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Verrechnung von Finanzmitteln und SchuldenFrohe Botschaft: Finanzverwaltung gibt restriktive Haltung auf und entschärft den „90 %-Test“

Abo-Inhalt01.10.202411 Min. Lesedauer von StB Hans Günter Christoffel, Bornheim

| Nach Auffassung des BFH im Urteil vom 13.9.23 (II R 49/21, Abruf-Nr. 238725) ist der 90 %-Test in § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG dahin gehend auszulegen, dass bei Handelsunternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen aus Finanzmitteln i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG besteht und nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 EStG dient, die Finanzmittel um die betrieblich veranlassten Schulden zu kürzen sind. Mit Spannung war die Reaktion der Finanzverwaltung auf dieses Urteil erwartet worden. Nun liegen die Fakten auf dem Tisch. |

1. BFH-Urteil vom 13.9.23 und Reaktion der Finanzverwaltung

In den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.24 (S 3812b) hat sich die Finanzverwaltung für die Anwendung des BFH-Urteils nicht nur auf Handelsunternehmen ausgesprochen, sondern auf alle Unternehmen, deren begünstigungsfähiges Vermögen nach seinem Hauptzweck einer Tätigkeit im land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Bereich dient. Dabei beschränkt sich die Finanzverwaltung auf die Verrechnung der Finanzmittel mit Schulden und lässt den Sockelbetrag außer Ansatz. Dem BFH-Urteil vom 13.9.23 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Sachverhalt

Der Vater schenkte seiner Tochter im Jahr 2017 alle Anteile an einer GmbH, die ein Unternehmen für den Vertrieb von Arzneimitteln und Medizinprodukten betrieb und auch forschend tätig war. Das Feststellungsfinanzamt stellte den Wert der Anteile auf 555.975 EUR fest, die Summe der gemeinen Werte der Finanzmittel auf 2.517.649 EUR, die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 EUR und die Summe der gemeinen Werte der Schulden auf 3.138.504 EUR. Die Gegenüberstellung der Finanzmittel von 2.517.649 EUR zum Wert der GmbH-Anteile von 555.975 EUR führte zu einem deutlichen Übersteigen der 90 %-Marke und somit zur Versagung der Begünstigungsfähigkeit der geschenkten GmbH-Anteile.

Dagegen kommt der BFH zu einem für den Steuerpflichtigen günstigeren Ergebnis: Er lässt nämlich für die Vergleichsrechnung die Verrechnung der Finanzmittel mit den Schulden zu, um dann den verbleibenden Saldo zu dem Anteilswert ins Verhältnis zu setzen. Das Ergebnis begründet der BFH mit einer ausführlichen Auslegung des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG nach Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck des Gesetzes und der Entstehungsgeschichte.

Beachten Sie | Der BFH korrigiert damit den systematischen Fehler, den Bruttowert in Form von Finanzmitteln und Verwaltungsvermögen ohne Schuldenabzug mit einem Nettowert, nämlich dem Wert des Unternehmens unter Abzug aller Schulden, zu vergleichen. Vielmehr setzt er Zähler und Nenner in der Formel zum 90 %-Test auf vergleichbare Nettowerte.

Unglücklicherweise hat der BFH in seinem Leitsatz die Verrechnung der Finanzmittel mit Schulden ausschließlich auf Handelsunternehmen bezogen, sodass die Diskussion aufkam, inwieweit auch andere Unternehmen von dieser Verrechnung für den 90 %-Test profitieren sollten. Aus den Urteilsgründen konnte zwar eine über Handelsunternehmen hinausgehende – am Hauptzweck des Unternehmens ausgerichtete – Anwendung entnommen werden. Die Finanzverwaltung war aber vor Bekanntgabe der Ländererlasse vom 19.6.24 restriktiv eingestellt, wie ich in meinen Fällen häufig erfahren musste.

