Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Aug. 2025 abgeschlossen.
UnternehmensnachfolgeÜbertragung eines Gewerbebetriebes unter Vorbehaltsnießbrauch
| Zu den anspruchsvollsten Aufgaben in der Steuerberatung gehört die Nachfolgeplanung. Soll ein Gewerbebetrieb auf die nächste Generation übertragen werden, gilt es, viele Dinge zu berücksichtigen – und meist eine komplexe, mehrere Beteiligte zufriedenstellende Lösung zu finden. Häufig kommt dabei als attraktives Gestaltungsinstrument der Nießbrauch ins Spiel – etwa in der Ausgestaltung als Vorbehalts- oder als Zuwendungsnießbrauch. In einer umfangreichen Entscheidung hat sich der BFH (29.1.25, X R 35/19, Abruf-Nr. 247664) nun zu den Auswirkungen eines vereinbarten Vorbehaltsnießbrauchs geäußert. |
Inhaltsverzeichnis
1. Zum Hintergrund
Konkret ging es im Streitfall um folgende Fragen:
- 1. Was geschieht steuerlich, wenn ein Betrieb unter Vorbehaltsnießbrauch auf die nächste Generation übergeben wird, der Inhaber des Nießbrauchsrechts den Betrieb aber wie bisher – ohne die neuen Eigentümer – fortführt?
- 2. Was geschieht, wenn der Nießbraucher zu einem späteren Zeitpunkt auf sein Recht verzichtet und seine Angehörigen den Betrieb erst ab diesem Zeitpunkt im eigenen Namen führen.
Der BFH sieht hier zum Teil einen Übergang von Wirtschaftsgütern in das Privatvermögen und zu einem späteren Zeitpunkt die erneute Einlage der Wirtschaftsgüter in das Betriebsvermögen zum Teilwert vor.
Sachverhalt (vereinfacht)
X erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. Den Gewerbebetrieb hatte X nach dem Tod seines Vaters im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge von seiner Mutter mit den folgenden Maßgaben erhalten:
- Die Mutter übertrug dem X den Gewerbebetrieb, der als Hof im Sinne der Höfeordnung eingetragen war, mit allen landwirtschaftlichen und gewerblich genutzten Gebäuden sowie allen Aktiva und Passiva und den im Grundbuch verzeichneten Lasten.
- An dem Hof sowie dem Hofvermögen hatte sich die Mutter allerdings einen lebenslangen Nießbrauch vorbehalten. Sie hatte dabei alle Aufwendungen hinsichtlich des Grundbesitzes zu tragen, die nach dem Gesetz einem Eigentümer obliegen, insbesondere auch Großreparaturen und solche Aufwendungen, die auf den Stammwert der Sache angelegt sind.Mutter behielt sich an Hof und Hofvermögen den lebenslangen Nießbrauch vor
- Im Rahmen ihres Nießbrauchs hatte die Mutter auch die vorhandenen Darlehen zu bedienen, sowohl Tilgung als auch Verzinsung.
- Die Mutter sollte den Hof weiter bewirtschaften und so behandelt werden „wie ein wirtschaftlicher Eigentümer i. S. d. Einkommensteuerrechtes“. Sie hatte jederzeit das Recht, auf den Nießbrauch gegen Einräumung eines Altenteils zu verzichten.Verzicht auf Nießbrauch gegen Altenteil jederzeit möglich
Nach dem Übergabevertrag gingen mit der Übergabe, „soweit nicht der Vorbehalt des Nießbrauchs etwas anderes bewirkt“, die Gefahr sowie die Nutzungen und Lasten des übertragenen Hofvermögens auf X über.
Steuerliche Folgen zogen die Vertragsbeteiligten aus dem Übergabevertrag aber nicht. Die Mutter führte den Betrieb weiter und bilanzierte das betrieblich genutzte Vermögen wie bislang im Rahmen eines von ihr geführten eigenen Gewerbebetriebs. Insgesamt acht Jahre nach der Übergabe verzichtete die Mutter auf den ihr eingeräumten Nießbrauch und X übernahm die Betriebsführung des Gewerbebetriebes und des Hofes, erstellte eine Eröffnungsbilanz und führte dabei die von der Mutter ermittelten Werte der Vorbilanz fort (Fußstapfen).
Das FA nahm unter anderem in der Eröffnungsbilanz des X wertaufholende Zuschreibungen für einen in den acht Jahren durch die Mutter gewährten Forderungsverzicht vor, gegen den sich X wendet. Der BFH benutzte den Fall zu grundsätzlichen Ausführungen über die vorliegende Gestaltung eines sukzessiven Betriebsübergangs unter Nießbrauchsvorbehalt.
