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GesetzgebungJahressteuergesetz 2024: Steueroptimiertes Doppel-Holding-Modell vor dem „Aus“

Abo-Inhalt01.10.20249 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Hans Ott, StB/vBP, Köln

| Nach dem vorliegenden Regierungsentwurf zum Jahressteuergesetz 2024 vom 5.6.24 sollen mit den geplanten Änderungen in § 18 Abs. 3 UmwStG und in § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG das vielfach praktizierte gewerbesteuerliche Doppelstock-Modell (vgl. Ott, GStB 24, 335 ff.) sowie das Doppel-Holding-Modell (vgl. Ott, GStB 23, 258) im Zusammenhang mit dem Verkauf von GmbH-Anteilen künftig verhindert werden. Bereits mit dem Wachstumschancengesetz vom 27.3.24 hat der Gesetzgeber das in der Vergangenheit ebenfalls mögliche Verdeckte-Einlage-Modell bei „jungen“ Beteiligungen im Betriebsvermögen (vgl. Ott, GStB 23, 260) kassiert, indem § 6 Abs. 1 Nr. 5 S. 1 Buchst. a EStG n. F. nur bei einer Einlage aus dem Privatvermögen Anwendung findet. |

1. Doppel-Holding-Modell

In der Praxis wird vielfach vor einem beabsichtigten Verkauf von GmbH-Anteilen i. S. v. § 17 EStG ein Holding-Modell eingesetzt, um die Steuerpflicht des Veräußerungsgewinns nach dem Teileinkünfteverfahren in die temporäre 95%ige Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG zu transformieren. Zu diesem Zweck wird die zu veräußernde Beteiligung im Wege des steuerneutralen Anteilstauschs nach § 21 UmwStG in eine Holding-GmbH eingebracht. Die eingebrachten Anteile unterliegen aber der Sperrfrist nach § 22 Abs. 2 UmwStG, sodass eine Veräußerung innerhalb von sieben Jahren nach dem Anteilstausch zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II beim Einbringenden führen würde. Um die Sperrfrist unter Nutzung des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG vorzeitig zu beenden, wird in der Praxis vielfach das sog. Doppel-Holding-Modell eingesetzt. Dabei werden die im Zuge des ersten Anteilstauschs erhaltenen Anteile wiederum steuerneutral nach § 21 UmwStG in eine weitere Holding-GmbH eingebracht.

Die Weitereinbringung der Anteile durch den zweiten Anteilstausch stellt nach herrschender Ansicht im Schrifttum (vgl. z. B. Broemel/Westermann, DStR 24, 1521; Mang, Ubg 24, 81; Ott, DStZ 23, 334) eine Veräußerung i. S. v. § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG dar und führt damit zu einer vorzeitigen Beendigung der Sperrfristverhaftung der beim ersten Anteilstausch eingebrachten Anteile. Die Annahme einer Veräußerung erfolgt unter Berufung auf die weite Definition des Veräußerungsbegriffs der Finanzverwaltung z. B. in den Rz. 00.02 und 22.23 des UmwSt-Erlasses, wonach auch Umwandlungs- und Einbringungsvorgänge unter Fortführung der Buchwerte eine Veräußerung darstellen. Von Angehörigen der Finanzverwaltung wird dagegen die Ansicht vertreten, § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG verlange nach dessen Sinn und Zweck eine Veräußerung der Anteile mit Aufdeckung der stillen Reserven (vgl. Stimpel/Bernhagen, GmbH 20, 301; Kowanda, DStR 23, 1681). Deshalb war das Doppel-Holding-Modell bereits in der Vergangenheit einem steuerlichen Anerkennungsrisiko ausgesetzt (vgl. Ott, GStB 23, 260).

Wird die Weitereinbringung zu Buchwerten nicht als Veräußerung i. S. d. vorzeitigen Sperrfristbeendigung nach § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG anerkannt, so stellt die tatsächliche Veräußerung der im Rahmen des ersten Anteilstauschs eingebrachten Anteile eine Sperrfristverletzung nach § 22 Abs. 2 UmwStG dar und ein Einbringungsgewinn II ist zu versteuern.

