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UmgangsrechtUmgangsregelung schließt Umgang für die übrigen Zeiten nicht per se aus
| Der BGH hat aktuell die streitige Frage geklärt, ob eine Umgangsregelung, durch die der Umgang auf einen bestimmten Rhythmus festgelegt wird oder dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zugewiesen werden, zu entnehmen ist, dass sich der Umgangsberechtigte eines Umgangs mit dem Kind in der übrigen Zeit enthalten muss. |
Sachverhalt
Abruf-Nr. 241322
Die Beteiligten sind getrennt lebende Eltern zweier minderjähriger Kinder, die bei der M leben. Der Umgang des V mit den Kindern wurde durch Beschluss dergestalt geregelt, dass ihm für „reguläre Betreuungszeiten“ und die Ferienzeiten bestimmte Tage unter Festlegung konkreter Übergabezeiten zugewiesen sind. Bei „schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die getroffene Umgangsregelung“ soll ein Ordnungsgeld und ersatzweise Ordnungshaft angeordnet werden können. V hatte darüber hinaus Umgang: Er brachte ein Kind verspätet zur M zurück und holte das andere Kind an anderen als den ihm zugewiesenen Tagen von der Schule ab und/oder nahm es für zumindest mehrere Stunden bei sich auf, wobei sich der Aufenthalt des Kindes bei ihm einmal auf mindestens drei Tage erstreckte. Das FamG hat auf Antrag der M Ordnungshaft gegen den V festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des V hat das OLG die Entscheidung abgeändert und im Übrigen zurück gewiesen. Hiergegen wendet sich die M erfolglos mit ihrer Rechtsbeschwerde (BGH 21.2.24, XII ZB 401/23, Abruf-Nr. 241322).
Entscheidungsgründe
Handelt der Verpflichtete einem Umgangstitel zuwider, kann das Gericht Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft anordnen, § 89 Abs. 1 S. 1 FamFG. Voraussetzung dafür ist eine vollstreckungsfähige Umgangsregelung, mithin eine nach Art, Ort und Zeit erschöpfende, hinreichend bestimmte und konkrete Regelung des Umgangsrechts (BGH 1.2.12, XII ZB 188/11, FK 12, 78) sowie ein hierauf bezogener Hinweis auf die möglichen Folgen einer Zuwiderhandlung, § 89 Abs. 2 FamFG. Ob eine gerichtliche Umgangsregelung, die den Umgang durch Zuweisung von Umgangszeiten positiv regelt, gleichzeitig ein hinreichend deutliches, bestimmtes und damit ordnungsmittelfähiges Gebot an den umgangsberechtigten Elternteil enthält, sich außerhalb der festgelegten Zeiten eines Umgangs mit dem Kind zu enthalten, ist umstritten:
- Teilweise wird eine derart positiv gefasste Umgangsregelung im Umkehrschluss als an den umgangsberechtigten Elternteil gerichtetes Verbot einer Kontaktaufnahme außerhalb der zugewiesenen Umgangszeiten verstanden und als auch i. d. S. vollstreckbarer Umgangstitel angesehen (OLG Jena 17.7.15, 1 WF 154/15, juris Rn. 26; Cirullies NZFam 23, 794).Z. T.: Positive Umgangsregelung enthält Kontaktverbot für die übrige Zeit
- Vertreten wird auch, dass nach Art, Umfang und Gewicht des außerhalb der zugewiesenen Umgangszeiten hergestellten Kontakts zu differenzieren ist. Danach soll eine Regelung, durch die dem Umgangsberechtigten konkrete Umgangszeiten zugewiesen werden, jedenfalls kein vollstreckbares Verbot von Kontaktaufnahmen von kurzer Dauer und untergeordneter Bedeutung, wie etwa von kurzen Wortwechseln im Rahmen zufälliger Begegnungen oder Telefonaten, von E-Mails oder Sprachnachrichten, enthalten (KG FamRZ 24, 45, 47 f.; OLG Frankfurt FamRZ 17, 744, 745).Zweite Meinung erlaubt Kontakte von untergeordneter Bedeutung
