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UmsatzsteuerVeräußerung eines Unternehmens im Aufbau als Geschäftsveräußerung?

Abo-Inhalt01.10.20246 Min. LesedauerVon Dipl.-Finw. StB Christian Herold, Herten/Westf.

| Auch ein Unternehmen, das sich noch im Aufbau befindet und bei dem noch keine Ausgangsumsätze erzielt worden sind, kann Gegenstand einer Geschäftsveräußerung im Ganzen sein. Allerdings muss anhand objektiver Anhaltspunkte ersichtlich sein, dass der Erwerber den geplanten Unternehmenszweck fortführt (FG Berlin-Brandenburg 13.3.24, 7 K 7083/23). |

Sachverhalt

Der Kläger war in den Jahren 2012 bis 2019 Eigentümer mehrerer Grundstücke. Er plante, hierauf einen Ferienpark zu errichten, der unter anderem Ferienappartements, Bewirtungsmöglichkeiten sowie Sport- und Tourismusangebote umfasste. Im Mai 2013 hatte er mit dem Umbau eines ehemaligen Speichers in eine Pension mit zwölf Zimmern begonnen. Die finanzierende Bank versagte dem Kläger jedoch Ende 2015 die Fortführung der Finanzierung, sodass der Bau seit diesem Zeitpunkt ruhte. In 2016 veräußerte der Kläger ein Flurstück. Im Jahr 2018 schloss er einen Vermarktungsauftrag für eine weitere Teilfläche und veräußerte diese im Jahre 2019. Satzungsmäßiger Gegenstand der Erwerberin war und ist der Erwerb und die Vermittlung von Immobilien.

Der Kläger betrachtete die Übertragung des in 2019 verkauften Grundstücks als nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass der Kläger mit der Grundstücksveräußerung in 2019 einen steuerfreien Umsatz erzielt habe. Es handele sich nicht um eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen. Nach den Erkenntnissen des Finanzamts habe die Erwerberin nicht das Unternehmen des Klägers fortgeführt, sondern eigene Pläne für das erworbene Grundstück entwickelt, und zwar die „Planung eines Wohnparks mit leisem Gewerbe“. Daher sei kein Fortführungszusammenhang erkennbar. Es bestehe jedenfalls keine Übereinstimmung mit dem vom Kläger verfolgten Unternehmenskonzept eines Ferienparks. Die in den Vorjahren entsprechend geltend gemachte Vorsteuer sei daher nach § 15a UStG i. V. m. § 44 UStDV zu berichtigen. Die hiergegen gerichtete Klage wurde abgewiesen. Das Finanzamt habe zu Recht die Übertragung des streitbefangenen Grundstücks als einen steuerbaren, jedoch nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreien Umsatz angesehen.

Entscheidungsgründe

Die Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG setzt die Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder eines selbstständigen Unternehmensteils voraus, der als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bildet, mit dem eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann.

Es ist insoweit auch erforderlich, dass der Erwerber das übertragene Unternehmen fortführt, wobei es sich um eine innere Tatsache handelt, für die der Veräußerer die Feststellungslast trägt und für die objektive Anhaltspunkte bestehen müssen. Nachweismöglichkeiten sind z. B. entsprechende Zusicherungen oder die Übernahme von Verträgen durch den Erwerber. Ferner muss nach einer Gesamtwürdigung eine ausreichende Ähnlichkeit zwischen dem Unternehmen des Veräußerers und dem des Erwerbers bestehen. Der ursprüngliche Kern oder Geschäftszweck der Unternehmung muss bestehen bleiben. Der Erwerber darf das Unternehmen nicht so verändern, dass ein Unternehmen völlig anderer Art vorliegt. Anpassungen an die Marktlage, den technischen Fortschritt oder die Fähigkeiten des Erwerbers sind aber unschädlich.

Bei Grundstücken setzt eine Geschäftsveräußerung im Ganzen grundsätzlich voraus, dass eine unternehmerische Tätigkeit, die in der Vermietung des Grundstücks besteht, vom Erwerber fortgeführt wird. Hieran fehlt es, wenn der Veräußerer als Vermieter nicht nachhaltig tätig gewesen ist, sodass es an einem durch den Erwerber fortführungsfähigen Vermietungsunternehmen fehlt. Gehen keine Mietverträge auf den Erwerber über, kommt eine Fortführung eines Vermietungsunternehmens allenfalls in Betracht, wenn es sich um einen vorübergehenden Leerstand handelt und die bereits vom Veräußerer ergriffenen Vermarktungsbemühungen vom Erwerber fortgesetzt werden.

