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Betriebliche AltersversorgungDas sind die Regeln für die Fortführung der bAV nach vorzeitigem Dienstaustritt

Top-Beitrag Abo-Inhalt 29.11.2024 8 Min. Lesedauer Von Dr. Claudia Veh, B&W Deloitte GmbH, München

| Viele Arbeitnehmer wandeln Entgelt in eine Anwartschaft auf betriebliche Altersversorgung (bAV) um. Schließlich besteht sogar ein Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung und eine gesetzliche Zuschusspflicht für den Arbeitgeber in Höhe der eingesparten Sozialabgaben bzw. pauschal in Höhe von 15 Prozent. Bei vorzeitigem Dienstaustritt stellt sich in den versicherungsförmigen Durchführungswegen für den Arbeitgeber regelmäßig die Frage, was mit dem Versicherungsvertrag nach dem vorzeitigen Ausscheiden passieren soll. LGP stellt die Spielregeln vor. |

Vorzeitiges Ausscheiden und private Vertragsfortführung

Wenn ein Arbeitnehmer vorzeitig aus dem Unternehmen ausscheidet, muss zunächst seine unverfallbare Anwartschaft ermittelt werden. Dies erfolgt grundsätzlich nach der sog. ratierlichen Methode (§ 2 Abs. 1 BetrAVG), d. h. die zugesagte Leistung bei Betriebstreue wird zeitratierlich im Verhältnis der tatsächlichen zur potenziell möglichen Dienstzugehörigkeit gekürzt.

Bei Pensionskassen und Direktversicherungen gibt es jedoch ein Alternativverfahren, die sog. versicherungsvertragliche Lösung. Bei ihr entspricht die Höhe der unverfallbaren Anwartschaft der zum Dienstaustritt beitragsfreien Versicherungsleistung. Voraussetzung ist die Einhaltung der sog. sozialen Auflagen aus § 2 Abs. 2 bzw. Abs. 3 BetrAVG:

  • Es müssen alle Überschüsse leistungserhöhend verwendet werden.
  • Der Arbeitnehmer muss das Recht haben, die Versicherung nach Ausscheiden mit eigenen Beiträgen fortzuführen.
  • Bei der Direktversicherung muss zudem spätestens drei Monate nach dem Ausscheiden das Bezugsrecht des Arbeitnehmers unwiderruflich sein, das Recht zur Beleihung, Abtretung und Verpfändung muss rückgängig gemacht sowie etwaige Beitragsrückstände ausgeglichen worden sein. Bei Entgeltumwandlung müssen die sozialen Auflagen von vornherein erfüllt werden (§ 1b Abs. 5 BetrAVG).

Wichtig | Eine private Weiterführung durch den Arbeitnehmer ist damit nur bei den Durchführungswegen Direktversicherung und Pensionskasse möglich. Bei den anderen Durchführungswegen Direktzusage, Unterstützungskasse und Pensionsfonds scheidet die private Fortführung aus.

Allerdings wird der alte Arbeitgeber bei der versicherungsförmigen Lösung mit dem „Mitgeben der Versicherung“ nicht von allen Haftungsrisiken frei (§ 2 Abs. 2 S. 3 BetrAVG). Wurde in der Vergangenheit z. B. gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, wonach z. B. ein zu geringer Beitrag für den Arbeitnehmer oder ein zu geringer Zuschuss zur Entgeltumwandlung abgeführt wurde, steht der alte Arbeitgeber nach wie vor für dieses Versäumnis ein. Sprich: Wird später ein solches Versäumnis evident, kann sich der Arbeitnehmer diesbezüglich an seinen alten Arbeitgeber wenden. Dies kann z. B. auch eine Rolle spielen, wenn eine Pensionskasse später Leistungen kürzen muss und die zum Dienstaustritt bestehende unverfallbare Anwartschaft nachträglich gemindert wird. Dann steht der alte Arbeitgeber für diese entstandene Lücke ein, also für die Leistungen, die zugesagt wurden, aber vom Versorgungsträger nicht erbracht werden.

Als Alternative zur privaten Fortführung des Vertrags besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit der Portierung der bAV zum Folgearbeitgeber. Das wird im Folgenden für die versicherungsförmigen Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds skizziert.

Portabilität – Mitnahme der bAV zum Folgearbeitgeber

Besonders bei Entgeltumwandlungen besteht oft der Wunsch, die Entgeltumwandlung beim neuen Arbeitgeber fortzuführen. Hier gibt es zwei Varianten: Die Übernahme der Zusage auf bAV durch den Folgearbeitgeber oder die Übertragung mit Übertragungswert.

