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KapitalgesellschaftenRoll-over-Modell zur Heilung „vergessener“ Einlagen der Gesellschafter im steuerlichen Einlagekonto

Abo-Inhalt04.08.2025159 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Hans Ott, StB/vBP, Köln

| Zu einem „Klassiker“ des Steuerrechts gehören Einlagen der Gesellschafter in eine Kapitalgesellschaft, die in der Feststellungserklärung nach § 27 Abs. 2 KStG versehentlich nicht als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto erfasst werden. Im Ergebnis führen solche „vergessenen“ Einlagen zu bestandskräftigen Feststellungsbescheiden i. S. d. § 27 Abs. 2 KStG, die weder einen Zugang noch einen (veränderten) Endbestand des steuerlichen Einlagekontos enthalten. Eine nachträgliche Berücksichtigung „vergessener“ Einlagen in Folgebescheiden wird durch die Grundlagenfunktion des Feststellungsbescheids nach § 27 Abs. 2 S. 2 KStG verhindert. Die spätere Rückzahlung der geleisteten Einlagen führt dann aufgrund der materiell-rechtlichen Bindungswirkung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG (vgl. BFH 11.2.15, I R 3/14, BStBl II 15, 816) zu einer der Kapitalertragsteuer unterliegenden Auszahlung und beim Anteilseigner zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen i. S. v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. |

1. BFH-Urteil vom 25.2.25 – VIII R 41/23

Mit dem Urteil vom 25.2.25 (VIII R 41/23, DStR 25, 1203), dessen praktische Auswirkungen kürzlich in dieser Zeitschrift bereits ausführlich dargestellt worden sind (vgl. Mayer, GStB 25, 258 ff.), hat der BFH entschieden, dass „vergessene“ Einlagen im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht zu einem Sonderausweis nach § 28 Abs. 1 S. 3 KStG führen. Damit hat der BFH die in der Literatur vorgeschlagene Doppelmaßnahme in Form einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit anschließender Kapitalherabsetzung „abgesegnet“, die als „Heilungsmöglichkeit“ für „vergessene“ Einlagen diskutiert wurde (vgl. Binnewies, GmbHR 15, 1065, 1069, Ott, DStR 14, 673, 675). Die Durchführung der Doppelmaßnahme stellt nach überwiegender Meinung in der Literatur auch keinen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO dar. Die im Urteilsfall vorgenommene Kapitalherabsetzung, die nur ein Jahr nach der Kapitalerhöhung erfolgte, hat den BFH jedenfalls nicht dazu veranlasst, einen Gestaltungsmissbrauch überhaupt zu prüfen.

Im o. a. Urteil vom 25.2.25 hat der BFH unter Hinweis auf den Gesetzeswortlaut und die Gesetzgebungsgeschichte klargestellt, dass „vergessene“ Einlagen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln auch nicht nach dem Sinn und Zweck des § 28 Abs. 1 S. 3 KStG oder aus systematischen Erwägungen zu einem Sonderausweis führen. Der BFH ist damit nicht der überwiegend in der Literatur vertretenen Ansicht gefolgt (vgl. z. B. Dötsch/Werner in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 28 KStG, Rz. 41, Stand: 9/2024; Stimpel in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 23, § 28 Rz. 37a), wonach unter „Einlagen der Anteilseigner“ i. S. d. § 28 Abs. 1 S. 3 KStG nur solche zu verstehen sind, die zuvor als Zugang zum Einlagekonto gesondert festgestellt worden sind. Vielmehr hat sich der BFH der allein auf den Wortlaut der Vorschrift gestützten Gegenansicht angeschlossen, wonach Einlagen der Anteilseigner materiell-rechtlich zu verstehen sind und daher vom Sonderausweis ausgenommen sind (zu dieser Gegenansicht vgl. Binnewies in: Streck, KStG, 10. Aufl. 22, § 28 Rz. 23; ders., GmbHR 15, 1065, 1069; Ott, DStZ 16, 227, 232; ders., DStR 14, 673, 675).