2. Klarstellungen vorab

Die Finanzverwaltung stellt in den gleichlautenden Ländererlassen vom 19.6.24 vorab klar, dass sie die Grundsätze des BFH-Urteils vom 13.9.23 nicht nur bei Zuwendung von Anteilen an Kapitalgesellschaften anwenden will, sondern auch bei Übertragung eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, eines Einzelunternehmens, eines Teilbetriebs oder eines Mitunternehmeranteils (§ 13b Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG). Des Weiteren stellt sie klar, dass das Urteil nicht nur für die Schenkungsteuer, sondern auch für die Erbschaftsteuer anzuwenden ist.

Schließlich will sie das Urteil über die Handelsunternehmen hinaus auf alle Unternehmen anwenden, die nach ihrem Hauptzweck einer Tätigkeit i. S. d. § 13 Abs. 1, des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 oder des § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG nachgehen. Und dies vor dem Hintergrund, dass der BFH das Problem der Verrechnung von Finanzmitteln mit Schulden als solches vorrangig bei Handelsunternehmen herausgestellt hat.

3. Prüfungsschema

Für den 90 %-Test ist künftig, so die gleichlautenden Ländererlasse vom 19.6.24 unter Tz. 3, nach folgendem Berechnungsschema vorzugehen.

90 %-Test (Prüfung nach § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG)
  • Festgestellter Wert der Finanzmittel (einschließlich junge Finanzmittel) § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG
  • – festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
  • = Zwischenwert I, mindestens 0 EUR
  • – festgestellter Wert der Schulden
  • = Zwischenwert II, mindestens 0 EUR
  • + festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
  • = anzusetzender Wert der Finanzmittel
  • + festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschließlich junges Verwaltungsvermögen) i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG
  • = Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test
Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test ÷ festgestellter Wert des (Anteils des) Betriebsvermögens = Verwaltungsvermögensquote ≥ 90 %, dann insgesamt kein begünstigtes Vermögen
Beispiel
Folgende Feststellungen des Betriebsfinanzamts nach § 13b Abs. 10 ErbStG liegen vor:
Festgestellter Wert des Betriebsvermögens
500.000 EUR
Festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens
210.000 EUR
Festgestellter Wert des jungen Verwaltungsvermögens
100.000 EUR
Festgestellter Wert der Finanzmittel
150.000 EUR
Festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
90.000 EUR
Festgestellter Wert der Schulden
70.000 EUR
Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 4 und 5 ErbStG erfüllt sind
Festgestellter Wert der Finanzmittel, § 13b Abs. 4 Nr. 5 ErbStG
(einschließlich junge Finanzmittel)
150.000 EUR
  • – festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
– 90.000 EUR
  • = Zwischenwert I, mindestens 0 EUR
60.000 EUR
  • – festgestellter Wert der Schulden
– 70.000 EUR
  • = Zwischenwert II, mindestens 0 EUR
0 EUR
  • + festgestellter Wert der jungen Finanzmittel
+ 90.000 EUR
  • = anzusetzender Wert der Finanzmittel
90.000 EUR
  • + festgestellter Wert des Verwaltungsvermögens (einschl. junges Verwaltungsvermögen) i. S. d. § 13b Abs. 4 Nr. 1 bis 4 ErbStG
+ 210.000 EUR
  • = Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test
300.000 EUR
Verwaltungsvermögen für den 90 %-Test 300.000 EUR ÷ festgestellter Wert des Betriebsvermögens 500.000 EUR = Verwaltungsvermögensquote 60 %

Beachten Sie | Die Finanzverwaltung lehnt es ab, beim 90 %-Test neben den Schulden auch einen zusätzlichen Sockelbetrag i. H. v. 15 % des Unternehmenswerts von den Finanzmitteln abzuziehen. Dies lässt sich dem BFH-Urteil vom 13.9.23 nicht eindeutig entnehmen, wie auch die unterschiedlichen Auffassungen in der Literatur zeigen.