Beachten Sie | Wichtig ist, dass die liquiden Mittel aus dem Veräußerungserlös sich nicht auf einer Ebene mit der entstandenen Steuerschuld befinden. Sofern der Einbringende nicht über genügend Mittel zur Finanzierung der Steuerschuld auf den Einbringungsgewinn II verfügt, muss der Veräußerungserlös (oder Teile davon) bei der ersten Holding-Kapitalgesellschaft zunächst – über die zweite Holding-Kapitalgesellschaft – an den Einbringenden ausgeschüttet werden. In Höhe der Ausschüttung wird damit die temporäre Steuerbefreiung auf der Ebene der Holding-Kapitalgesellschaft aufgehoben und beim Einbringenden durch eine Besteuerung der Ausschüttung mit Abgeltungsteuer oder auf Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens ersetzt.

2. Geplante gesetzliche Änderung des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG

In Rz. 22.17 UmwSt-Erlass des überarbeiteten Anwendungsschreibens zum UmwStG in der vorliegenden Entwurfsfassung des BMF vom 11.10.23 (im Folgenden: UmwSt-Erlass 2024) will die Finanzverwaltung nunmehr klarstellen, dass eine sperrfristbeendende Veräußerung i. S. v. § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nur bei einer vollständigen Aufdeckung der stillen Reserven vorliegt. Der BRH hat in seinem Bericht (dort S. 17 f.) an das BMF nach § 88 Abs. 2 BHO vom 30.11.23 zum Entwurf des überarbeiteten UmwSt-Erlasses 2024 eine gesetzliche Regelung empfohlen, weil die Ergänzung in Rz. 22.17 UmwSt-Erlass 2024 allein wohl als nicht ausreichend erachtet wird.

Diese Empfehlung des BRH hat der Gesetzgeber aufgegriffen. Nach dem vorliegenden Regierungsentwurf des JStG 2024 soll § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG dahin gehend ergänzt werden, dass eine Veräußerung nur dann vorliegt, wenn diese „unter Aufdeckung der stillen Reserven“ erfolgt. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll es sich lediglich um eine klarstellende Änderung handeln, weil sich in systematischer und teleologischer Auslegung von § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG eindeutig ergibt, dass nur Veräußerungen unter Aufdeckung der stillen Reserven unter den Anwendungsbereich dieser Regelung fallen sollen.

Merke | Aufgrund der vermeintlichen Klarstellung durch den Gesetzgeber fehlt für die geänderte Fassung des § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG eine gesonderte Anwendungsregelung, sodass diese mit der Verkündung des JStG 2024 in Kraft tritt. Aber selbst im Falle einer konstitutiven Gesetzesänderung ergäbe sich die Frage, ob bereits weggefallene Sperrfristen wieder aufleben. Soweit die Neuregelung danach auch bereits in abgelaufenen Veranlagungszeiträumen zur Anwendung kommt, liegt eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung vor (so auch Broemel/Westermann, DStR 24, 1521, 1526 f.).

3. Veräußerung von Sachgesamtheiten durch das (modifizierte) Doppel-Holding-Modell

3.1 Doppel-Holding-Modell bei der Veräußerung von Sachgesamtheiten

Ist die Veräußerung eines Betriebs oder eines Mitunternehmeranteils (Sachgesamtheit) durch eine natürliche Person geplant, wird in der Literatur eine Gestaltung vorgeschlagen, um auch in diesen Fällen eine nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG steuerfreie Veräußerung herbeizuführen. Bei diesem sog. modifizierten Doppel-Holding-Modell (vgl. Ott, GStB 23, 264) wird wie folgt vorgegangen:

  • In einem ersten Schritt wird eine Mutter-Tochter-GmbH-Struktur installiert.
  • In einem zweiten Schritt wird dann die zu veräußernde Sachgesamtheit nach § 20 UmwStG gegen eine nicht wertadäquate Kapitalerhöhung in die Tochter-GmbH eingebracht.

