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SteuervergünstigungenUmstrukturierungen im Konzern – § 6a GrEStG als eine Vorschrift mit Fehlerpotenzial
| § 6a GrEStG hat seine „ganz eigene Idee“ eines Konzerns. Die Finanzverwaltung hat ihre Rechtsansicht zu § 6a GrEStG in den gleichlautenden Ländererlassen vom 25.5.23 (BStBl I 23, 995) dargelegt. In der folgenden Fallbesprechung wird aufgezeigt, wie die Vorschrift aufgebaut und wo Fehlerpotenzial verborgen ist. Auch wird deutlich gemacht, dass es für den Käufer einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft sinnvoll sein kann, den Verkäufer bei den Kaufverhandlungen auf bislang gewährte Steuervergünstigungen nach § 6a GrEStG anzusprechen. |
Inhaltsverzeichnis
1. Sachverhalt
Die in der folgenden Grafik dargestellte Ausgangssituation besteht seit mehr als fünf Jahren. Die Beteiligung der U-GmbH an der Y-GmbH wird im Wege der Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) auf die X-GmbH übertragen. Alle Gesellschaften sind wirtschaftlich tätig i. S. d. gleichlautenden Ländererlasse vom 25.5.23 (BStBl I 23, 995, Tz. 3.1).
2. Lösungsvorschlag
2.1 Steuerbarer Erwerbsvorgang
Durch die Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) werden die Anteile der grundbesitzenden Y-GmbH von der U-GmbH auf die X-GmbH übertragen. Dieser Übergang bereits vereinigter Anteile unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG grundsätzlich der Grunderwerbsteuer, wird jedoch vom gleichzeitig auf der Ebene der Y-GmbH erfüllten Tatbestand des § 1 Abs. 2b GrEStG verdrängt (gleichlautende Ländererlasse vom 5.3.24, S 4501 - 7/11, BStBl I 24, 383, Rz. 30). § 1 Abs. 2b GrEStG wird verwirklicht, da sich innerhalb von zehn Jahren der Gesellschafterbestand der grundbesitzenden Y-GmbH dahin gehend geändert hat, dass mindestens 90 % (hier: 100 %) der Anteile auf neue Gesellschafter übergehen (§ 1 Abs. 2b S. 1 GrEStG).
§ 1 Abs. 2b GrEStG fingiert die Übereignung eines zum Vermögen einer Kapitalgesellschaft gehörenden Grundstücks auf eine fiktiv „neue“ Kapitalgesellschaft. Zivilrechtlich liegt kein Rechtsträgerwechsel vor (gleichlautende Ländererlasse vom 10.5.22, BStBl I 22, 821, Tz. 1). Durch die Verwirklichung des § 1 Abs. 2b GrEStG ändert sich die grunderwerbsteuerliche Grundstückszurechnung nicht (gleichlautende Ländererlasse vom 16.10.23, BStBl I 23, 1872, Rz. 3). Steuerschuldner wäre die Y-GmbH, sofern keine Steuerbefreiung zur Anwendung kommt (§ 13 Nr. 7 GrEStG).
2.2 Aufbau und Anwendbarkeit von § 6a GrEStG
2.2.1 Vorüberlegung
Bevor man den aufgezeigten Sachverhalt auf die Anwendbarkeit von § 6a GrEStG untersucht, bietet es sich an, zunächst einen Blick auf den systematischen Aufbau der Vorschrift zu werfen:
Beachten Sie | Der persönliche Anwendungsbereich ergibt sich aus § 6a S. 3 u. 4 GrEStG.
§ 6a GrEStG ist nicht grundstücksbezogen. Die Norm stellt nicht auf den Verbleib der Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse ab. Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke in den Vor- und Nachbehaltensfristen sind unbeachtlich (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, BStBl I 23, 995, Tz. 1). Zudem stehen die §§ 5, 6 und 6a GrEStG gleichrangig nebeneinander. Soweit die Voraussetzungen für eine Steuervergünstigung nicht vorliegen oder später entfallen, kann eine andere Steuervergünstigung von Amts wegen gewährt werden, sofern die Voraussetzungen vorliegen (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 5).