Variante 1: Übernahme der Zusage (§ 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG)

Im Fall des § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG vereinbaren bisheriger Arbeitgeber, Arbeitnehmer und neuer Arbeitgeber, dass die arbeitsrechtliche Zusage auf bAV schuldbefreiend für den bisherigen Arbeitgeber auf den neuen Arbeitgeber übergeht. Diese Form ist nur möglich, wenn alle drei Parteien zustimmen.

Wichtig | In diesem Fall steht der neue Arbeitgeber auch für etwaige Versäumnisse in der Vergangenheit ein, wenn z. B. ein zu geringer Arbeitgeberzuschuss gezahlt wurde als gesetzlich in § 1a Abs. 1a BetrAVG gefordert bzw. vertraglich vereinbart. Aus diesem Grund wird diese Form der Portabilität in der Praxis nur in Ausnahmefällen gewählt. Auch wenn es z. B. bei einer Pensionskasse später zu satzungsgemäß möglichen Leistungskürzungen kommen sollte, würde der neue Arbeitgeber für etwaige Lücken aufkommen müssen – und nicht der alte Arbeitgeber.

Soll die Übernahme der Zusage, z. B. weil das Unternehmen den Arbeitnehmer unbedingt für sich gewinnen will, dennoch erfolgen, bietet es sich aus Sicht des neuen Arbeitgebers an, den bestehenden Versicherungsvertrag und die diesbezügliche Zusage vor Übernahme der Zusage einem „Portabilitäts-Check“ durch einen spezialisierten bAV-Berater unterziehen zu lassen.

Variante 2: Übertragung mit Übertragungswert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG)

Im Fall des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG wird auch durch einvernehmliche Vereinbarung zwischen altem Arbeitgeber, Arbeitnehmer und neuem Arbeitgeber die bAV zum Folgearbeitgeber transferiert. Allerdings nicht in Form einer Übernahme der Zusage mit Weiterführung der bestehenden Versicherung durch den neuen Arbeitgeber. In diesem Fall wird vielmehr der Übertragungswert (gebildetes Kapital; Deckungskapital ohne Abzüge zzgl. Guthaben aus verzinslicher Ansammlung und Anteil am Schlussüberschuss) der Versicherung vom alten Arbeitgeber zum Versorgungsträger des neuen Arbeitgebers übertragen. Die Zusage des alten Arbeitgebers erlischt (§ 4 Abs. 6 BetrAVG).

Dieser Weg hat aus Sicht des neuen Arbeitgebers den Vorteil, dass er nicht in die bisherige Zusage eintritt, sondern lediglich eine dem Übertragungswert wertgleiche Zusage erteilen muss. Wertgleichheit ist gegeben, wenn der komplette Übertragungswert in eine neue bAV investiert wird. Weiter liegt der praktische Vorteil dieser Variante darin, dass der neue Arbeitgeber nicht Versicherungsnehmer beim Versicherer des bisherigen Arbeitgebers werden muss, sondern den Übertragungswert in eine Versicherung bei dem Versicherer investieren kann, bei dem er bereits Kunde ist und bei dem z. B. auch die bAV seiner bisherigen Belegschaft abgewickelt wird.

Wichtig | Für den Arbeitnehmer kann diese Form der Portabilität unvorteilhaft sein, wenn die aktuellen Rechnungsgrundlagen (z. B. Garantiezins) ungünstiger sind als die in seinem bisherigen Vertrag. Wertgleichheit wird hier dennoch von Gesetzgeber gesehen. In diesem Fall entscheidet sich der Arbeitnehmer häufig gegen die Übertragung auf den Versorgungsträger des neuen Arbeitgebers, aber dafür, den bestehenden Vertrag weiterzuführen und mit privaten Beiträgen weiter zu bedienen.

Allerdings muss der neue Arbeitgeber die bAV nicht zwingend bei einem anderen Versorgungsträger durchführen als der bisherige Arbeitgeber; er kann den bestehenden Vertrag auch fortführen (Versicherungsnehmerwechsel von bisherigem Arbeitgeber auf neuen Arbeitgeber), ohne dass eine Übernahme der arbeitsrechtlichen Zusage besteht. Anstelle der Überweisung des gebildeten Deckungskapitals wird dann als Übertragungswert die gesamte Versicherung mitgegeben. Dies wird in Ausnahmefällen dann gewünscht, wenn der neue Arbeitgeber (zufällig) bereits Kunde dieses Versicherers ist. Für den Arbeitnehmer ist dies regelmäßig vorteilhaft, weil der bestehende Leistungsinhalt dem Grunde nach nicht geändert und auch der Höchstzinssatz für garantierte Versorgungsleistungen beibehalten wird.