4. Angaben zum Hauptzweck vom Feststellungsbescheid

Die Finanzverwaltung lehnt sich in den gleichlautenden Ländererlasse vom 19.6.24 bei der Hauptzweckprüfung als Voraussetzung für die Verrechnung von Finanzmitteln und Schulden beim 90 %-Test an den Wortlaut in § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 4 ErbStG an. Dort wird der Hauptzweck für den Abzug des Sockelbetrags von 15 % des Unternehmenswerts gefordert und in der Weise umschrieben, dass darunter Tätigkeiten i. S. d. § 13 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 18 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG fallen. Hier greift die Finanzverwaltung den Hinweis im BFH-Urteil vom 13.9.23 unter Rz. 24 auf. Dort führt der BFH aus, dass mit der Anwendung des „Hauptzweckansatzes“ im Rahmen des § 13b Abs. 2 ErbStG für die Finanzverwaltung kein administrativer Mehraufwand verbunden sei, weil sie diesen bereits für die Gewährung des Sockelbetrags von 15 % des Unternehmenswerts prüfen müsse.

Merke | Ab dem 29.12.20 ist die Feststellung, ob ein Unternehmen nach dem Hauptzweck land- und forstwirtschaftlich, gewerblich oder freiberuflich tätig ist, als gesonderte Feststellung im Feststellungsbescheid aufzuführen (§ 13b Abs. 10 S. 1 ErbStG). In den Fällen der Steuerentstehung vor dem 29.12.20 wurde diese Feststellung nur nachrichtlich im Feststellungsbescheid mitgeteilt.

5. Knackpunkt „Hauptzweckansatz“

In dem Beitrag „Sockelbetrag für Finanzmittel – das sollten Sie unbedingt beachten“ (ErbBstg 23, 283) habe ich zu der Frage der Haupttätigkeit als Voraussetzung für die Gewährung des Sockelbetrags Stellung genommen, wobei diese Ausführungen künftig 1 : 1 auch für die Schuldenverrechnung bei Anwendung des 90 %-Tests gelten. Dabei lässt sich die Frage, wann eine Haupttätigkeit im unternehmerischen Bereich ausgeübt wird, weder anhand des Gesetzes noch anhand der ErbStR 2019 hinreichend beantworten.

Unproblematisch ist der Hauptzweckansatz dann, wenn ein Unternehmen ausschließlich oder fast ausschließlich gewerbliche Einkünfte i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG oder eine Gesellschaft solche Einkünfte nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG erzielt. Sollten die Einkünfte lediglich aufgrund der Rechtsform zu den gewerblichen rechnen, reicht dies für den Hauptzweckansatz nicht aus. Vielmehr kommt es auf eine originär gewerbliche Tätigkeit an, die von der Personen- oder Kapitalgesellschaft ausgeübt werden muss. Nicht begünstigt sind daher gewerblich geprägte Personengesellschaften sowie Gesellschaften, die nur aufgrund der Sonderregelung in § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG wegen einer geringfügigen gewerblichen Tätigkeit insgesamt als gewerblich behandelt werden.

Beachten Sie | Weist die Tätigkeit des Unternehmens oder der Gesellschaft sowohl gewerbliche als auch vermögensverwaltende Merkmale auf, kommt es darauf an, welche Tätigkeit überwiegt. Dabei könnte die Abgrenzung entweder nach der Höhe des Umsatzes oder des Ertrags oder anhand beider Kriterien, aber auch nach Vermögensanteilen erfolgen.

Für eine Abgrenzung nach dem Umsatz sprechen praktische Erwägungen. Der Umsatz lässt sich in den meisten Fällen ohne größere Probleme den einzelnen Tätigkeitsbereichen des Unternehmens zuordnen. Dies wird durch die BFH-Rechtsprechung zu der „nicht unwesentlichen Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG“ bestätigt, bei der eine Bagatellgröße von 3 % gemessen am Umsatz anzuwenden ist, wobei noch eine absolute Grenze von 24.500 EUR dazukommt (BFH 27.8.14, VIII R 16/11, BStBl II 16, 996). Allerdings darf nicht verkannt werden, dass eine solche Abgrenzung zu Ungereimtheiten führen kann, wenn kurz vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt Teile des Unternehmens vermietet werden oder ein Wechsel von der Vermietung zur Eigennutzung stattfindet.

