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ErbrechtErbschleicherei durch lebzeitige Maßnahmen vermeiden
| Es gibt keinen umfassenden gesetzlichen Schutz vor Erbschleicherei. In Teil 1 haben wir betreuungs- und vorsorgerechtliche Instrumentarien zum Schutz vor Erbschleicherei dargestellt. Der folgende Beitrag erläutert, wie Sie durch lebzeitige Maßnahmen entsprechend vorsorgen oder reagieren können. |
1. Lebzeitige Vermögensnachfolge
Erbschleicher docken sich an vermögende Opfer an. Wo es nichts zu erben gibt, gibt es keinen Erbschleicher. Dies ist die Regel, vorbehaltlich sind Ausnahmen im Einzelfall. Dennoch gilt: Wenn Vermögen an die Familie weitergegeben worden ist, ist dieses Vermögen der Erbschleicherei entzogen. Sinnvolle lebzeitige Maßnahmen können sein:
- eine lebzeitige gesellschaftsrechtliche Nachfolge bei Unternehmen,
- Immobilienschenkungen und
- die lebzeitige Verteilung von liquidem Vermögen innerhalb der zukünftigen Erbengeneration.
Diese Maßnahmen haben aber Vor- und Nachteile:
- Vorteil: Der Erbschleicher verliert Zugriffsmasse. Außerdem kommen die generellen Vorteile einer Schenkung hinzu: Freibeträge nach § 16 ErbStG können ausgenutzt werden. Vermögen kann sachgerecht verteilt werden, um Streitigkeiten im Erbfall zu vermeiden. Schenkungen mit warmer Hand sind für die Beteiligten emotional schöner.
- Nachteil: Der Schenker verliert die wirtschaftliche Dispositionsmöglichkeit über den Vermögenswert. Bei einer Schenkung sollte immer auf die wirtschaftliche Gesamtsituation geachtet werden.
2. Bindendes Testament/bindender Erbvertrag
Eheleute können per Ehegattentestament und andere Personen, z. B. nicht verheiratete Paare, mittels Erbvertrags eine Bindungswirkung des Überlebenden nach dem ersten Erbfall festlegen. Der Überlebende darf weder eine neue letztwillige Verfügung von Todes wegen erstellen noch in Beeinträchtigungsabsicht verschenken. Für den Erbschleicher wird es schwieriger, an das Vermögen des Opfers zu gelangen. In der Praxis ist dabei Folgendes zu beachten:
- Ehegattentestament und Erbvertrag müssen im Übrigen wirksam sein,
- Ehegattentestament und Erbvertrag sollten so verwahrt sein, dass der Erbschleicher diese nicht aus der Welt schaffen kann,
- die Bindungswirkung muss ausdrücklich und klar geregelt sein.
Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.
- Vorteil: I. d. R. ist weder eine Schenkung an noch ein Testament zugunsten des Erbschleichers möglich. Den festgelegten Erben wird eine starke Rechtsposition gegenüber dem Erbschleicher gegeben.
- Nachteil: Die Bindungswirkung kann nicht der Motivlage des späteren Erblassers entsprechen und macht auch eine Abänderung aus anderen Gründen nach dem ersten Erbfall unmöglich.
3. Rückforderung von Schenkungen
Steht eine Schenkung des Opfers an den Erbschleicher, ggf. durch den Erbschleicher selbst mittels einer Vorsorgevollmacht vollzogen, im Raum, ist spätestens im Erbfall eine Rückforderungsmöglichkeit zu prüfen. Im Einzelfall eröffnet sich bereits zu Lebzeiten des Opfers eine solche Möglichkeit. Rückforderungsgründe können sein:
- Grober Undank des Beschenkten, § 530 BGB,
- Verarmung des Schenkers, § 528 BGB,
- ein vertragliches Rückforderungsrecht kommt zum Tragen,
- die Schenkung ist aus anderen Gründen unwirksam, z. B. §§ 134, 138 BGB.
Diese Maßnahme ist aber mit Vor- und Nachteilen verknüpft.
- Vorteil: Bei einer erfolgreichen Rückforderung wird der Vermögenswert dem Erbschleicher entzogen und für die Familie gerettet.
- Nachteil: Eine gerichtliche Schenkungsrückforderung ist geld- und zeitintensiv und ist fast immer mit erheblichen rechtlichen Risiken verbunden.
Beachten Sie | Vorsicht ist stets geboten. Denn Erbschleicher kennen inzwischen die Instrumentarien und Schutzmaßnahmen z. T. sehr genau und greifen die erfolgte Vermögensnachfolge zu Lebzeiten an und machen sie selbst rückgängig, damit das Vermögen wieder an das Erbschleicher-Opfer zurückfällt. In Einzelfällen gehen Erbschleicher sogar noch weiter, um Vermögen bei dem Erbschleicher-Opfer anzusammeln. Es gibt Fälle, in denen Erbschleicher das Opfer zu einem Ehescheidungsverfahren drängen, damit das Opfer einen ZGA-Anspruch erhält. Dieser Geldanspruch ist dem Zugriff des Erbschleichers ausgesetzt. Umgekehrt gelingt es Erbschleichern immer wieder, Schenkungsrückforderungen zu verhindern, indem die Schenkungsverträge mit Klauseln versehen werden, die eine Rückforderung erschweren. Ein besonders drastisches Beispiel ist der Fall, dass der Vorgang nicht als Schenkung abgewickelt wird, sondern als Kauf „getarnt“ ist und der Kaufpreis mit einem Darlehensrückzahlungsanspruch des Erbschleichers verrechnet wird. Der Nachweis, dass dieser Darlehensrückzahlungsanspruch lediglich fingiert ist, bleibt im Einzelfall schwierig.
- Böh, Erbschleicherei durch betreuungs- und vorsorgerechtliche Maßnahmen vermeiden, FK 24, 125
AUSGABE: FK 8/2024, S. 143 · ID: 50029662