Es mag dahinstehen, ob der Gesetzgeber „unsauber formuliert“ hat oder eine „sprachliche Ungenauigkeit“ vorliegt (so Mayer, GStB 25, 260 bzw. 261). Der BFH hat jedenfalls überzeugend herausgearbeitet, dass „vergessene“ Einlagen nach § 28 Abs. 1 S. 3 KStG nicht zu einem Sonderausweis führen und in diesem Zusammenhang auch ausgeführt, der Gesetzgeber habe das Tatbestandsmerkmal in § 28 Abs. 1 S. 3 KStG „aus Einlagen der Anteilseigner“ zumindest bewusst formuliert.

Beachten Sie | Weil sich das BFH-Urteil vom 25.2.25 gegen die Ansicht der Finanzverwaltung richtet, ist damit zu rechnen, dass diese – wie oftmals in solchen Fällen – eine entsprechende Gesetzesänderung initiieren wird. Diese wird dann sicherlich politisch mit dem nebulösen Hinweis „verkauft“, dass anderenfalls § 28 KStG Steuergestaltungen ermögliche. Wie dies inzwischen regelmäßig der Fall ist, werden diese Steuergestaltungen nicht näher spezifiziert, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die parlamentarischen Gremien ohnehin kaum in der Lage oder Willens sind, sich mit einer solchen Argumentation hinreichend auseinanderzusetzen.

Das BFH-Urteil vom 25.2.25 hat sich zwar nur mit der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als dem ersten Schritt der Doppelmaßnahme beschäftigt. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass die Kapitalherabsetzung im zweiten Schritt dazu führt, dass der Herabsetzungsbetrag nach § 28 Abs. 2 S. 1 KStG dem steuerlichen Einlagekonto „gutzuschreiben“ ist. Bei einer Auszahlung an die Gesellschafter in unmittelbarem Anschluss an die Kapitalherabsetzung erfolgt nach § 28 Abs. 2 S. 3 KStG ein Direktzugriff auf das Einlagekonto.

Merke | Ein solcher Direktzugriff liegt nach dem BFH-Urteil vom 21.10.14 (I R 31/13, BStBl II 16, 411) vor, wenn die Rückzahlung zeitnah zur Kapitalherabsetzung erfolgt und zweifelsfrei erkennbar ist, dass die Auszahlung aus dieser Kapitalherabsetzung herrührt. Anderenfalls liegt eine Ausschüttung vor, die unter Beachtung der Verwendungsreihenfolge nach § 27 Abs. 1 S. 3 KStG erfolgt.

Beachten Sie | Ist eine Auskehrung des Kapitalherabsetzungsbetrags ganz oder teilweise geplant, sollte bereits im Herabsetzungsbeschluss klar und eindeutig festgelegt werden, in welcher Höhe der Herabsetzungsbetrag lediglich in die Kapitalrücklage umgebucht wird oder zur Auszahlung kommen soll.

2. Vor- oder nachrangige Berücksichtigung „vergessener“ Einlagen im Sonderausweis?

Das BFH-Urteil vom 25.2.25 hat eine für die Praxis relevante Frage nicht ausdrücklich angesprochen. Diese Frage soll nachfolgend anhand des leicht abgewandelten Beispiels von Mayer (GStB 25, 261) diskutiert werden.

Beispiel

Die X-GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 EUR verfügt zum 31.12.24 über eine in der Bilanz ausgewiesene Kapitalrücklage von 400.000 EUR (entstanden aus einer „vergessenen“ Gesellschaftereinlage) sowie eine Gewinnrücklage von 500.000 EUR. Im Jahr 25 wird das Stammkapital der X-GmbH durch Umwandlung der Kapitalrücklage und der Gewinnrücklage um 500.000 EUR erhöht. Zur Umwandlung in Stammkapital dürfen nach § 57d Abs. 1 GmbHG nur Kapital- und Gewinnrücklagen verwendet werden oder Beträge, die im letzten Beschluss über die Verwendung des Jahresergebnisses diesen Rücklagen zugeführt wurden. Zum 31.12.24 wurde kein Bestand im steuerlichen Einlagekonto gesondert festgestellt.

Lösung: Nach der Reihenfolgeregelung in § 28 Abs. 1 S. 1 KStG wird für die Kapitalerhöhung vorrangig der positive Bestand des steuerlichen Einlagekontos (hier: 0 EUR) verwendet und für den Restbetrag (= 500.000 EUR) die sonstigen Rücklagen. Von dem danach entstehenden Sonderausweis von 500.000 EUR sind nach § 28 Abs. 1 S. 3 KStG die aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträge (= 400.000 EUR) auszunehmen, sodass der Sonderausweis 100.000 EUR beträgt.