2.2.2 Prüfung § 6a GrEStG
§ 6a S. 1 GrEStG benennt (lediglich) bestimmte Erwerbsvorgänge. Die dort genannten Erwerbsvorgänge müssen durch einen dort genannten Rechtsvorgang ausgelöst werden.
Beachten Sie | In den Fällen des § 1 Abs. 2a S. 1 und Abs. 2b S. 1 GrEStG ist § 6a GrEStG – anders als bei § 1 Abs. 3 GrEStG – insoweit (lediglich) anteilig zu gewähren als durch den begünstigungsfähigen Vorgang der Tatbestand des § 1 Abs. 2a S. 1 oder Abs. 2b S. 1 GrEStG erfüllt wird oder der begünstigungsfähige Vorgang zur Erfüllung des Tatbestands beiträgt (weiterführend hierzu: gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 2.4 u. 2.5).
Sowohl die Umwandlung (begünstigter Rechtsvorgang) als auch § 1 Abs. 2b GrEStG (begünstigter Erwerbsvorgang) sind in § 6a S. 1 GrEStG genannt.
Des Weiteren müssen am begünstigten Rechtsvorgang ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sein (§ 6a S. 3 GrEStG).
Beteiligte im Sinne der Vorschrift |
In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, wer herrschendes Unternehmen ist. Die Finanzverwaltung hat in den gleichlautenden Ländererlassen vom 25.5.23 das Tatbestandsmerkmal des herrschenden Unternehmens näher definiert (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 3.1).
Merke | Demnach können herrschendes Unternehmen wirtschaftlich tätige natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften sein. An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens seien keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reiche aus, wenn das herrschende Unternehmen über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt. Hierfür sei erforderlich, dass mindestens eine am Umwandlungsvorgang beteiligte abhängige Gesellschaft am Markt wirtschaftlich tätig ist. |
Das gilt, so die Finanzverwaltung, auch für nicht selbst wirtschaftlich tätige Gesellschaften (z. B. Vorratsgesellschaften und reine Holdinggesellschaften). Laut Sachverhalt sind sämtliche Gesellschaften im oben genannten Sinne wirtschaftlich tätig.
Welches Unternehmen „herrschendes Unternehmen” und welche Gesellschaft „abhängige Gesellschaft” ist, richtet sich nach dem jeweiligen Umwandlungsvorgang, für den die Steuer nach § 6a S. 1 GrEStG nicht erhoben werden soll. Herrschendes Unternehmen ist – soweit vorhanden – das am steuerbaren Umwandlungsvorgang unmittelbar beteiligte Unternehmen. Sind mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften am Umwandlungsvorgang beteiligt, ist ausgehend von dem Umwandlungsvorgang der in der Beteiligungskette am nächsten stehende (unterste) Rechtsträger, der die Voraussetzungen nach § 6a S. 3 u. 4 GrEStG erfüllt, das herrschende Unternehmen. Mithin ist im Ausgangssachverhalt die U-GmbH herrschendes Unternehmen.
Beachten Sie | Das im Zeitpunkt der Verwirklichung des Rechtsvorgangs herrschende Unternehmen hat, soweit umwandlungsrechtlich möglich, die Mindestbeteiligungsquote innerhalb der Vor- und Nachbehaltensfristen ununterbrochen einzuhalten (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 3.1).
Definition einer abhängigen Gesellschaft |
Das herrschende Unternehmen muss, entsprechend dem Wortlaut des § 6a GrEStG, am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 95 % beteiligt sein. In Fällen der mittelbaren Beteiligung ist dies der Fall, wenn auf jeder Stufe eine mindestens 95%ige kapital- oder vermögensmäßige Beteiligung besteht (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 3.2.1). Hieraus folgt, dass die X-GmbH abhängige Gesellschaft i. S. v. § 6a S. 3 und 4 GrEStG ist, sofern die Vorbehaltensfrist eingehalten wurde (s. u.). Die Anteile an der Y-GmbH sind nur Gegenstand des Umwandlungsvorgangs (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 3.2.2.2). Sie ist folglich keine abhängige Gesellschaft.
