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Abänderung des VATotalrevision des VA ist auch nach früherem Teilausgleich möglich

Abo-Inhalt22.07.20241251 Min. LesedauerVon VRiOLG a. D. Hartmut Wick, Celle

| Auch wenn ein Versorgungsanrecht nach früherem Recht nur teilweise in den öffentlich-rechtlichen VA einbezogen werden konnte, kann es in einem Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG nach neuem Recht vollständig im Wege interner oder externer Teilung ausgeglichen werden. Dies hat der BGH entschieden. Er hat sich außerdem dazu geäußert, unter welchen Voraussetzungen eine Rechtsbeschwerde nachträglich zugelassen werden kann. |

Sachverhalt

Die früheren Eheleute M und F hatten in der Ehezeit vom 1.7.76 bis 30.11.00 jeweils Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) erworben, der M darüber hinaus ein betriebliches Anrecht bei der VW AG. Das AG hatte in der aus dem Verbund abgetrennten Folgesache VA nach dem seinerzeit geltenden Recht die beiderseitigen Anrechte der GRV nach Verrechnung der Ehezeitanteile im Wege des Rentensplittings (§ 1587b Abs. 1 BGB a. F.) ausgeglichen. Das betriebliche Anrecht des M hatte es nach der früheren BarwertVO dynamisiert und im Wege des erweiterten Splittings (§ 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG) weitere monatliche Anwartschaften der GRV i. H. d. damaligen Höchstbetrags vom Versicherungskonto des M auf das Versicherungskonto der F übertragen; im Übrigen wurde der F der schuldrechtliche VA vorbehalten.

M und F gingen später mit anderen Partnern neue Ehen ein. 2012 verlangte die F hinsichtlich des betrieblichen Anrechts des M einen schuldrechtlichen Restausgleich. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, in dem sich der M verpflichtete, eine schuldrechtliche Ausgleichsrente zu zahlen. Diese zahlte er bis zu seinem Tod 2020. Die F hat aufgrund einer Wiederverheiratungsklausel in der Versorgungsordnung gegen die VW AG keinen Anspruch auf Teilhabe an der Hinterbliebenenversorgung. Deshalb hat sie erfolglos eine Abänderung des VA nach § 51 VersAusglG beantragt. Die Beschwerde der F wurde vom OLG zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die F mit ihrer Rechtsbeschwerde, die das OLG erst nachträglich aufgrund einer Gegenvorstellung der F zugelassen hat. Der BGH verwirft dieses Rechtsmittel als unzulässig (BGH 17.1.24, XII ZB 140/22, Abruf-Nr. 240304).

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, wenn das Beschwerdegericht sie im angefochtenen Beschluss ausdrücklich zugelassen hat, § 70 Abs. 1 FamFG. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der angefochtene Beschluss des OLG enthielt keinen Ausspruch der Zulassung. Die vom OLG nachträglich ausgesprochene Zulassung bindet den BGH nicht. Sie ist unwirksam, weil sie nach dem Verfahrensrecht nicht hätte ausgesprochen werden dürfen:

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde, die im Ausgangsbeschluss unterblieben ist, ist nicht nachholbar, § 43 Abs. 1 FamFG. Dies gilt auch, wenn das OLG nicht bedacht hatte, dass die Zulassung notwendig ist. Eine Gehörsrüge nach § 44 FamFG könnte zwar nachträglich zur Zulassung führen, wenn das Beschwerdegericht den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt hat. F hat hier aber keine Gehörsrüge, sondern ausdrücklich eine Gegenvorstellung entsprechend § 321a ZPO erhoben. Sie kann nicht dazu führen, dass die Rechtsbeschwerde nachträglich zugelassen wird.

Die Gegenvorstellung ist nicht gesetzlich geregelt. Sie kommt nur gegen formell rechtskräftige Entscheidungen in Betracht, die nicht in materielle Rechtskraft erwachsen sind oder diese zwar herbeiführen, aber nach der maßgeblichen Verfahrensordnung noch nicht unabänderbar sind. Da Entscheidungen des Beschwerdegerichts in VA-Verfahren jedoch materieller Rechtskraft fähig sind, und es außer der Gehörsrüge nach § 44 FamFG keinen weiteren Rechtsbehelf gibt, der die Bindung an die eigene Entscheidung aufheben könnte, ist die Gegenvorstellung hier unzulässig. Die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde aufgrund einer Gegenvorstellung ist allenfalls akzeptabel, wenn das Beschwerdegericht die Zulassung willkürlich verweigert hat, was einen krassen Verstoß gegen die Zulassungspflicht gem. § 70 Abs. 2 FamFG erfordert.