Die Vorgehensweise in der vorstehenden Lösung unterstellt, dass für die Kapitalerhöhung vorrangig die aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträge verwendet werden. Würde im Beispielsfall eine Kapitalerhöhung i. H. v. 900.000 EUR vorgenommen, so ergäbe sich unstreitig ein Sonderausweis von 500.000 EUR, weil von den sonstigen Rücklagen von insgesamt 900.000 EUR die aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträge von 400.000 EUR zum Abzug zu bringen sind. Derzeit nicht abschließend geklärt ist jedoch, ob dies auch gilt, wenn der Kapitalerhöhungsbetrag die Summe der sonstigen Rücklagen unterschreitet.

Im Urteil vom 25.2.25 konnte der BFH diese Frage offenlassen, weil nach dem zugrunde liegenden Sachverhalt in der Bilanz lediglich eine Kapitalrücklage von 10 Mio. EUR ausgewiesen war, die in voller Höhe aus „vergessenen“ Einlagen der Anteilseigner stammte. Bezogen auf das vorstehende Beispiel kämen im Hinblick auf „vergessene“ Einlagen (nach Abzug eines ggf. festgestellten Bestands des Einlagekontos, der hier mit 0 EUR angenommen wird) verschiedene Fallgruppen in Betracht, wobei ggf. die Formulare zur Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos nach § 27 Abs. 2 KStG entsprechend angepasst werden müssten:

Übersicht

Fallgruppe

Vorgehensweise

Sonderausweis

1

Vorrangige Minderung des Sonderausweises von 500.000 EUR um „vergessene“ Einlagen der Anteilseigner von 400.000 EUR

100.000 EUR

2

Nachrangige Minderung des Sonderausweises von 500.000 EUR um „vergessene“ Einlagen der Anteilseigner

500.000 EUR

3

Meistbegünstigungsregelung mit „freihändiger“ Bestimmung, in welcher Höhe „vergessene“ Einlagen vom Sonderausweis von 500.000 EUR auszunehmen sind, sodass z. B. bei einer Kürzung um 200.000 EUR der Sonderausweis noch 300.000 EUR beträgt

300.000 EUR

4

Minderung des Sonderausweises im Verhältnis der aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträge zur Summe der sonstigen Rücklagen (im Beispiel: 400.000 EUR/900.000 EUR = 44,4 %), sodass der Sonderausweis von 500.000 EUR um 222.000 EUR zu mindern ist

278.000 EUR

5

Minderung des Sonderausweises im Verhältnis der aus Einlagen der Anteilseigner stammenden Beträgen zur Kapitalerhöhung (im Beispiel: 400.000 EUR/500.000 EUR = 80 %), sodass der Sonderausweis von 500.000 EUR um 400.000 EUR zu mindern ist

100.000 EUR

Die verschiedenen Fallgruppen führen zu folgenden Ergebnissen:

Fallgruppe

Nennkapital

Sonstige Rücklagen

Sonderausweis

Stand: 31.12.24

50.000 EUR

900.000 EUR

0 EUR

1

Kapitalerhöhung

+ 500.000 EUR

− 500.000 EUR

+ 100.000 EUR

2

Kapitalerhöhung

+ 500.000 EUR

− 500.000 EUR

+ 500.000 EUR

3

Kapitalerhöhung

+ 500.000 EUR

− 500.000 EUR

+ 300.000 EUR

4

Kapitalerhöhung

+ 500.000 EUR

− 500.000 EUR

+ 278.000 EUR

5

Kapitalerhöhung

+ 500.000 EUR

− 500.000 EUR

+ 100.000 EUR

Stand: 31.12.25

550.000 EUR

400.000 EUR

100.000 EUR bis 500.000 EUR

Das Beispiel zeigt, dass – abhängig von der gewählten Vorgehensweise – die Höhe des Sonderausweises von 100.000 EUR bis 500.000 EUR variieren kann. Bei zutreffender Erfassung der Einlage von 400.000 EUR als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto hätte sich im vorstehenden Beispiel eine Lösung nach der Fallgruppe 1 bzw. nach den hier verwendeten Zahlen eine Lösung nach Fallgruppe 5 ergeben. Unterstellt man dagegen nach der vom BFH im Urteil vom 25.2.25 verworfenen Ansicht, dass nur die im Einlagekonto gesondert festgestellten Einlagen der Anteilseigner vom Sonderausweis ausgenommen sind, so ergäbe sich im vorstehenden Beispiel ein Sonderausweis i. H. v. 500.000 EUR (Fallgruppe 2).