- Nach anderer Auffassung liegt in einer Regelung, die dem umgangsberechtigten Elternteil bestimmte Umgangszeiten zuweist, nicht zugleich ein hinreichend bestimmtes und damit ordnungsmittelfähiges (umfassendes) Umgangs- bzw. Kontaktverbot für die übrige Zeit (OLG Frankfurt ZKJ 18, 28, 29). Ausnahme: Neben der Zuweisung von Umgangszeiten wird ein ausdrückliches Umgangs- bzw. Kontaktverbot für die übrige Zeit in die Entscheidungsformel aufgenommen und ein diesbezüglicher Hinweis nach § 89 Abs. 2 FamFG erteilt (OLG Zweibrücken FamRZ 22, 1961).A. A.: Positive Regelung enthält kein Kontaktverbot für die übrige Zeit
Die zuletzt genannte Ansicht ist zutreffend: Welches Handlungsgebot oder -verbot eine Umgangsregelung begründet, ist durch Auslegung zu ermitteln (BGH 6.11.85, IVb ZR 73/84, FamRZ 86, 45, 46). Aus dem Regelungsgehalt ergibt sich auch, ob die Umgangsregelung vollstreckungsfähig ist und ob sich ein nach § 89 Abs. 2 FamFG erteilter Hinweis hierauf bezieht. Die Bestimmtheit ist nicht nur nach allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Grundsätzen, sondern auch wegen der mit einem Ordnungsmittel nach § 89 FamFG verbundenen Sanktionswirkung i. S. v. Art. 103 Abs. 2 GG (BT-Drucksache 16/6308, 218) bedeutsam, zumal der nach § 89 Abs. 2 FamFG erforderliche Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung nur eine Apellwirkung entfalten kann, wenn die Regelung hinreichend bestimmt ist (Spangenberg, FamRZ 15, 1726 f.). Dem Verpflichteten muss deutlich sein, was die Regelung von ihm verlangt (KG, a. a. O.; Spangenberg, a. a. O.). Die Anforderungen dürfen aber mit Blick auf die Effektivität der Vollstreckung und die elterliche Wohlverhaltenspflicht nach § 1684 Abs. 2 BGB nicht überspannt werden (BGH 1.2.12, XII ZB 188/11, FK 12, 78).
§ 1684 BGB differenziert nicht zwischen Umgangsformen. Umfasst ist jedweder – auch nur flüchtige, fernmündliche, schriftliche oder nonverbale – Kontakt mit dem Kind. Dies hat der Gesetzgeber klargestellt, indem er statt des Begriffs des „persönlichen Umgangs“ auch niederschwellige Kontaktaufnahmen wie etwa Brief- und Telefonkontakte in den Begriff des Umgangs i. S. d. § 1684 BGB einbezogen hat (BT-Drucksache 13/4899, 104 f.). Eine Regelung, die ohne nähere qualitative Eingrenzung Umgangszeiten festlegt, ist zu unbestimmt, um dem betroffenen Elternteil in der für eine Vollstreckung gebotenen Deutlichkeit zu zeigen, was von ihm außerhalb seiner Umgangszeiten erwartet wird. Insbesondere ist sie nicht ohne Weiteres als ein Verbot zu verstehen, sich jeglicher Kontaktaufnahme außerhalb der Umgangszeiten zu enthalten.
Eine solche Umgangsregelung soll i. d. R. die Umgangsrechte des Umgangsberechtigten und des Kindes sichern, hat aber ohne ausdrückliche Anordnung i. d. S. daneben nicht den Zweck, jeglichen Umgang für die übrige Zeit auszuschließen. Insbesondere bedeutet der Umgang gem. einem bestimmten Rhythmus oder einer konkreten Umgangszeit gerade nicht, dass zugleich der Kontakt des Berechtigten für weitere Zeiten ausgeschlossen ist. Vielmehr muss in einem solchen Fall der insoweit Sorgeberechtigte über einen weitergehenden Umgang im Einzelfall befinden (BGH 6.7.16, XII ZB 47/15, FK 17, 58).