Sollte auf den Ertrag abgestellt werden, bedarf es nicht nur der Abgrenzung bei den Erlösen, sondern darüber hinaus auch der Zuordnung der Aufwendungen, wobei die Zuordnung häufig teils direkt und teils indirekt vorzunehmen ist.

Schließlich könnte die Abgrenzung nach dem eingesetzten Vermögen erfolgen. Hierauf stellt die Finanzverwaltung bei Wohnungsunternehmen für die Frage ab, ob die Vermietung von eigenen Wohnungen den überwiegenden Teil der betrieblichen Tätigkeit ausmacht. Hier ist die Summe der Grundbesitzwerte der zu Wohnzwecken vermieteten Grundstücke oder Grundstücksteile in das Verhältnis zur Summe der Grundbesitzwerte aller vermieteten Grundstücke zu stellen (R E 13b.17 Abs. 2 S. 4 ErbStR 2019). Dazu wäre es beim Hauptzweckansatz erforderlich, das auf sämtliche gewerbliche Tätigkeiten entfallende Betriebsvermögen zu ermitteln und dem Unternehmenswert gegenüberzustellen.

6. Hauptzweckansatz bei Personengesellschaften

Bei Personengesellschaften kommt es für die Prüfung des Hauptzwecks auf die Tätigkeit der Gesellschaft selbst an. Die Umqualifizierung der Einkünfte nach § 15 Abs. 3 EStG hat darauf keinerlei Auswirkungen. Maßgebend ist dabei die Zuordnung des Gesamthandsvermögens; das Sonder-BV wirkt sich auf die Frage der Haupttätigkeit der Gesellschaft nicht aus. Damit werden Ungereimtheiten vermieden, die dadurch entstehen, dass sich im Sonder-BV befindliche Grundstücke, die an die Personengesellschaft vermietet und von dieser an Dritte weitervermietet werden, doppelt auswirken – z. B. bei einer Umsatzabgrenzung über die Sonderbetriebseinnahmen und die Vermietungsumsätze der Gesellschaft. Hier kommt es nur auf den Umsatz an, den die Personengesellschaft durch ihre vermögensverwaltende Tätigkeit selbst erzielt.

Bei mehrstufigen Beteiligungsverhältnissen ist auf jeder Beteiligungsstufe zu prüfen, ob das Vermögen des jeweiligen Unternehmens nach seinem Hauptzweck einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dient. Dies ergibt sich für den Sockelbetrag aus § 13b Abs. 4 Nr. 5 S. 4 ErbStG, der von dem begünstigungsfähigen Vermögen der nachgeordneten Gesellschaft bei Bestimmung des Hauptzwecks spricht (vgl. Jülicher in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, Rz. 343 zu § 13b). Bei der Obergesellschaft sind die Angaben zur Haupttätigkeit auf den nachgeordneten Feststellungsebenen in die Gesamtbetrachtung für den Verbund auf der obersten Feststellungsebene einzubeziehen (vgl. Korezkij, DStR 23, 1243 f., 1244, Tz. 3).

Die Finanzverwaltung sieht zwar auf jeder Beteiligungsstufe eine Prüfung der Haupttätigkeit vor mit dem Ziel einer Gesamtbetrachtung des Verbundes, legt dabei jedoch keine Kriterien für diese Gesamtbetrachtung fest (vgl. Leitfaden des BayLfSt vom 8.12.22, S 3102.1.1-19/22 St 34, Tz. 2.3.3.2). Hier lautet meine Empfehlung, die Haupttätigkeit auf der obersten Feststellungsebene nach dem Verhältnis der Unternehmenswerte der Unterbeteiligungen, geordnet nach begünstigt und nicht begünstigt, unter Einbeziehung des unmittelbaren Unternehmenswerts der obersten Feststellungsebene zu bestimmen, um so festzulegen, inwieweit eine Haupttätigkeit bei der Obergesellschaft im gewerblichen Bereich vorliegt.

