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ZugewinnausgleichLange Güterrechtsverfahren durch den vorzeitigen Zugewinnausgleich vermeiden
| Der vorzeitige Zugewinnausgleich (ZGA) spielt in der Praxis keine große Rolle. Tatsächlich lohnt es sich aber, diesen insbesondere bei längeren Verfahren in Betracht zu ziehen, zumal die Zinsen wieder gestiegen sind. |
Inhaltsverzeichnis
1. Gründe für den vorzeitigen ZGA
Gem. § 1385 BGB kann beantragt werden, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben und vorzeitig den ZGA geltend zu machen, wenn
- die Ehegatten mindestens drei Jahre getrennt leben,
- Handlungen der in § 1365 oder § 1375 Abs. 2 BGB bezeichneten Art zu befürchten sind und dadurch erheblich gefährdet ist, dass die Ausgleichsforderung erfüllt wird,
- ein Ehegatte längere Zeit hindurch die wirtschaftlichen ehelichen Pflichten schuldhaft nicht erfüllt und wohl auch künftig nicht erfüllen wird, oder
- der andere Ehegatte sich ohne ausreichenden Grund beharrlich weigert oder geweigert hat, ihn über den Bestand seines Vermögens zu unterrichten.
Wird die ZGA-Forderung als Folgesache im Verbund beantragt, können Prozesszinsen gem. § 291 BGB erst ab Rechtskraft des Ehescheidungsbeschlusses verlangt werden. Dies kann bei einem aktuell gestiegenen Basiszinssatz und Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vor allem bei größeren Ausgleichsbeträgen viel ausmachen.
Beispiel |
Die ZGA-Forderung: beträgt 100.000 EUR. Die Verzugszinsen betragen im Zeitraum vom 1.1.23 bis 14.05.23: 120 Tage bei einem Zinssatz von 6,62 Prozent = 2.176,44 EUR. Hinzu kommen täglich 18,14 EUR weitere Zinsen. |
Der ausgleichsberechtigte Ehegatte „verliert“ allein in den viereinhalb Monaten 2.176,44 EUR, weil die Ehe noch nicht rechtskräftig geschieden ist.
Ist absehbar, dass es noch dauern wird, bis die Scheidung rechtskräftig wird oder ist bisher noch nicht einmal ein Scheidungsverfahren anhängig, sollte der Anwalt des Ausgleichsberechtigten gem. § 1386 BGB die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft (Gestaltungsantrag) bzw. gem. § 1386, § 1385 Nr. 1 BGB die vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und vorzeitigen ZGA (Leistungsantrag) beantragen. Denn gem. § 291, § 288 Abs. 1 S. 1 BGB können die Prozesszinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins auf die ZGA-Forderung gem. § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB geltend gemacht werden, sobald der Güterstand beendet ist. Gem. § 1388 BGB tritt mit der Rechtskraft der Entscheidung, die die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufhebt, Gütertrennung ein. Ab diesem Zeitpunkt ist die Forderung gem. § 271 BGB fällig (OLG Zweibrücken FamRZ 04, 1032).
Gem. § 1386 i. V. m. § 1385 Nr. 1 BGB kann der Ausgleichsberechtigte verlangen, dass die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufgehoben und der ZGA vorzeitig erfolgt, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren getrennt leben. Weitere Voraussetzungen gibt es nicht, insbesondere bedarf es keines besonderen Rechtsschutzinteresses (Grüneberg/Götz, BGB, 82. Aufl., § 1386 Rn. 9).
2. Konstellationen des vorzeitigen ZGA
Beim vorzeitigen ZGA sind folgende Konstellationen zu unterscheiden:
a) Kein anhängiges Ehescheidungsverfahren
Es gibt zwei Möglichkeiten:
aa) Nur Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft
Da Prozesszinsen gem. § 291, § 288 Abs. 1 S. 2 BGB erst ab Rechtskraft der Entscheidung über die Aufhebung der Zugewinngemeinschaft verlangt werden können, ist der isolierte Antrag, die Zugewinngemeinschaft aufzuheben, sinnvoll, wenn zunächst außergerichtlich Lösungen gesucht werden sollen. Stichtag für das Endvermögen ist der Tag, an dem der Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft zugestellt wird.
bb) Antrag auf vorzeitige Aufhebung der Zugewinngemeinschaft und ZGA
Wie bei dem isolierten Antrag, die Zugewinngemeinschaft aufzuheben, werden die Prozesszinsen bei dem Antrag, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben und den Zugewinn auszugleichen, die Prozesszinsen gesichert.
Das Verfahren wegen vorzeitigen ZGA ist ein selbstständiges Verfahren. Der ZGA kann nicht mehr zusammen mit einem Ehescheidungsantrag als Folgesache geltend gemacht werden, da der Güterstand bereits beendet ist und der ZGA nicht mehr „für den Fall der Scheidung“ beantragt werden kann. Ein selbstständiges Verfahren ist teurer. Es gibt keine Kostenaufhebung.