Nach Ansicht des BFH im Urteil vom 25.2.25 soll der Sonderausweis im Rahmen einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln die Ausschüttungsbesteuerung von versteuerten Gewinnen der Kapitalgesellschaft sichern. Die Rechtsfolge der Ausschüttungsbesteuerung ist bei „vergessenen“ Einlagen allerdings nicht gerechtfertigt. Sie widerspricht der sich aus der Zusammenschau von § 20 Abs. 1 S. 3 und Nr. 2 EStG ergebenden Grundannahme, dass Einlagen – vorbehaltlich der Erfüllung gesetzlicher Voraussetzungen – steuerfrei zurückgezahlt werden können (vgl. Ratschow in: Brandis/Heuermann, § 20 EStG, Rz. 18).

Beachten Sie | Eine Steuerbarkeit kann sich aber ungeachtet dessen z. B. nach § 20 Abs. 8 i. V. m. § 17 Abs. 4 S. 1 EStG oder nach § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 UmwStG ergeben. Die vom BFH vertretene Ansicht könnte – neben den gesondert festgestellten Beständen nach § 28 Abs. 1 S. 1 KStG im steuerlichen Einlagekonto – für eine vorrangige Kürzung der „vergessenen“ Einlagen bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln sprechen.

3. Kosten der Doppelmaßnahme nicht zu unterschätzen

Abgesehen von der vorstehend skizzierten Frage nach der vorrangigen Minderung des Sonderausweises durch „vergessene“ Einlagen erlaubt das o. a. BFH-Urteil vom 25.2.25 eine nachträgliche Rettung vergessener Feststellungen des steuerlichen Einlagekontos durch eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit anschließender Kapitalherabsetzung. Die einzelnen Schritte dieser Doppelmaßnahme wurden bereits ausführlich in dieser Zeitschrift dargestellt (vgl. Mayer, GStB 25, 258 ff.). Dabei wurde auch zutreffend darauf hingewiesen, dass sowohl die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln als auch die anschließende Kapitalherabsetzung als satzungsändernde Maßnahmen den umfangreichen Regelungen der §§ 57c bis 57o GmbHG sowie § 58 GmbHG unterliegen.

Neben den anfallenden Notar- und Registerkosten sind somit bei Durchführung der Doppelmaßnahme auch die Kosten für eine Abschlussprüfung (wenn nicht ohnehin eine solche stattfindet) in den Blick zu nehmen, weil nach § 57e Abs. 1 bzw. § 57f Abs. 2 GmbHG die letzte der Kapitalerhöhung zugrunde liegende Jahresbilanz oder eine Zwischenbilanz mit dem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk der Abschlussprüfer versehen sein muss. Dies gilt auch bei einer kleinen GmbH i. S. d. § 267 Abs. 1 HGB und sogar bei einer Kleinst-GmbH i. S. d. § 267a HGB (einschließlich der UG haftungsbeschränkt), obwohl für den regulären Jahresabschluss keine Prüfungspflicht nach § 316 Abs. 1 HGB besteht.

Die gesellschaftsrechtlichen Anforderungen und vor allem die hierfür anfallenden Kosten verdeutlichen, dass die Doppelmaßnahme als Heilung für „vergessene“ Einlagen grundsätzlich nur bei nennenswerten Größenordnungen zu empfehlen sein dürfte.