Die Mindestbeteiligung (95 %) des herrschenden Unternehmens an der am Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaft bzw. an den am Rechtsvorgang beteiligten Gesellschaften (hier: U-GmbH an X-GmbH) muss bereits fünf Jahre vor dem Rechtsvorgang ununterbrochen bestanden haben. Diese Voraussetzung ist grundsätzlich nicht erfüllt, da die X-GmbH durch Ausgliederung zur Neugründung (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG) entstanden ist. Allerdings muss die Vorbehaltensfrist nicht eingehalten werden, soweit dies umwandlungsrechtlich nicht möglich ist (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 3.2.2.1). Mithin ist die Nichterfüllung der Vorbehaltensfrist bei der vorliegenden Ausgliederung zur Neugründung unschädlich.
Beachten Sie | Aktuell liegt beim BFH die Frage, ob § 6a S. 4 GrEStG auch bei der Einbringung zur Neugründung teleologisch zu reduzieren ist (vgl. anhängiges Verfahren II R 33/23).
Die Y-GmbH ist keine abhängige Gesellschaft. Lediglich ihre Anteile sind Gegenstand des Umwandlungsvorgangs (s. o.). Mithin muss u. E. in Bezug auf die Y-GmbH keine Vorbehaltensfrist eingehalten werden.
Folglich findet § 6a GrEStG auf den hier vorliegenden Sachverhalt Anwendung.
Die Einhaltung der Nachbehaltensfrist setzt grundsätzlich voraus, dass die Mindestbeteiligungshöhe des herrschenden Unternehmens in Höhe von 95 % am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der am Rechtsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaft bzw. an den am Rechtsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaften nach der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs noch mindestens fünf Jahre fortbesteht (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, BStBl I, 2023, 995, Tz. 3.2.2.2). Folglich ist die Nachbehaltenfrist (U-GmbH an X-GmbH) zu überwachen.
Beachten Sie | Die Verletzung der Nachbehaltensfrist stellt ein rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 175 Abs. 2 S. 1 AO dar (weiterführend hierzu: gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 4).
Die Veräußerung von Anteilen an Gesellschaften, die den übertragenden bzw. den übernehmenden Rechtsträgern nachgeordnet sind, ist unschädlich. Sie sind nicht Beteiligte, sondern nur Gegenstand des Umwandlungsvorgangs (gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, Tz. 3.2.2.2). Die Y-GmbH ist in der Zielstruktur der übernehmenden Rechtsträgerin nachgeordnet und – wie bereits dargestellt – keine abhängige Gesellschaft. Mithin ist u. E. keine Nachbehaltenfrist bezogen auf die Y-GmbH zu überwachen.
Fazit | Die Fallbesprechung zeigt (mal wieder), wie komplex die Grunderwerbsteuer sein kann. Denn die Steuerbefreiung i. S. v. § 6a GrEStG auf Ebene der Y-GmbH (Steuerschuldner für den Erwerbsvorgang nach §1 Abs. 2b GrEStG, vgl. § 13 Nr. 7 GrEStG) hängt maßgeblich von der U-GmbH und der X-GmbH ab (herrschendes Unternehmen und abhängige Gesellschaft). Gesetzessystematik kann in der Praxis für böse Überraschungen sorgen |
Zu den Autoren | Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die persönliche Meinung der Verfasser wieder.
Weiterführender Hinweis- Zu beachten vor allem: Gleichlautende Ländererlasse vom 25.5.23, BStBl I 23, 995, vom 16.10.23, BStBl I 23, 1872 und vom 5.3.24, BStBl I 24, 383
AUSGABE: GStB 10/2024, S. 380 · ID: 50135643