Musterantrag / Kombination §§ 1385, 1386 BGB* |
(Musterantrag nach Haus/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 7. Aufl., Kap. 1, 12. Abschnitt, Rn. 1048) |
b) Ehescheidungsverfahren ist bereits anhängig
Ist ein Scheidungsverbund mit Folgesache ZGA anhängig, kann nur nach § 1386 BGB beantragt werden, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben, da für einen weiteren Zahlungsantrag gem. § 1385 Nr. 1 BGB das Rechtschutzbedürfnis fehlt (Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 7. Aufl., Kap. 1, 12. Abschnitt, Rn. 1054; OLG Dresden FamRZ 17, 1563).
Wird die Entscheidung, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben, rechtskräftig, ist der Güterstand der Zugewinngemeinschaft beendet und die Folgesache Güterrecht erledigt. Das Gericht trennt in diesem Fall die Folgesache ZGA vom Ehescheidungsverfahren auf Antrag ab und führt diese als selbstständiges Verfahren analog § 141 FamFG weiter.
Merke | Der Abtrennungsantrag muss jedoch gestellt werden, bevor der Aufhebungsbeschluss rechtskräftig wird, da sonst die Folgesache ZGA kostenpflichtig abgewiesen wird (BGH FamRZ 19, 1535; AG Koblenz FamRZ 16, 1394). |
Ist ein Scheidungsverfahren anhängig, kann auch der Antrag nach § 1385 Nr. 1 BGB gestellt werden, jedoch nicht als Folgesache, da keine Entscheidung für den Fall der Scheidung beantragt wird (BGH FamRZ 19, 1045; OLG Dresden FamRZ 17, 1563). Zudem kann die Folgesache ZGA anhängig gemacht werden. Wird die Entscheidung, den ZGA vorzeitig aufzuheben, aber rechtskräftig, bevor die Scheidung rechtskräftig wird, ist die Folgesache auf rechtzeitigen Antrag hin vom Verbund abzutrennen und als selbstständiges Verfahren fortzuführen (BGH, a. a. O.; OLG, Koblenz, a. a. O.). Da ein Antrag auf vorzeitigen ZGA jedoch nur gestellt werden sollte, wenn damit gerechnet wird, dass sich die Ehescheidung noch länger hinziehen wird, sollte in diesem Fall davon abgesehen werden, den ZGA parallel als Folgesache anhängig zu machen. Der Stichtag richtet sich in diesem Fall nach dem früher rechtshängig gewordenen Ehescheidungsantrag.
Wird die Ehescheidung vor der Entscheidung darüber, den ZGA vorzeitig aufzuheben, rechtskräftig, erledigt sich der Antrag, die ZGA vorzeitig aufzuheben (BGH FamRZ 19, 1535; OLG Düsseldorf FamRZ 02, 1572). Der vorzeitige Antrag auf ZGA ist in einen Antrag auf ZGA zu ändern. Er ist nur zulässig, wenn das Gericht ihn für sachdienlich erklärt (BGH, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.).
Die Abtrennung der Folgesache ZGA aus dem Verbund setzt voraus, dass sich der Scheidungsausspruch außergewöhnlich verzögern würde und ein weiterer Aufschub gem. der Bedeutung der Folgesache eine unzumutbare Härte für den Antragsteller darstellen würde, § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG. Wird die Folgesache ZGA nach dieser Vorschrift vom Verbund abgetrennt, bleibt sie gem. § 137 Abs. 5 FamFG eine Folgesache. Folge: Es können keine Zinsen nach § 291, § 288 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt werden. Um die Zinsen zu sichern, ist zu beantragen, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben. Die Folgesache wird als selbstständiges Verfahren fortgeführt.
Praxistipp | Liegen die Voraussetzungen der Abtrennung gem. § 140 Abs. 2 Nr. 5 FamFG nicht vor, kann über den Antrag, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben, eine Abtrennung herbeigeführt werden. |
c) Verfahrenswert und Kostentragungspflicht
Gem. § 42 Abs. 1 und 3 FamGKG bestimmt sich der Verfahrenswert für den Antrag, die Zugewinngemeinschaft vorzeitig aufzuheben, nach dem Interesse des Antragstellers, das i. d. R. mit einem Viertel der voraussichtlichen ZGA-Forderung angenommen wird (OLG Nürnberg FamRZ 98, 685).
Wird daneben ein Antrag nach § 1385 BGB gestellt, addieren sich die beiden Werte, da sie in keinem Stufenverhältnis stehen (OLG Nürnberg, a. a. O.).
Die Kostentragungspflicht richtet sich bei selbstständigen Verfahren nach §§ 113 FamFG, 91 ZPO.
Merke | Wäre der Antragsgegner bereit gewesen, Gütertrennung zu vereinbaren, und beantragt der Antragsteller dennoch, den Güterstand vorzeitig aufzuheben, kann der Antragsgegner sofort anerkennen mit der Folge des § 93 ZPO. |
- Kohlenberg, Vorzeitiger Zugewinnausgleich: So gelingt er auch verfahrensrechtlich, FK 18, 124 ff.
- derselbe, Stufenantrag auf vorzeitigen ZGA, FK 18, 126
- derselbe, Warum Sie den vorzeitigen Zugewinnausgleich aus seinem Dornröschenschlaf wecken sollten, FK 18, 104 ff.
AUSGABE: FK 2/2024, S. 32 · ID: 49493245