2. Rechtliche Würdigung
- 1. Nach dem Tod des Vaters und der Übergabe unter dem Nießbrauchsvorbehalt sind alle Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens (Aktiva und Passiva) und damit auch die zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden Forderungen auf X übergegangen. Mit dem Übergabevertrag ist dabei nicht nur das zivilrechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum auf X übergegangen.
- Wirtschaftliches Eigentum der Mutter wäre nur dann gegeben, wenn sie die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut ausüben würde und den X als den nach bürgerlichem Recht Berechtigten durch vertragliche Vereinbarungen oder aus anderen Gründen für die gewöhnliche Nutzungsdauer wirtschaftlich von der Einwirkung ausschließen könnte. Ein Vorbehaltsnießbraucher kann also nur dann wirtschaftlicher Eigentümer sein, wenn sich seine rechtliche und tatsächliche Stellung gegenüber dem zivilrechtlichen Eigentümer von der normalen – lediglich eine Nutzungsbefugnis vermittelnden – Position eines Nießbrauchers so deutlich unterscheidet, dass er die tatsächliche Herrschaft über das jeweilige mit einem Nießbrauch belastete Wirtschaftsgut ausübt. Dies ist bei dem zwischen X und seiner Mutter geschlossenen Vertrag aber nicht der Fall.Bloße Nutzungsbefugnis vermittelt noch kein wirtschaftliches Eigentum
- 2. Das Betriebsvermögen ist in diesem Zusammenhang aber nicht in ein Betriebsvermögen des X übergegangen, sondern in dessen Privatvermögen. Werden die Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens eines Gewerbebetriebs unter Vorbehaltsnießbrauch übertragen, führt der Vorbehaltsnießbraucher jedoch seine bisherige gewerbliche Tätigkeit uneingeschränkt fort, liegt darin keine unentgeltliche Übertragung des Gewerbebetriebs i. S. v. § 6 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 EStG. Das gilt für einen aktiven wie für einen verpachteten Gewerbebetrieb.
- Die Übertragung eines Betriebs i. S. d. § 6 Abs. 3 EStG setzt voraus, dass das (wirtschaftliche) Eigentum an den wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang und unter Aufrechterhaltung des geschäftlichen Organismus auf einen Erwerber übertragen wird. Hierfür ist Voraussetzung, dass der Übertragende – im vorliegenden Fall also die Mutter – die ausgeübte gewerbliche Tätigkeit aufgibt. Der Begriff des Betriebs ist insoweit nicht allein gegenstands-, sondern auch tätigkeitsbezogen zu verstehen. Nur so ist sichergestellt, dass nicht lediglich einzelne Wirtschaftsgüter des Unternehmens, also Betriebsmittel, übertragen werden.
- Wird aber der Übernehmer der Wirtschaftsgüter nicht in die Lage versetzt, die gewerbliche Tätigkeit fortzuführen, weil der Betriebsinhaber weiterhin unter Einsatz des zwar übertragenen, aber von ihm genutzten Betriebsvermögens gewerblich tätig ist, kann keine wirtschaftliche Einheit übergegangen sein. Die Übertragung eines Gewerbebetriebs in der Weise, dass zunächst nur das Betriebsvermögen, und erst zu einem späteren Zeitpunkt die damit verbundene betriebliche Tätigkeit übergeht, wird nur unzureichend als „sukzessive oder zeitlich gestaffelte Betriebsübergabe“ beschrieben.
