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ReisekostenFührt das Arbeiten in einem Co-Working-Space zu Reisekosten?

Top-Beitrag Abo-Inhalt 04.09.2024 7 Min. Lesedauer Von StB Dipl.-Finw. (FH) Susanne Weber, Rödl & Partner, München

| Neben dem klassischen Arbeitsplatz im Unternehmen oder den eigenen vier Wänden bieten Co-Working Spaces (auch Coworking Spaces) als „dritte Orte“ eine alternative Möglichkeit des Arbeitens. Nutzen Arbeitnehmer Co-Working-Spaces, stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber hier Reisekosten erstatten können. LGP geht in diesem Beitrag der Frage nach. |

Co-Working-Spaces – alternative Möglichkeit des Arbeitens

Da es Unternehmen ihren Arbeitnehmern inzwischen oft ermöglichen, von einem beliebigen Ort zu arbeiten und tägliche Büropräsenz nicht mehr als erforderlich angesehen wird, wohnen Arbeitnehmer inzwischen oft sehr weit weg vom Betrieb des Arbeitgebers und arbeiten von zuhause. Nicht immer ist die Wohnung des Arbeitnehmers aber geeignet, die gesamte Arbeitsleistung zu erbringen.

Eine Alternative zum Arbeiten von zuhause könnte in solchen Fällen ein Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space sein, in dem der Arbeitnehmer an einem voll ausgestatteten Arbeitsplatz seine Büroarbeiten verrichten kann. Die Angebote hierfür sind inzwischen vielfältig. Arbeitsplätze können stundenweise, tageweise oder auch längere Zeit angemietet werden. Es gibt feste und flexible Arbeitsplätze inkl. Infrastruktur (z. B. Internet, Küche) und manchmal auch Besprechungsräume, um sich mit Kunden und Kollegen auszutauschen.

Doch wie sind Reisekostenerstattungen an die Arbeitnehmer in diesen Fällen steuerlich zu behandeln?

Das gilt in punkto Reisekosten

Bekanntlich liegen Reisekosten vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb seiner Wohnung und nicht an seiner ersten Tätigkeitsstätte beruflich tätig wird. Es ist daher zu prüfen, ob ein Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space eine erste Tätigkeitsstätte sein kann.

Erste Tätigkeitsstätte

Erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens (§ 15 AktG) oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, der der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist (vgl. § 9 Abs. 4 S. 1 EStG) oder an der der Arbeitnehmer dauerhaft in einem bestimmten zeitlichen Umfang (arbeitstäglich, mindestens zwei volle Arbeitstage pro Woche oder ein Drittel der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit) tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 S. 4 EStG).

Betriebliche Einrichtung

Eine erste Tätigkeitsstätte kann auch vorliegen, wenn der Arbeitnehmer statt beim eigenen Arbeitgeber in einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung eines Dritten tätig werden soll (BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219558, Rz. 5).

Das häusliche Arbeitszimmer des Arbeitnehmers ist keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers oder eines Dritten. Daher kann es keine erste Tätigkeitsstätte sein. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber vom Arbeitnehmer einen oder mehrere Arbeitsräume anmietet, die der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen sind. Auch in diesem Fall handelt es sich bei einem häuslichen Arbeitszimmer um einen Teil der Wohnung des Arbeitnehmers (vgl. Rz. 4 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020, BStBl. 2020 I, 1228).

Ein Co-Working Space, den der Arbeitgeber anmietet, ist m. E. aber als betriebliche Einrichtung anzusehen. Denn er ist nicht der Wohnung des Arbeitnehmers zuzurechnen. Daher kann dem Grunde nach eine erste Tätigkeitsstätte dort gegeben sein.

Zuordnung

Ist der Arbeitnehmer einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet im Sinne des § 9 Abs. 4 S. 1 EStG, kommt es auf den Umfang bzw. die Häufigkeit, in der er seine Tätigkeit dort erbringt, nicht an (vgl. Rz. 8 des BMF-Schreibens vom 25.11.2020). Folge der Zuordnung: Alle weiteren Tätigkeitsstätten sind dann auswärtige Tätigkeitsstätten und führen zu steuerfrei erstattbaren Reisekosten.