Es reicht nicht aus, dass das Beschwerdegericht aufgrund der Gegenvorstellung zu dem Schluss kam, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung vorliegen. Willkür liegt nur vor, wenn die Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt mehr vertretbar ist. Nicht ausreichend ist dagegen, dass die Zulassung der Rechtsbeschwerde „versehentlich“ unterblieben ist. Auch wenn der Wille des Gerichts – wie hier das Beratungsergebnis des OLG – aufgrund eines Versehens in dem Beschluss unrichtig oder unvollständig wiedergegeben worden ist, rechtfertigt dies keinen Rückschluss auf sachfremde Erwägungen. Verlautbarungsmängel können gem. § 42 FamFG nur durch einen Berichtigungsbeschluss korrigiert werden. Dieser setzt aber voraus, dass sich aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst oder mindestens aus den Vorgängen, die zu seinem Erlass oder seiner Verkündung geführt haben, für Dritte eindeutig ergibt, dass die Rechtsbeschwerde schon in dem ursprünglichen Beschluss hatte zugelassen werden sollen. Die Gegenvorstellung kann nicht dafür herangezogen werden, auch Verlautbarungsmängel zu korrigieren, die auf gerichtsintern gebliebenen Versehen beruhen.

Die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung und der Fortbildung des Rechts (§ 70 Abs. 2 S. 1 FamFG) liegen nicht vor. Grundsätzlich bedeutsam ist nach Ansicht des OLG die – von ihm bejahte – Rechtsfrage, ob die „Totalrevision“ nach § 51 VersAusglG auch für betriebliche Anrechte gilt, die teilweise in den öffentlich-rechtlichen VA einbezogen wurden, wenn deswegen zuvor ein schuldrechtlicher Restausgleich nach neuem Recht stattgefunden hat. Dies muss nicht höchstrichterlich geklärt werden, da es nicht kontrovers diskutiert wird. Diese Rechtsfrage ist auch zu verneinen. Auch diejenigen Anrechte, die nach früherem Recht nur teilweise in den öffentlich-rechtlichen VA einbezogen werden konnten, gehören zu den „einbezogenen Anrechten“ i. S. d. § 51 Abs. 1 VersAusglG. Folge: Sie können nach neuem Recht im Wege interner oder externer Teilung vollständig ausgeglichen werden.

Das gilt insbesondere für betriebliche Anrechte, die in der abzuändernden Ausgangsentscheidung – wie hier das Anrecht des M bei der VW AG – im Wege des erweiterten Splittings nach § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag auszugleichen waren. Würde die Totalrevision nach § 51 Abs. 1 VersAusglG solche Anrechte nicht erfassen, müsste der Ausgleichsberechtigte wegen des betrieblichen Anrechts des Ausgleichspflichtigen vollumfänglich auf den schuldrechtlichen VA verwiesen werden. Damit stünde er in Bezug auf den Erwerb eines selbstständigen Versorgungsanrechts schlechter als nach altem Recht, nach dem er im Wege des öffentlich-rechtlichen Teilausgleichs in der GRV ein selbstständiges Anrecht erlangt hatte. Es wäre nicht nachvollziehbar, wenn sich seine Rechtsstellung bei der Totalrevision nur deshalb verschlechtern sollte, weil er den Ausgleichspflichtigen bereits auf einen schuldrechtlichen Restausgleich in Anspruch genommen hatte. Auch in diesem Fall bleibt es dabei, dass ein nur teilweise in den öffentlich-rechtlichen VA einbezogenes betriebliches Anrecht bei einer Totalrevision vollständig intern oder extern geteilt werden kann.

Klärungsbedürftig ist zwar ggf., ob der in § 51 Abs. 4 VersAusglG normierte Vorrang des schuldrechtlichen VA einem (auf Dynamisierungsverfehlungen gestützten) Abänderungsbegehren nach § 51 Abs. 3 VersAusglG auch entgegensteht, wenn der Berechtigte – insbesondere wegen einer Wiederverheiratungsklausel in der Versorgungsordnung des Versorgungsträgers – nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen nicht an der Hinterbliebenenversorgung nach § 25 VersAusglG teilhat. Darauf kommt es hier aber nicht an. Denn das OLG ist zugunsten der F davon ausgegangen, dass § 51 Abs. 4 VersAusglG keine Sperrwirkung entfaltet, wenn Ansprüche nach § 25 VersAusglG ausgeschlossen sind. Von seinem Standpunkt aus kam es folgerichtig darauf nicht an, weil die F allein infolge des schuldrechtlichen Restausgleichs daran gehindert war, sich zum Zweck der Totalrevision bezüglich des betrieblichen Anrechts auf Wertveränderungen i. S. v. § 51 Abs. 1 und 2 VersAusglG oder auf Dynamisierungsverfehlungen nach § 51 Abs. 3 VersAusglG zu berufen.