Beachten Sie | An der Kapitalerhöhung nimmt die Mutter-GmbH nicht teil und leistet daher auch kein Aufgeld. Damit werden die stillen Reserven der Sachgesamtheit auf die von der Mutter-GmbH gehaltenen Anteile an der Tochter-GmbH verlagert.

Beispiel
A will sein Einzelunternehmen mit einem Eigenkapital zu Buchwerten i. H. v. 100.000 EUR zum Kaufpreis von 10 Mio. EUR veräußern. Zu diesem Zweck errichtet A zunächst eine Holdingstruktur mit einer Mutter-GmbH (M-GmbH) und einer Tochter-GmbH (T-GmbH) mit einem Stammkapital von jeweils 100.000 EUR. Anschließend bringt A sein Einzelunternehmen gem. § 20 Abs. 1 UmwStG zu Buchwerten in die T-GmbH ein, die zu diesem Zweck unter Ausschluss der Bezugsrechte und ohne Aufgeld der M-GmbH ihr Stammkapital von 100.000 EUR auf 101.000 EUR erhöht. Der das Stammkapital übersteigende Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens des Einzelunternehmens wird als Agio in der Kapitalrücklage nach § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB ausgewiesen. Es ergeben sich folgende Beteiligungsstrukturen:
Nach der Einbringung des Einzelunternehmens ist A unmittelbar zu 0,99 % an der T-GmbH (gemeiner Wert der Anteile: 0,99 % von 10,1 Mio. EUR = 99.990 EUR) beteiligt, während die M-GmbH die restlichen 99,01 % der Anteile an der T-GmbH mit einem Wert von 99,01 % von 10,1 Mio. EUR = 10.000.010 EUR hält.

Aufgrund der Kapitalerhöhung ohne Aufgeld werden stille Reserven auf andere Anteile verlagert und es tritt eine Mitverstrickung der Anteile der M-GmbH an der T-GmbH nach § 22 Abs. 7 UmwStG ein. Veräußert anschließend die M-GmbH die mitverstrickten Anteile an der T-GmbH, wird nach einer Mindermeinung im Schrifttum (vgl. Haase/Nürnberg, Ubg 22, 642, 645 f.) hierdurch keine Sperrfristverletzung ausgelöst, weil dafür eine Veräußerung durch den ursprünglich Einbringenden erforderlich ist. Die auftretende Gesetzeslücke könne auch nicht durch eine teleologische Auslegung des Gesetzeswortlauts geschlossen werden, sodass die Beteiligung an der T-GmbH und die darauf verlagerten stillen Reserven innerhalb der Sperrfrist steuerfrei nach § 8b Abs. 2 und 3 KStG veräußert werden können. Nach der überwiegenden und auch zutreffenden Meinung im Schrifttum sowie nach dem Beispiel in Rz. 22.43 UmwSt-Erlass führt dagegen die Veräußerung der Anteile an der T-GmbH zu einem vom ursprünglich Einbringenden zu versteuernden Einbringungsgewinn I (vgl. Ott, DStZ 23, 334, 341 ff.; Bilitewski in: Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG, 6. Aufl. 24, § 22 Rz. 355 m. w. N.).

Mit der Frage, ob tatsächlich der ursprünglich Einbringende den Einbringungsgewinn zu versteuern hat, haben sich kürzlich das FG München und das FG Düsseldorf – im Fall einer unentgeltlichen Rechtsnachfolge – auseinandergesetzt und sind zu einem konträren Ergebnis gekommen. Während nach dem Urteil des FG München vom 9.2.24 (8 K 602/23, Rev. BFH: X R 8/24, EFG 24, 982) im Anschluss an das Beispiel in Rz. 22.41 UmwSt-Erlass der Einbringungsgewinn I als fremdbestimmte Steuerwirkung vom ursprünglich Einbringenden (also dem Rechtsvorgänger) zu versteuern ist, vertritt das FG Düsseldorf im Urteil vom 7.3.24 (8 K 2849/17 E, Rev. zugel., EFG 24, 1416) die Ansicht, der Einbringungsgewinn I sei vom Rechtsnachfolger zu versteuern.

Zur Auslegung des § 22 Abs. 6 UmwStG bleibt somit die Rechtsprechung des BFH abzuwarten.