Dies gilt auch für eine Regelung, durch die dem Umgangsberechtigten bestimmte Umgangszeiten als „Betreuungszeiten“ zugewiesen werden. Denn auch daraus ergibt sich nicht hinreichend klar, dass hiermit gleichzeitig der Umgang außerhalb der zugewiesenen Zeiten verboten sein soll. Eine solche Umgangsregelung stellt daher auch keinen hinreichend bestimmten Vollstreckungstitel dar, aus dem eine Pflicht des Umgangsberechtigten, sich außerhalb der ihm zugewiesenen Zeiten eines als Betreuung zu qualifizierenden Kontakts mit dem Kind zu enthalten, vollstreckt werden könnte.
Der andere Elternteil kann aber eine konkrete Verhaltensgebote oder -verbote enthaltende Umgangsregelung nach § 1684 Abs. 3 BGB, einen spezifischen Umgangsausschluss nach § 1684 Abs. 4 BGB oder ein Kontaktverbot nach § 1666 Abs. 3 Nr. 4 BGB erwirken (Cirullies, NZFam 22, 1074, 1076). Dabei muss sich ein an den Umgangsberechtigten gerichtetes Unterlassungsgebot, sich der Kontaktaufnahme mit dem Kind in der ihm nicht zum Umgang zugewiesenen Zeit zu enthalten, ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben und von dem nach § 89 Abs. 2 FamFG zu erteilenden Hinweis umfasst sein, um Grundlage für ein Ordnungsmittel zu sein.
Die Umgangsregelung enthält kein an den V gerichtetes hinreichend bestimmtes Gebot, sich außerhalb der ihm zum Umgang zugewiesenen Zeiten des Kontakts zu den Kindern zu enthalten. Sie stellt auch keinen den Anforderungen des § 89 Abs. 1 FamFG genügenden Vollstreckungstitel dar, um eine Unterlassungspflicht des V durchzusetzen. Denn sie weist dem V nur positiv bestimmte Umgangszeiten zu und enthält keine eindeutige Anordnung, der sich unmissverständlich entnehmen ließe, dass ihm Kontaktaufnahmen zu seinen Kindern außerhalb seiner Umgangszeiten untersagt sind. Auch der nach § 89 Abs. 2 FamFG erforderliche Hinweis auf die Folgen der Zuwiderhandlung gegen die Umgangsregelung erstreckt sich nicht auf ein solches Unterlassungsgebot und kann die Appellwirkung nicht entfalten.
Relevanz für die Praxis
Der BGH hat mit dieser Entscheidung einen für die Praxis wichtigen Streit entschieden und verdeutlicht, dass sich das Gebot, sich außerhalb der festgelegten Umgangszeiten jeglichen Umgangs zu enthalten, stets ausdrücklich und eindeutig aus der Umgangsregelung ergeben und von dem nach § 89 Abs. 2 FamFG zu erteilenden Hinweis umfasst sein muss, um taugliche Grundlage für die Anordnung eines Ordnungsmittels zu sein (vgl. auch die Vorinstanz OLG Frankfurt FamRZ 23, 1386). Soll außerhalb der Umgangszeiten ein Kontaktverbot bestehen, ist dies ausdrücklich zu regeln:
Musterformulierung / Kontaktverbot außerhalb der Umgangszeiten |
Außerhalb der vorstehend geregelten Umgangszeiten darf ... (ergänzen) keinen Kontakt in jeglicher Form mit den Kindern … (ergänzen) haben. |
AUSGABE: FK 8/2024, S. 134 · ID: 50020759