Rechtsanspruch auf Portabilität in bestimmten Fällen

Bei Zusagen auf bAV, die ab dem 01.01.2005 erteilt werden (§ 30b BetrAVG), hat der Arbeitnehmer unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Portabilität mit Übertragungswert (§ 4 Abs. 3 BetrAVG).

Der Rechtsanspruch auf Portabilität gilt nur, wenn die bAV über einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung durchgeführt worden ist und der Übertragungswert die Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung nicht übersteigt. Hat der Arbeitnehmer zuvor im Weg der versicherungsförmigen Lösung den Vertrag nach dem Dienstaustritt beim alten Arbeitgeber privat weitergeführt, besteht der Übertragungsanspruch gegenüber dem Versorgungsträger.

GDV-Übertragungsabkommen

Bei der Übertragung mit dem Übertragungswert (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 BetrAVG) sei auf die Nutzung des GDV-Übertragungsabkommens hingewiesen (Abruf-Nr. 244845).

Versorgungsträger ist Mitglied des Übertragungsabkommens

Dem GDV-Übertragungsabkommen sind etliche Versicherer und Pensionskassen sowie Pensionsfonds beigetreten. In diesem Fall wird

  • zwar beim neuen Arbeitgeber auch eine neue Versicherung abgeschlossen,
  • aber es werden bei der Übertragung keine neuen Abschlusskosten fällig und es ist keine erneute Gesundheitsprüfung erforderlich; weiter bestehen keine Begrenzungen bzgl. der Höhe des zu übertragenden Werts.

Für die Übertragung existieren eigene Formulare, die vom GDV zur Verfügung gestellt werden. Diese Variante wird regelmäßig in der Praxis gewählt, wenn beide involvierten Versorgungsträger Mitglied des Übertragungsabkommens sind. Aktuell sind dies 97 Unternehmen.

Versorgungsträger ist kein Mitglied des Übertragungsabkommens

Für den Fall, dass der Versorgungsträger (z. B. eine Pensionskasse) dem Abkommen nicht beigetreten ist, hat der Arbeitnehmer dennoch unter den genannten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Portabilität, allerdings eben ohne Nutzung der Vorteile des Übertragungsabkommens.

Ist diese Form der Weiterführung der bAV für ihn nicht vorteilhaft, kann er entweder seine unverfallbare Anwartschaft beim ehemaligen Arbeitgeber belassen oder, wenn möglich, den Vertrag im Weg der versicherungsförmigen Lösung privat beitragsfrei oder beitragspflichtig weiterführen.

Mitnahme der bAV bei Arbeitgeberwechsel steuerfrei

Die Mitnahme der bAV bei Arbeitgeberwechsel ist für den Arbeitnehmer steuerfrei. Das ergibt sich aus § 3 Nr. 55 S. 1 EStG.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Bei vorzeitigem Ausscheiden und Mitnahme einer Direktversicherung oder eines Pensionskassenvertrags zum Folgearbeitgeber sollte der neue Arbeitgeber zunächst prüfen, ob ein Rechtsanspruch auf Portabilität besteht. Ist dies nicht der Fall, muss er der Weiterführung der bestehenden bAV in seinem Unternehmen nicht zustimmen. Er kann und sollte natürlich dennoch prüfen, ob er dazu bereit ist. Wenn ja, sollte geprüft werden, ob der Arbeitnehmer mit der Übertragung mit Übertragungswert (anstelle der Übernahme der Zusage, auf die kein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers besteht!) einverstanden ist und, wenn ja, ob das GDV-Übertragungsabkommen anwendbar ist. Ist der neue Arbeitgeber bereit, bei dem Versicherungsunter-nehmen, bei dem der Vertrag besteht, den Vertrag weiterzuführen, sollte die Option geprüft werden, den bisherigen Vertrag weiterzuführen, jedoch auf Basis des § 4 Abs. 2 Nr. 2 (nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG). Wenn mit der Portabilität ein Neuabschluss (zu aktuellen Rechnungsgrundlagen) verbunden ist, kann es für den Arbeitnehmer sinnvoller sein, den bestehenden Vertrag (beitragsfrei oder beitragspflichtig) privat weiterzuführen oder (beitragsfrei) beim alten Arbeitgeber zu belassen. Wünscht der Arbeitnehmer explizit die Übernahme der Zusage nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG, sollte der neue Arbeitgeber genau prüfen (lassen), ob dies aus seiner Sicht keine Risiken birgt.

AUSGABE: LGP 4/2025, S. 92 · ID: 50239331

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