Relevanz für die Praxis

Der BGH hat neben verfahrensrechtlichen auch materiell-rechtliche Fragen geklärt: Eine Totalrevision des öffentlich-rechtlichen VA nach § 51 VersAusglG ist auch in Bezug auf Anrechte möglich, die nach früherem Recht nur teilweise in den öffentlich-rechtlichen VA einbezogen werden konnten. Auch solche Anrechte waren „in den Ausgleich einbezogen“ i. S. v. § 51 Abs. 1 VersAusglG. Damit ist es bei einer wesentlichen Wertänderung i. S. v. § 51 Abs. 2 VersAusglG möglich, den öffentlich-rechtlichen VA abzuändern. Das gilt auch, wenn eine Abänderung wegen Dynamisierungsverfehlungen nach § 51 Abs. 3 VersAusglG gem. Abs. 4 dieser Norm ausgeschlossen ist (BGH FK 20, 174).

Auch wenn – wie hier – zwischenzeitlich ein schuldrechtlicher Restausgleich erfolgt war, ist noch ein Abänderungsverfahren nach § 51 VersAusglG möglich. Voraussetzung dafür ist nur, dass bei zumindest einem der in die Ausgangsentscheidung einbezogenen Anrechte eine wesentliche Wertänderung eingetreten ist. Dabei muss es sich nicht einmal um eine Wertänderung handeln, die sich zugunsten des Ausgleichsberechtigten auswirkt (BGH 18.10.23, XII ZB 197/23, FK 24, 122). Wenn der Abänderungsantrag erfolgreich ist, ist die Entscheidung dahin abzuändern, dass die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach neuem Recht intern oder extern zu teilen sind. Eine über den schuldrechtlichen Restausgleich ergangene Entscheidung ist aufzuheben.

Attraktiv ist die Abänderungsmöglichkeit für einen Ausgleichsberechtigten, der – wie hier die F – wieder verheiratet ist, aber aufgrund der neuen Ehe wegen einer Klausel in der Versorgungsordnung des betreffenden Versorgungsträgers nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen keinen Anspruch darauf hat, an der Hinterbliebenenversorgung teilzuhaben. Mit einem erfolgreichen Abänderungsantrag kann der Berechtigte erreichen, dass er auch nach dem Tod des Ausgleichspflichtigen weiter vom VA profitiert oder – wenn er in der Ehe insgesamt höhere Anrechte erworben hat – dass der VA (mit Wirkung für die Zukunft) sogar rückgängig gemacht wird (BGH FK 18, 199; 20, 174).

In allen FamFG-Verfahren ist die Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn das Beschwerdegericht in seiner Entscheidung ausdrücklich ausgesprochen hat, dass es diese zulässt, § 70 Abs. 1 FamFG. Enthält die Entscheidung keinen solchen Ausspruch, ist die Rechtsbeschwerde unzulässig. Das gilt auch, wenn sich aufdrängt, dass die (in § 70 Abs. 2 S. 1 FamFG geregelten) Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt sind. In diesem Fall ist aber für einen Beteiligten, zu dessen Nachteil die Beschwerdeentscheidung ausgefallen ist und der den BGH anrufen möchte, fraglich, wie er nachträglich die Zulassung der Rechtsbeschwerde erreichen kann. Der BGH stellt dafür hohe Hürden auf:

  • Eine Ergänzung der Beschwerdeentscheidung nach § 43 Abs. 1 FamFG kommt regelmäßig nicht in Betracht, selbst wenn die Zulassung der Rechtsbeschwerde ausdrücklich beantragt worden war und sich das Beschwerdegericht dazu nicht geäußert hat. Auch für eine Berichtigung ist i. d. R. kein Raum. Denn dafür müsste eine „offenbare Unrichtigkeit im Beschluss“ vorliegen, § 42 Abs. 1 FamFG, d. h., es müsste sich aus dem Beschluss selbst oder den Akten ergeben, dass das Beschwerdegericht die Zulassung der Rechtsbeschwerde aussprechen wollte.
  • Nach der neueren BGH-Rechtsprechung ist offen, ob die gesetzlich nicht geregelte Gegenvorstellung überhaupt noch statthaft ist. Jedenfalls darf das Gericht nicht nachträglich die Rechtsbeschwerde zulassen, weil es seine Entscheidung daraufhin überdacht hat und meint, die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG lägen vor. Dies gilt selbst, wenn diese Auffassung objektiv richtig wäre. Die nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde muss vielmehr auf der Feststellung beruhen, dass das Gericht mit seiner ursprünglichen Entscheidung, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, gegen Verfahrensgrundrechte des Rechtsmittelführers verstoßen hat. Ein ausdrücklich als „Gegenvorstellung“ bezeichneter Rechtsbehelf kann auch nicht in eine Gehörsrüge umgedeutet werden, wenn nicht ausdrücklich ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör gerügt wird.
  • Erfolg versprechend ist am ehesten eine (ausdrückliche) Gehörsrüge nach § 44 FamFG. Diese muss schon während des Beschwerdeverfahrens vorbereitet werden. Der Anwalt des Betroffenen sollte ausdrücklich die Zulassung der Rechtsbeschwerde beantragen und die Zulassungsvoraussetzungen substanziiert begründen.

AUSGABE: FK 8/2024, S. 139 · ID: 50047421

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