Sollte es sich bei der Obergesellschaft um eine Holding handeln, dürfte sie trotz ihrer vermögensverwaltenden Tätigkeit durch die gewerblichen Tätigkeiten der Untergesellschaften in den Genuss einer Haupttätigkeit im gewerblichen Bereich kommen.

7. Verfahrensrecht

Die gleichlautenden Ländererlasse vom 19.6.24 unterscheiden bei der Prüfung der Haupttätigkeit danach, wann die Steuer entstanden ist. Bei Steuerentstehung bis zum 28.12.20 erfolgte die Angabe zum Hauptzweck des Unternehmens im nachrichtlichen Teil des Feststellungsbescheids (H B 151.9 ErbStH). Dadurch lag die Entscheidungskompetenz beim Erbschaftsteuerfinanzamt. Für Besteuerungszeitpunkte nach dem 28.12.20 ist für den Hauptzweck eine eigenständige Feststellung (§ 13b Abs. 10 S. 1 ErbStG) durch das Finanzamt vorzunehmen, das für das Feststellungsverfahren der Untergesellschaft zuständig ist. Dadurch sollen die in der Vergangenheit aufgetretenen Schwierigkeiten im Meinungsaustausch zwischen den beteiligten Feststellungsebenen vermieden werden.

Merke | Auch bei einer Steuerentstehung bis zum 28.12.20 soll die Erbschaftsteuerstelle die im Feststellungsbescheid enthaltenen nachrichtlichen Angaben zum Hauptzweck bei ihrer Entscheidung über die Verrechnung der Schulden mit Finanzmitteln zugrunde legen (gleichlautende Ländererlasse vom 19.6.24, Tz. 4.2).

Für die Feststellung des Hauptzwecks ist – wie gesagt – das Finanzamt zuständig, das auch den Anteil an der Untergesellschaft bewertet und den Wert feststellt (§ 13b Abs. 10 S. 3 ErbStG). Bei Anteilen an Kapitalgesellschaften, deren Wert sich nach § 11 Abs. 1 BewG aus Börsenkursen ableitet, ist die Feststellung von dem für die Gesellschaft örtlich zuständigen Finanzamt zu treffen; dies ist das Betriebsstättenfinanzamt.

8. Missbräuchliche Gestaltung

Der BFH hat im Urteil vom 13.9.23 unter Rz. 30 darauf hingewiesen, dass seine Auslegung des § 13b Abs. 2 S. 2 ErbStG im Einzelfall dazu führen könne, dass sich Unternehmen, die der Gesetzgeber aufgrund ihrer hohen Verwaltungsvermögensquote von mindestens 90 % steuerrechtlich nicht begünstigen wollte, aufgrund missbräuchlicher Gestaltungen die Begünstigung erschleichen könnten. Dies müsse durch die Anwendung des § 42 AO ausgeschlossen werden. Der BFH beruft sich hierbei auf das BVerfG-Urteil vom 17.12.14 (1 BvL 21/12, BVerGE 138, 136, Rz. 355). Die Finanzverwaltung hat den Missbrauchsgedanken des BFH in ihren Ländererlassen vom 19.6.24 aufgenommen und dadurch zu erkennen gegeben, dass sie bei ungewollten Gestaltungen mit der Härte des Gesetzeswortlauts eingreifen kann, also keine Schuldenverrechnung mit den Finanzmitteln gewährt – auch bei einer Haupttätigkeit im gewerblichen Bereich.

Wer sein Unternehmen mit Finanzmitteln anreichert und die Zweijahresfrist für die Annahme junger Finanzmittel abwartet, könnte den 90 %-Test, bedingt durch die Schuldenverrechnung, überstehen und sich dadurch den Verschonungsabschlag von 85 % für das begünstigte Vermögen einschließlich der Finanzmittel bis zur Höhe der Schulden und des Sockelbetrags sichern. Hier ist Vorsicht geboten, wenn das Unternehmen im Besteuerungszeitpunkt eine Haupttätigkeit im gewerblichen Bereich ausübt, die nach Übergang des Vermögens zu einer vermögensverwaltenden „verkümmert“.

AUSGABE: GStB 10/2024, S. 374 · ID: 50162195

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