3.2 Abwandlung des Modells

Wird das vorstehende dargestellte modifizierte Doppel-Holding-Modell abgewandelt und veräußert nicht die M-GmbH die Anteile an der T-GmbH, sondern A die Anteile an der M-GmbH, so stellt sich die bisher weder von der Finanzverwaltung noch im Schrifttum diskutierte Frage, ob auch die Anteile an der M-GmbH der Mitverstrickung unterliegen.

Löst die Veräußerung der Anteile an der M-GmbH, die nach § 17 EStG dem Teileinkünfteverfahren unterliegt, keine Sperrfristverletzung aus, ergäbe sich eine Statusverbesserung (Veräußerung im Teileinkünfteverfahren statt Normalbesteuerung), die gerade durch die Regelungen in § 22 Abs. 1 UmwStG verhindert werden soll. Vorbehaltlich der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs ließe sich die Statusverbesserung nur durch eine extensive Auslegung des § 22 Abs. 7 UmwStG in dem Sinne vermeiden, dass auch die Anteile eines Dritten (Angehörige oder gesellschaftsrechtlich verbundene Unternehmen des Einbringenden wie die M-GmbH) als (zumindest mittelbar) mitverstrickt angesehen werden (vgl. Patt in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG Rz. 9c, Stand 12/23 m. w. N.). Der Gesetzeswortlaut steht einer solchen Auslegung nicht unmittelbar entgegen, weil § 22 Abs. 7 UmwStG nur voraussetzt, dass stille Reserven von den erhaltenen Anteilen auf „andere Anteile“ verlagert werden. Diese Auslegung führte dazu, dass bei A als ursprünglich Einbringender der Einbringungsgewinn I zu versteuern ist.

Möglicherweise könnte beim modifizierten Doppel-Holding-Modell bereits in dem Verzicht auf das Bezugsrecht/Anwartschaftsrecht vorrangig vor Anwendung der Einbringungsvorschriften der §§ 20 ff. UmwStG eine verdeckte Einlage dieses Bezugs- bzw. Anwartschaftsrechts in die M-GmbH durch den Einbringenden gesehen werden, die zur Auflösung der stillen Reserven führt (vgl. bereits Ott, GStB 23, 266; Patt in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, § 22 UmwStG Rz. 40b und Rz. 110, Stand: 6/23; Schmitt in: Schmitt/Hörtnagl, 10. Aufl. 2024, § 20 UmwStG Rz. 214 ff.). Nach anderer Ansicht wird jedoch die Annahme einer verdeckten Einlage durch den generellen Vorrang der spezialgesetzlichen Regelung des § 22 Abs. 7 UmwStG verdrängt (vgl. Bilitewski in: Haritz/Menner/Bilitewski, UmwStG, 6. Aufl. 24, § 22 Rz. 363 f.). Auch zur Klärung dieser Frage bleibt die künftige Finanzrechtsprechung abzuwarten.

Fazit | Das im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften i. S. d. § 17 EStG praktizierte Doppel-Holding-Modell will der Gesetzgeber mit der klarstellenden Änderung in § 22 Abs. 2 S. 5 UmwStG künftig verhindern, weil danach die sperrfristbeendende Veräußerung eine Aufdeckung der stillen Reserven voraussetzt und eine Weitereinbringung zu Buchwerten hierfür nicht mehr ausreichend ist. Beim modifizierten Doppel-Holding-Modell, bei dem eine Sachgesamtheit (Betrieb, Mitunternehmeranteil) in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wird und anschließend die nach § 22 Abs. 7 UmwStG mitverstrickten Anteile an dieser Kapitalgesellschaft veräußert werden, ist derzeit noch keine gesetzliche Änderung in Sicht. Dennoch ist die intendierte Statusverbesserung einem steuerlichen Anerkennungsrisiko ausgesetzt, weil die Veräußerung der mitverstrickten Anteile nach ganz überwiegender Meinung im Schrifttum die rückwirkende Versteuerung eines Einbringungsgewinns I beim ursprünglich Einbringenden auslöst.

AUSGABE: GStB 10/2024, S. 363 · ID: 50135070

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