4. Steuerschaden durch „vergessene“ Einlagen?

Die besondere Problematik „vergessener“ Einlagen besteht in der Praxis regelmäßig darin, dass z. B. offene und verdeckte Gewinnausschüttungen nach der Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs. 1 S. 3 KStG bei einem fehlenden festgestellten Bestand des steuerlichen Einlagekontos zum ausschüttbaren Gewinn gehören. Ausschüttungen an Gesellschafter sind dann nach § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG steuerpflichtig und unterliegen bei der ausschüttenden Gesellschaft – anders als eine Einlagenrückgewähr – der Kapitalertragsteuer. Wegen der anfallenden Kapitalertragsteuer bzw. der Besteuerung mit Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG oder dem Teileinkünfteverfahren wird dies in der Praxis nicht selten als „Steuerschaden“ empfunden. In diesen Fällen wird regelmäßig der steuerliche Berater in Haftung genommen, wenn dieser die unterbliebene Erfassung im steuerlichen Einlagekonto verursacht hat.

Die Dimension eines solchen Steuerschadens verdeutlicht auch das o. a. BFH-Urteil vom 25.2.25. Denn ohne die Vornahme der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln hätte im Streitfall eine spätere Ausschüttung der vergessenen“ Einlage von 10 Mio. EUR eine Kapitalertragsteuer von 2,5 Mio. EUR zzgl. 5,5 % Solidaritätszuschlag i. H. v. 137.500 EUR ausgelöst. Die nunmehr vom BFH mit dem o. a. Urteil vom 25.2.25 abgesegnete Doppelmaßnahme wird auch deshalb von besonderem Interesse sein, weil damit etwaige Schadenersatzansprüche – unter Übernahme der Kosten für die vorstehend skizzierten gesellschaftsrechtlichen Verpflichtungen – deutlich gemindert werden können.

Wie bereits häufiger dargestellt, löst eine „vergessene“ Einlage aber bei einer Gesamtbetrachtung der Ebene der Kapitalgesellschaft und des Gesellschafters regelmäßig keinen endgültigen Steuerschaden aus (zur Heilung durch eine Liquidation der GmbH vgl. Ott, GStB 23, 95, 100 ff.; so auch der Hinweis, BFH 21.12.22, I R 53/19, BStBl II 23, 504). Denn auch „vergessene“ Einlagen, die nicht als Zugang zum Einlagekonto erfasst worden sind, führen beim Gesellschafter zu nachträglichen Anschaffungskosten seiner Beteiligung und können z. B. bei der Veräußerung der GmbH-Anteile, bei einer Umwandlung der GmbH oder spätestens bei der Liquidation steuermindernd berücksichtigt werden.

Die um die Einlagen erhöhten Anteils-Anschaffungskosten führen dann regelmäßig zu einem Veräußerungs- oder Auflösungsverlust, womit die Steuerbelastung bei der Ausschüttung einer „vergessenen“ Einlage ausgeglichen werden kann. Der eingetretene temporäre Steuerschaden kann somit oftmals vollständig neutralisiert werden und beschränkt sich auf den Zinsschaden aufgrund der verfrühten Steuerzahlung infolge der Ausschüttung. Dies gilt zumindest dann, wenn für die Ausschüttung und den Veräußerungs- oder Auflösungsverlust das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung kommt und – idealtypisch – die Ausschüttung und die Veräußerung der Anteile bzw. die Auflösung der Gesellschaft im selben Veranlagungszeitraum erfolgen.

5. Interne Veräußerung durch Roll-over-Modell bei „vergessenen“ Einlagen

Oftmals wird eine zeitnahe Veräußerung der Anteile an fremde Dritte, die Liquidation der Kapitalgesellschaft oder die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht in Betracht kommen, sodass nach anderen Wegen gesucht werden muss, um die einlagebedingt erhöhten Anschaffungskosten der Beteiligung zu nutzen. Als Gestaltungsmöglichkeit bietet sich in diesen Fällen z. B. die „interne Veräußerung“ im Wege des sog. Roll-over-Modells an. Dabei wird die zuvor im Wert geminderte Beteiligung an eine eigene GmbH oder GmbH & Co. KG – vergleichbar einer Veräußerung an sich selbst – entgeltlich übertragen, um einen Veräußerungsverlust zu generieren.

Die Funktionsweise des Roll-over-Modells, die im Vergleich zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit anschließender Kapitalherabsetzung regelmäßig weniger aufwendig ist, stellt sich z. B. bei einem GmbH-Gesellschafter mit Anteilen i. S. d. § 17 EStG wie folgt dar:

Beispiel

An der A-GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 EUR ist A als alleiniger Gründungsgesellschafter beteiligt. A hat in die A-GmbH durch Bareinzahlung in die Kapitalrücklage eine Gesellschaftereinlage von 1 Mio. EUR geleistet, die versehentlich nicht als Zugang zum steuerlichen Einlagekonto erfasst und daher auch nicht gesondert festgestellt wurde.