Für die Zuordnung kommt es nicht darauf an, dass der Arbeitnehmer an der jeweiligen betrieblichen Einrichtung überwiegend tätig ist oder ob er dort den inhaltlichen/qualitativen Schwerpunkt seiner Arbeitsleistung erbringt. Es reicht vielmehr aus, dass er dort einen Teil der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu erbringen hat und dass diese Tätigkeiten zu dem vom Arbeitnehmer ausgeübten Berufsbild gehören (vgl. z. B. BFH, Urteil vom 04.04.2019, Az. VI R 27/17, Abruf-Nr. 209985, Rz. 18 f.; BFH, Urteil vom 11.04.2019, Az. VI R 40/16, Abruf-Nr. 210003, Rz. 25 f; BFH, Urteil vom 30.09.2020, Az. VI R 11/19, Abruf-Nr. 219779, Rz. 20).

Dauerhaft

Dauerhaft ist eine Zuordnung, wenn sie unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus getroffen wurde (vgl. § 9 Abs. 4 S. 3 EStG).

  • Eine unbefristete Zuordnung zu einer Tätigkeitsstätte liegt vor, wenn sie nicht kalendermäßig bestimmt ist und sich auch nicht aus Art, Zweck oder Beschaffenheit der Arbeitsleistung ergibt.
  • Eine Zuordnung für die Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses liegt vor, wenn sie für die gesamte Dauer des Arbeits- oder Dienstverhältnisses Bestand haben soll.

Bei einem befristeten Beschäftigungsverhältnis kommt eine unbefristete Zuordnung zu einer ersten Tätigkeitsstätte nicht in Betracht. Allerdings kann eine Zuordnung für die Dauer des Dienstverhältnisses vorliegen, sodass dennoch eine erste Tätigkeitsstätte besteht (vgl. BFH, Urteil vom 10.04.2019, Az. VI R 6/17, Abruf-Nr. 209989).

Zurück zum Co-Working-Space: Für eine dauerhafte Zuordnung des Arbeitnehmers ist es nicht relevant, wie lange der Co-Working-Space angemietet ist. Entscheidend ist, was zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart ist. Mietet der Arbeitgeber z. B. für die Dauer von einem Jahr Arbeitsplätze in einem Co-Working-Space an und ordnet er den Arbeitnehmer diesem „bis auf weiteres“ – also ohne vereinbartes Ende zu, liegt eine dauerhafte Zuordnung vor (vgl. BMF, Schreiben vom 25.11.2020, Az. IV C 5 – S 2353/19/10011 :006, Abruf-Nr. 219558, Rz. 14)

Vom Arbeitgeber angemieteter Bereich und Reisekosten

Eine dauerhafte Zuordnung zum Co-Working-Space ist also möglich, bzw. die zeitlichen Kriterien können dauerhaft erfüllt sein, auch wenn der Co-Working-Space vom Arbeitgeber nur vorübergehend angemietet wurde. Daher kann ein vom Arbeitgeber angemieteter Co-Working-Space erste Tätigkeitsstätte des Arbeitnehmers sein. Das bedeutet: Der Arbeitgeber darf Fahrtkosten und Verpflegungsmehraufwendungen nicht steuerfrei erstatten.

In diesen Fällen gilt der Co-Working-Space als erste Tätigkeitsstätte

Eine erste Tätigkeitsstätte im Co-Working-Space liegt z. B. vor, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space anmietet und

  • den unbefristet angestellten Arbeitnehmer dort dauerhaft, d. h. ohne Befristung zuordnet (z. B. „bis auf Weiteres“),
  • den befristet angestellten Arbeitnehmer für die Dauer seines befristeten Dienstverhältnisses zuordnet oder
  • der Arbeitnehmer, der nicht einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet wurde, dort dauerhaft (z. B. bis auf Weiteres) an mindestens drei Tagen pro Woche tätig werden soll.

Folge: In diesen Fällen dürfen Arbeitgeber Reisekosten und Verpflegungspauschalen nicht steuerfrei erstatten.