Die Geschäftsveräußerung ist für unternehmerische Tätigkeiten zu verneinen, die im Wesentlichen darin bestehen, ein Gebäude zu errichten und Mieter für die einzelnen Mieteinheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung gewinnbringend zu veräußern. Dies wäre z. B. der Fall, wenn ein auf Veräußerung angelegtes Bauträgerunternehmen das zu bebauende Grundstück noch während der Bauphase mit notariellem Vertrag verkauft, sich gegenüber dem Erwerber zur Gebäudeerrichtung und -vermietung verpflichtet und bis zur Übergabe an den Erwerber nur für einen Monat als Vermieter tätig ist oder wenn sich der Grundstücksverkäufer im notariellen Kaufvertrag zur Bebauung verpflichtet und ein Vorvertrag mit einem Mieter des noch zu errichtenden Gebäudes Bestandteil dieses Kaufvertrages ist.

Ist im Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags nicht ersichtlich, dass der Erwerber beabsichtigt, das Unternehmenskonzept des Veräußerers fortzuführen (hier: Errichtung eines Ferienparks mit Umsätzen aus kurzfristigen Beherbergungen, aus der Vermietung von Sportgeräten und aus Gastronomieleistungen), liegt keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vor. Allein der Umstand, dass beispielsweise für Gewerbeflächen eine Option zur Umsatzsteuerpflicht nach § 9 UStG in Betracht kommen kann, führt nicht dazu, dass eine hinreichende Ähnlichkeit mit den tatsächlichen oder geplanten Umsätzen des Veräußerers besteht.

Relevanz für die Praxis

Um zu einer Geschäftsveräußerung im Ganzen zu gelangen, muss das übertragene Unternehmensvermögen die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglichen. Die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten müssen zudem übereinstimmen oder sich jedenfalls hinreichend ähneln.

Auch die Veräußerung eines einzelnen Grundstücks kann eine Geschäftsveräußerung im Ganzen darstellen. Der BFH stellt insoweit maßgebend darauf ab, wie der Veräußerer das Grundstück bislang genutzt hat und inwieweit der Erwerber diese Nutzung fortführt. Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen ist anzunehmen, wenn der Erwerber das betreffende Unternehmen oder Teilunternehmen des Veräußerers, insbesondere die Vermietung, tatsächlich fortführen kann.

Die Anforderungen für die Annahme einer – umsatzsteuerlichen – Geschäftsveräußerung im Ganzen unterscheiden sich von denen der – ertragsteuerlichen – Betriebsveräußerung i. S. d. § 16 EStG. Etwas vereinfacht ausgedrückt muss ertragsteuerlich nur die Veräußererseite („Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen“) betrachtet werden, während umsatzsteuerlich auch der Erwerber bzw. dessen Tätigkeit („Fortführung des Unternehmens“) zu berücksichtigen ist. Im Urteilsfall wurde die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen vom FG verneint. Weder dem Kaufvertrag noch anderen Beweismitteln hatte sich entnehmen lassen, dass der Erwerber den – geplanten – Unternehmenszweck der Veräußerers fortführen wollte. Auch der Geschäftszweck der Erwerberin, die Grundstücke an- und verkauft sowie vermittelt, sprach dagegen.

Grundsätzlich empfiehlt es sich, in nicht eindeutigen Fällen eine verbindliche Auskunft der Finanzverwaltung einzuholen. Doch zum einen ist diese kostenpflichtig und zum anderen kann sie einige Monate auf sich warten lassen. Kann diese Zeit nicht abgewartet werden, ist es angebracht, im Kaufvertrag Vorsorge zu treffen, insbesondere, wenn es – auch – um Grundstücke geht. Das heißt:

Im Rahmen des Notarvertrags sollte eine Optionsklausel für den Fall aufgenommen werden, dass die Parteien von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen ausgehen und sich diese Annahme als falsch erweisen könnte. Konkret: Gehen die Vertragspartner übereinstimmend von einer Geschäftsveräußerung im Ganzen aus und beabsichtigen sie lediglich für den Fall, dass sich ihre rechtliche Beurteilung später als unzutreffend herausstellt, eine Option zur Steuerpflicht, so sollte diese Option vorsorglich und im Übrigen unbedingt im notariellen Kaufvertrag erklärt werden (vgl. BMF-Schreiben vom 23.10.13, BStBl I 13, 1304). Wichtig: Der BFH hat mit Urteil vom 21.10.15 (XI R 40/13) entschieden, dass der Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung für die Lieferung eines Grundstücks (außerhalb eines Zwangsversteigerungsverfahrens) nur in dem ursprünglichen Notarvertrag erklärt werden kann. Ein späterer Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung ist unwirksam, auch wenn er notariell beurkundet wird.

Aber zugegeben: Im Besprechungsfall wäre eine solche Klausel von der Erwerberin möglicherweise nicht akzeptiert worden, soweit sie Wohnparks errichtet und damit nicht steuerpflichtige Umsätze erzielen möchte. Letztlich wäre es wohl eine Frage des Kaufpreises gewesen, wenn bzw. soweit die Erwerberin mit der Umsatzsteuer belastet würde.

AUSGABE: GStB 10/2024, S. 360 · ID: 50131897

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