Lösung: Zur Heilung der „vergessenen“ Einlage werden folgende Schritte unternommen:

  • Im ersten Schritt wird bei der A-GmbH die Kapitalrücklage von 1 Mio. EUR in vollem Umfang aufgelöst, womit gleichzeitig eine Ausschüttung an den Gesellschafter A erfolgt. Der nach Abzug der Kapitalertragsteuer i. H. v. 250.000 EUR zzgl. Solidaritätszuschlag von 13.750 EUR (insgesamt 263.750 EUR) verbleibende Betrag von 736.250 EUR wird dem Gesellschafter-Verrechnungskonto des A (Fremdkapital) gutgeschrieben. Sind keine weiteren stillen Reserven bei der A-GmbH vorhanden, sinkt somit der gemeine Wert der Beteiligung durch die Rücklagenauflösung und die Gesellschafterverbindlichkeiten auf nur noch 25.000 EUR.
  • Unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG optiert A im Hinblick auf die Ausschüttung rechtzeitig (d. h. spätestens bis zur Abgabe der ESt-Erklärung für den VZ der Ausschüttung) zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens.
  • Im zweiten Schritt veräußert A seine Anteile an der A-GmbH zum Kaufpreis von 25.000 EUR z. B. an eine GmbH & Co. KG oder eine andere GmbH, deren (Allein-)Gesellschafter A ist. Alternativ kommt für diesen internen Roll-over auch die Übertragung auf eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG des A gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder die verdeckte Einlage der Beteiligung nach § 17 Abs. 1 S. 2 EStG in eine andere GmbH des A in Betracht.
  • In den vorgenannten Fällen stehen dem gemeinen Wert der Anteile von 25.000 EUR die um die „vergessene“ Einlage erhöhten Anschaffungskosten i. H. v. insgesamt 1.025.000 EUR (Stammeinlage von 25.000 EUR zzgl. Einlage von 1 Mio. EUR) gegenüber. Bei der Veräußerung ergibt sich ein Verlust i. S. d. § 17 EStG i. H. v. 1 Mio. EUR, der mit der zuvor erfolgten Gewinnausschüttung – bei richtigem Timing – im selben VZ verrechnet wird. Die Gewinnausschüttung und der Veräußerungsverlust von jeweils 1 Mio. EUR unterliegen beide dem Teileinkünfteverfahren, sodass die bei der Ausschüttung einbehaltene Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag vollständig erstattet werden kann.

Beim Roll-over-Modell werden die einlagebedingt erhöhten Anschaffungskosten der Anteile mobilisiert, sodass „vergessene“ Einlagen keinen definitiven „Steuerschaden“ auslösen. Derselbe Effekt tritt bei der Liquidation der GmbH ein, weil auch hier die erhöhten Anteils-Anschaffungskosten berücksichtigt werden und regelmäßig zu einem Auflösungsverlust führen.

Das Roll-over-Modell erfordert aufgrund der anfallenden Kapitalertragsteuer auf die Ausschüttung im ersten Schritt eine ausreichende Liquidität der GmbH. Diese dürfte bei einer „vergessenen“ Bareinlage des Gesellschafters regelmäßig vorhanden sein. Das Modell ist dagegen nicht geeignet, wenn die „vergessene“ Einlage z. B. auf der verdeckten Einlage einer Beteiligung oder der Einlage einer Kapitalforderung beruht.

Beachten Sie | Das „Roll-over-Modell“ kann grundsätzlich auch bei Anteilen eingesetzt werden, die bereits zum Betriebsvermögen eines Personenunternehmens gehören oder mit den einlagebedingten erhöhten Anschaffungskosten dort eingelegt wurden. Alternativ zum Verlust aus der Veräußerung der Anteile kann eine nach § 3c Abs. 2 EStG zu 60 % zu berücksichtigende Wertminderung auch durch die ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf den inneren Wert der Beteiligung herbeigeführt werden, womit die Ausschüttung aufgrund der Rücklagenauflösung neutralisiert werden kann. Die Übertragung der Beteiligung auf eine andere Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten ist dagegen nicht empfehlenswert, weil aufgrund der obligatorischen Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG in diesem Fall kein Veräußerungsverlust entstehen kann.