In diesen Fällen liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor

Keine erste Tätigkeitsstätte liegt im Co-Working-Space vor, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space anmietet und

  • der Arbeitnehmer seine erste Tätigkeitsstätte weiter im Betrieb des Arbeitgebers haben soll und diesem weiterhin dauerhaft zugeordnet ist,
  • der Arbeitnehmer diesem nur vorübergehend (z. B. für die Dauer eines Projekts) zugeordnet wird,
  • der Arbeitnehmer, der nicht einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet wurde, dort dauerhaft (z. B. „bis auf Weiteres“) an nicht mehr als zwei Tagen pro Woche tätig werden soll oder
  • der Arbeitnehmer, der nicht einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet wurde, dort nur vorübergehend (und weniger als 48 Monate) tätig werden soll.

Folge: In diesen Fällen dürfen Reisekosten und Verpflegungspauschalen steuerfrei erstattet werden. Für die Verpflegungspauschalen ist allerdings die Dreimonatsfrist zu beachten.

Beispiel

Für den unbefristet beschäftigten Arbeitnehmer A, der nicht einer betrieblichen Einrichtung zugeordnet wurde, mietet der Arbeitgeber befristet für ein Projekt für 18 Monate einen Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space an. Kurz vor Ablauf der 18 Monate wird das Projekt und der Co-Working-Space um 18 Monate verlängert. Als auch diese 18 Monate auslaufen, folgt eine erneute Verlängerung für 18 Monate.
Lösung: Obwohl A rückblickend betrachtet die Grenze von 48 Monaten überschreitet (insgesamt 54 Monate), begründet A keine erste Tätigkeitsstätte. Denn bei in die Zukunft gerichteter Betrachtung konnte A zu keiner Zeit davon ausgehen, länger als 48 Monate im Co-Working-Space tätig zu werden. A kann Reisekosten für die gesamte Zeit, Verpflegungspauschalen aber nur in den ersten drei Monaten steuerfrei erstattet erhalten.

Vom Arbeitnehmer angemieteter Co-Working-Space

Mietet sich der Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz in einem Co-Working-Space, liegt m. E. keine betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers vor. Der vom Arbeitnehmer angemietete Arbeitsplatz kann daher keine erste Tätigkeitsstätte sein.

Reisekosten und Verpflegungspauschalen sind steuerfrei möglich

Der Arbeitgeber kann in diesen Fällen Reisekosten und Verpflegungspauschalen steuerfrei erstatten, wenn er dies will. Für die Verpflegungspauschalen ist allerdings die Dreimonatsfrist zu beachten.

Mietkosten des Arbeitsplatzes sind Werbungskosten

Da der vom Arbeitnehmer angemietete Arbeitsplatz in einem Co-Working- Space kein häusliches Arbeitszimmer ist, darf der Arbeitnehmer nicht die sog. Home-Office Pauschale von derzeit sechs Euro pro Tag als Werbungskosten ansetzen. Vielmehr kann er Mietkosten des Arbeitsplatzes als Werbungskosten abziehen. Das Abzugsverbot für ein häusliches Arbeitszimmer greift m. E. nicht.

Für den Abzug von Werbungskosten kommt es auch nicht darauf an, ob die Aufwendungen notwendig, üblich oder zweckmäßig sind. Der Steuerpflichtige kann entscheiden, welche Aufwendungen er zur Erzielung von Einnahmen machen will und diese bei entsprechender beruflicher Veranlassung als Werbungskosten abziehen, auch wenn sein Handeln unwirtschaftlich war (vgl. Schmidt/Krüger EStG § 9 Rz. 46).

Keine steuerfreie Erstattung der Mietkosten möglich

Eine steuerfreie Erstattung der Kosten für den Arbeitsplatz im Co-Working-Space durch den Arbeitgeber ist aber nicht möglich. Denn die Erstattung von sonstigen Werbungskosten führt zu steuerpflichtigem Arbeitslohn (vgl. R 19.3 Abs. 3 LStR).

Ausgabe: 10/2024, S. 193 · ID: 50132326

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