen sind und
  • die Lehrkraft gegenüber den Bildungseinrichtungen zustimmt.

Wichtig | Unter den genannten Voraussetzungen entsteht mangels Versicherungspflicht für Zeiten bis zum 31.12.2026 kein Anspruch der Sozialversicherungsträger auf Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags gegen die Bildungseinrichtung. Die Träger erheben keine Beiträge nach.

Die Änderungen treten am Tag nach der Verkündung in Kraft. Bei Drucklegung war das Gesetz noch nicht veröffentlicht.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Diese Übergangsregelung in § 127 SGB IV gibt Bildungseinrichtungen wie Volkshochschulen, Musikschulen und andere freien Bildungsträgern Zeit, ihre Beschäftigungsmodelle anzupassen und Rechtssicherheit zu schaffen. Bildungseinrichtungen sollten bis Ende 2026 ihre jeweiligen Arbeitsbedingungen sorgfältig prüfen, um den korrekten sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Lehrkräfte zu bestimmen. Einen Anhaltspunkt für die Prüfung und Einstufung liefern die Kriterien des BSG.

Kriterien für abhängige Beschäftigung aus „Herrenberg-Urteil“ nutzen

Das BSG nannte im „Herrenberg-Urteil“ mehrere Kriterien, die im konkreten Fall für eine abhängige Beschäftigung der Musiklehrkraft sprachen:

  • Eingliederung in den Betrieb: Die Lehrkraft war fest in die organisatorischen Abläufe der Musikschule integriert. Sie musste sich an vorgegebene Stundenpläne halten und Unterrichtsinhalte gemäß den Lehrplänen des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) vermitteln.
  • Weisungsgebundenheit: Es bestand ein umfassendes Weisungsrecht seitens der Musikschulleitung hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Unterrichtsdurchführung.
  • Fehlendes unternehmerisches Risiko: Die Lehrkraft erhielt eine feste Vergütung, auch für ausgefallene Stunden, sofern die Schüler den Ausfall zu vertreten hatten. Zudem war sie verpflichtet, an schulischen Veranstaltungen wie jährlichen Schülervorspielen teilzunehmen.
  • Einbindung in die Betriebsorganisation: Die vorgenannten Merkmale deuten darauf hin, dass die Lehrkraft in die Strukturen der Musikschule eingebunden war und deren Weisungen unterlag, was charakteristisch für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ist. Sie hatte gerade nicht die für eine selbstständige Tätigkeit typische unternehmerische Freiheit und trug auch nicht das entsprechende Risiko.

Status hängt vom Einzelfall ab

Das „Herrenberg-Urteil“ basiert auf einem spezifischen Einzelfall. Die genaue Einstufung kann je nach individueller Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses variieren. Daher sollten Bildungseinrichtungen und Lehrkräfte die konkrete Ausgestaltung ihres Vertrags analysieren, um den korrekten sozialversicherungsrechtlichen Status zu bestimmen.

Weiterführender Hinweis
  • GKV-Spitzenverband: Niederschrift vom 04.05.2023 → Abruf-Nr. 236190

AUSGABE: LGP 3/2025, S. 73 · ID: 50322574

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