6. Umwandlung der Kapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen

Eine dem Roll-over-Modell vergleichbare Wirkung tritt ein, wenn im vorstehenden Beispiel die A-GmbH z. B. unter Fortführung der Buchwerte nach § 3 Abs. 2 UmwStG in eine Personengesellschaft umgewandelt (z. B. durch Verschmelzung/Formwechsel) oder auf den Alleingesellschafter verschmolzen wird. Im Rahmen der Umwandlung führt die „vergessene“ Einlage von 1 Mio. EUR bei der A-GmbH zu einer fiktiven und der Kapitalertragsteuer unterliegenden Gewinnausschüttung nach § 7 UmwStG, die nach Rn. 07.07 UmwSt-Erlass (BMF 2.1.25, IV C 2 – S 1978/00035/020/040, BStBl I 25, 92) dem Teileinkünfteverfahren unterliegt. Aber auch die einlagebedingt erhöhten Anschaffungskosten bzw. Buchwerte der Anteile an der A-GmbH i. H. v. 1.025.000 EUR werden bei Umwandlung – ggf. nach Anwendung der Einlage- und Überführungsfiktionen nach § 5 Abs. 2 oder 3 UmwStG – bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses nach § 4 Abs. 4 UmwStG dem Buchwert der von der A-GmbH übergegangenen Wirtschaftsgüter i. H. v. 1.025.000 EUR gegenübergestellt. Unter Kürzung der nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG steuerpflichtigen Bezüge nach § 7 UmwStG ergibt sich nach § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG – unter Vernachlässigung von Kosten für den Vermögensübergang – regelmäßig ein Übernahmeverlust von 1 Mio. EUR.

Nach § 4 Abs. 6 S. 4 UmwStG ist der Übernahmeverlust i. H. v. 60 %, maximal in Höhe der Bezüge i. S. d. § 7 UmwStG, zu berücksichtigen und kann damit i. H. v. 600.000 EUR (60 % von 1 Mio. EUR) mit der fiktiven Ausschüttung nach § 7 UmwStG in gleicher Höhe verrechnet werden. Die bei der fiktiven Ausschüttung nach § 7 UmwStG anfallende Kapitalertragsteuer zuzüglich Solidaritätszuschlag wird in vollem Umfang erstattet, sodass insoweit kein „Steuerschaden“ eintritt.

Beachten Sie | Das Umwandlungsmodell setzt voraus, dass der Übernahmeverlust mit der fiktiven Ausschüttung nach § 7 UmwStG verrechnet werden kann. Eine solche Verrechnung ist nicht möglich, soweit ein Übernahmeverlust vollständig außer Ansatz bleibt. Dies ist nach § 4 Abs. 6 S. 6 UmwStG i. V. m. Rn. 04.43 UmwSt-Erlass vor allem der Fall, soweit die Anteile an der A-GmbH – bei anteilsbezogener Betrachtungsweise – innerhalb der letzten fünf Jahre vor oder nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag entgeltlich erworben wurden. Sieht man in der Gründung der Kapitalgesellschaft ebenfalls einen entgeltlichen Anteilserwerb, gilt nach umstrittener Ansicht im Schrifttum Entsprechendes, wenn die A-GmbH erst innerhalb dieses Fünfjahreszeitraums gegründet wurde (vgl. Pung/Werner: in Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 4 UmwStG, Rz. 155; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl, UmwG/UmwStG, 10. Aufl. 24, § 4 UmwStG, Rz. 139, jeweils m. w. N.).