- Fallen die wesentlichen Betriebsgrundlagen einerseits und die gewerbliche Tätigkeit andererseits aber auseinander, erlangt der Übernehmer der Wirtschaftsgüter nicht die bisherige wirtschaftliche Einheit, deren Erhalt für eine Buchwertfortführung Voraussetzung ist. Eine unentgeltliche Betriebsübertragung i. S. v. § 6 Abs. 3 EStG liegt somit erst dann vor, wenn mit dem Verzicht auf den Nießbrauch der Erwerber selbst die betriebliche Tätigkeit aufnimmt.Voraussetzungen einer unentgeltlichen Betriebsübertragung erst später gegeben
- 3. Für die Forderungen, die vor der nießbrauchsbelasteten Übertragung entstanden sind, bedeutet das, dass sie in das Privatvermögen des X übergegangen sind. Mit dem Nießbrauchsverzicht der M, acht Jahre später, gehen diese Forderungen im Wege der Einlage in das Betriebsvermögen des X über. Dieser muss die Forderungen dann in der Eröffnungsbilanz mit dem aktuellen Teilwert aktivieren. Eine Wertaufholung ist dann aber nicht mehr möglich, denn diese findet ihre Obergrenze im Einlagewert (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 S. 4, Nr. 2 S. 3 EStG). Lediglich für nach der nießbrauchsbelasteten Übertragung – also in den letzten acht Jahren – entstandene Forderungen kann eine Wertaufholung vorgenommen werden, denn diese Forderungen gingen mit dem Nießbrauchsverzicht zum Buchwert in das Betriebsvermögen des X über. Er kann mit diesen Forderungen verfahren, als wären sie in „seinem“ Betrieb entstanden.Wertaufholung für „Altforderungen“ nicht mehr möglich
3. Relevanz für die Praxis
Entscheidender Fehler des X und seiner Mutter war im vorliegenden Fall, dass sie auf dem Papier den Betrieb unter Nießbrauchsvorbehalt übergeben haben, in der Praxis aber die Mutter den Betrieb noch acht Jahre als ihren eigenen weitergeführt hat und Sohn X erst acht Jahre später den Betrieb tatsächlich übernommen hat.
Hier hat der BFH nun klar gesagt, dass es zwar möglicherweise aus praktischen Erwägungen einen mehrstufigen Übergang geben muss, um im Sinne einer Generationennachfolge die „neue Generation“ schrittweise in ihre künftige Rolle und Verantwortung als Eigentümer eines Betriebs heranzuführen. Das ist dann aber kein Fall des § 6 Abs. 3 EStG.
Überträgt ein Gewerbetreibender die im Rahmen seiner aktiven gewerblichen Betätigung genutzten Wirtschaftsgüter auf eine andere Person, nutzt sie danach aber aufgrund eines Vorbehaltsnießbrauchs wie bislang weiter, führt er seinen bisherigen Betrieb fort. Zwar ändert sich die Zusammensetzung seines Aktivvermögens. Die Rechtsgrundlage für die Nutzung der Betriebsmittel ist nunmehr statt des Eigentumsrechts ein Nutzungsrecht. Er hat aber die von ihm ausgeübte Tätigkeit nicht beendet und insbesondere keine andere betriebliche Tätigkeit begonnen.
Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sind die bisherige und die „neue“ Tätigkeit nach Art und Intensität identisch. Insoweit macht es keinen Unterschied, ob eine gewerbliche Tätigkeit mit eigenen oder fremden Wirtschaftsgütern ausgeübt wird. Ob Gegenstand der Übertragung unter Vorbehaltsnießbrauch ein gewerblicher Verpachtungsbetrieb oder ein aktiv bewirtschafteter Betrieb ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.
Übergeber muss gleichzeitig seine bislang ausgeübte Tätigkeit einstellen Merke | Dem Zweck der in § 6 Abs. 3 EStG enthaltenen steuerbegünstigenden Ausnahmeregelung wird aber allein eine Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen bei gleichzeitiger Einstellung der vom Übergeber bislang ausgeübten Tätigkeit gerecht. Das gilt auch dann, wenn sich der Vorgang später – rückblickend betrachtet – als „gestaffelte“ oder „sukzessive“ Betriebsübergabe darstellt. |
Die Buchwertfortführung nach § 6 Abs. 3 EStG soll eine interpersonelle Verlagerung der stillen Reserven bei der unentgeltlichen Übertragung bestimmter wirtschaftlicher Einheiten ermöglichen und so eine Steuerverschonung für den Übergeber erreichen. Der Gesetzgeber hätte einen solchen steuerbegünstigten mehrstufigen Übergang zwar schaffen können, er hat es aber nicht getan. Für die Praxis bedeutet das, dass der Berater unbedingt darauf achten muss, dass die Mandanten die geschlossenen Vereinbarungen auch tatsächlich umsetzen und „leben“. Nur dann sind die entsprechenden steuerlichen Konsequenzen sichergestellt und es kommt nicht zu ungewollten Entnahmen oder Einlagen.
Im Fall einer mehrstufigen Betriebsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber nicht doch auch diese Möglichkeit – allerdings nur für die Zukunft – in die Regelung des § 6 Abs. 3 EStG mit einbezieht und das EStG im Rahmen des nächsten Jahressteuergesetzes entsprechend anpasst.
AUSGABE: GStB 8/2025, S. 276 · ID: 50439066