Die Anwendung von § 4 Abs. 6 S. 4 bzw. S. 6 UmwStG entfällt vollständig, soweit die „vergessenen“ Einlagen – wie beim Roll-over-Modell – z. B. kurz vor der Umwandlung mit Ausschüttungswirkung auf das Gesellschafterverrechnungskonto umgebucht werden und hierdurch der gemeine Wert der GmbH-Beteiligung sinkt. Gehören die Anteile vor der Umwandlung zum Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträgers, ist nach § 4 Abs. 1 S. 2 UmwStG i. V. m. Rn. 04.05 UmwSt-Erlass ausschüttungsbedingt eine Abstockung auf den gemeinen Wert als Höchstwert (der auch unter dem Buchwert liegen kann) vorzunehmen. Dieser sog. Beteiligungskorrekturverlust gehört laut BFH (30.7.14, I R 58/12, BStBl II 15, 199 zum Fall einer Aufwärtsverschmelzung von Kapitalgesellschaften) nicht zum Übernahmeergebnis, sondern unterfällt den allgemeinen Grundsätzen, sodass hierauf § 8b Abs. 3 KStG bzw. § 3c Abs. 2 EStG anzuwenden sind.

Beachten Sie | Die der Ermittlung des Übernahmeergebnisses nach § 4 Abs. 4 UmwStG bereits vorgelagerte Berücksichtigung des Beteiligungskorrekturverlusts i. H. v. 60 % (§ 3c Abs. 2 S. 1 EStG) schließt die in § 4 Abs. 6 S. 4 UmwStG vorgesehene Begrenzung auf 60 % der Bezüge i. S. d. § 7 UmwStG bzw. die vollständige Nichtberücksichtigung des Übernahmeverlusts nach § 4 Abs. 6 S. 6 UmwStG aus.

Soweit die Anteile an der Kapitalgesellschaft vor der Umwandlung zu einem Betriebsvermögen eines Anteilseigners gehören, gelten diese nach § 5 Abs. 3 UmwStG als in das Betriebsvermögen des übernehmenden Rechtsträger überführt. Der ausschüttungsbedingte Beteiligungskorrekturverlust ist dann nach § 5 Abs. 3 S. 2 UmwStG bereits im abgebenden Betriebsvermögen des Anteilseigners zu berücksichtigen und kann dort – ebenfalls ohne Einschränkungen nach § 4 Abs. 6 S. 4 und 6 UmwStG – zu 60 % berücksichtigt werden.

Fazit | Mit Urteil vom 25.2.25 hat der BFH entschieden, dass der Begriff „Einlagen der Anteilseigner“ in § 28 Abs. 1 S. 3 KStG materiell-rechtlich zu verstehen ist und nicht voraussetzt, dass sie zuvor im steuerlichen Einlagekonto erfasst bzw. festgestellt worden sind. Damit hat der BFH die in der Literatur bereits lange diskutierte Maßnahme bestätigt, mittels einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln mit anschließender Kapitalherabsetzung „vergessene“ Einlagen im steuerlichen Einlagekonto nachträglich zu reaktivieren. Die Vorgehensweise bei einer solchen Doppelmaßnahme wurde bereits beschrieben (vgl. Mayer, GStB 25, 258 ff.). In diesem Beitrag wurde noch die vom BFH offengelassene Frage erörtert, ob „vergessene“ Einlagen vor- oder nachrangig im Sonderausweis zu berücksichtigen sind.

Kommt die Doppelmaßnahme nicht in Betracht, steht mit der zeitnahen Veräußerung der Gesellschaftsanteile oder der Liquidation der Kapitalgesellschaft ein Instrumentarium zur Verfügung, den zunächst eingetretenen „Steuerschaden“ durch „vergessene“ Einlagen zu beseitigen. Ist eine zeitnahe Veräußerung oder Liquidation nicht gewollt, kann ein temporärer „Steuerschaden“ regelmäßig durch das interne Roll-over-Modell oder durch die Umwandlung der Kapitalgesellschaft in ein Personenunternehmen wieder beseitigt werden.

Weiterführende Hinweise
  • Interessante Übersicht zu finanzgerichtlichen Urteilen zu „vergessenen Einlagen im steuerlichen Einlagekonto bei Dötsch/Werner in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, § 27 KStG, Rz. 33b)
  • Eine nachträgliche Berücksichtigung „vergessener“ Einlagen in Folgebescheiden wird durch die Grundlagenfunktion des Feststellungsbescheids nach § 27 Abs. 2 S. 2 KStG verhindert. Vgl. zu dieser Thematik ausführlich Ott, GStB 23, 95 ff.

AUSGABE: GStB 8/2025, S. 284 · ID: 50458545

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