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Postmortales VaterschaftsfeststellungsverfahrenGenDG steht der Einholung eines Abstammungsgutachtens im Ausland entgegen

Abo-Inhalt01.01.2024205 Min. LesedauerVon RA Dr. Marko Oldenburger, FA Familienrecht und FA Medizinrecht, Hamburg, Lehrbeauftragter (Universität Münster)

| Das OLG Celle hat eine ausländische abstammungsrechtliche Untersuchung abgelehnt. Es bestehe ein Beweisverwertungsverbot, da unklar sei, ob dort die Vorgaben des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen (GenDG) eingehalten würden. |

Sachverhalt

Die Ehe der Eltern (M und V) eines mittlerweile volljährigen Kindes K wurde geschieden. Die M verstarb. Der V teilte mit, dass er nicht der leibliche Vater sei, dies dürfte sein verstorbener Halbbruder B sein. K focht die rechtliche Vaterschaft des V erfolgreich an und beantragte, den B als Vater festzustellen. Für ein genetisches Abstammungsgutachten standen noch Gewebeproben sowie die Zeugenaussage des V zur Verfügung. Sachverständigenseits konnte die Vaterschaft mangels ausreichender Probenqualität nicht festgestellt werden. Aus der Zeugenaussage ergab sich, dass die M bestätigt habe, mit dem B wohl im Dezember 86 intim gewesen zu sein. Im Februar 87 sei dem V gegenüber die Schwangerschaft eröffnet worden, nach der Geburt des K habe dieser den B mit der möglichen Vaterschaft konfrontiert, der ihm gegenüber zugegeben habe, dass dies mehr als nur Gerede sei. Konkrete Informationen über einen möglichen Geschlechtsverkehr gebe es allerdings nicht. Eine durchgeführte biostatistische Auswertung nach einem Verwandtschaftsprogramm ergab eine Wahrscheinlichkeit von 51,7 Prozent für und von 48,3 Prozent gegen eine leibliche Vaterschaft des V. Das Familiengericht wies den Feststellungsantrag und das OLG die eingelegte Beschwerde als unbegründet zurück.

Leitsätze: OLG Celle 30.1.23, 21 UF 124/20

  • 1. Kann die Abstammung eines Kindes nicht über ein DNA-Abstammungsgutachten festgestellt werden, weil hierfür nicht ausreichendes genetisches Material des verstorbenen und eingeäscherten potenziellen Vaters zur Verfügung steht und andere Verwandte für ein Gutachten (§ 178 Abs. 1 FamFG) nicht in Betracht kommen, umfasst die Verpflichtung zur Amtsermittlung nach § 26 FamFG es nicht, nicht näher konkretisierten Behauptungen des Kindes nachzugehen, Kleidungsstücke mit möglichen genetischen Spuren des Verstorbenen befänden sich noch in der Wohnung der Witwe.
  • 2. Einer Beweisaufnahme zur Feststellung der Vaterschaft durch eine genetisch-genealogische Analyse, die unter Verwendung einer genetischen Probe des Kindes durch einen Dienstleister im Ausland durchgeführt werden müsste, steht nach den §§ 1, 12, 13, 17 GenDG ein Beweiserhebungsverbot entgegen.
  • 3. Die Feststellung der Vaterschaft aufgrund der Vermutung nach § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB setzt voraus, dass die Beiwohnung in der gesetzlichen Empfängniszeit zur Überzeugung des Gerichts (§ 37 FamFG) nach einer erfolgten Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen erwiesen ist.
  • (Abruf-Nr. 238603)

Entscheidungsgründe

Aus den Begutachtungen ist keine abstammungsrechtliche Zuordnung feststellbar. Es ist nicht Aufgabe des Tatrichters, im Rahmen der Amtsermittlung zu prüfen, ob etwa noch andere Kleidungsstücke oder Ähnliches vorhanden sind, die es ggf. ermöglichen, DNA-Material zu extrahieren, um eine genetische abstammungsrechtliche Überprüfung vornehmen zu können. Es ist nicht jeder nur denkbaren Möglichkeit nachzugehen, da hier genauso in Betracht kommt, dass aufgrund des Zeitablaufs Kleidungsstücke entsorgt und nicht mehr vorhanden sind. Die Nachfrage hat jedenfalls ergeben, dass Kleidungsstücke tatsächlich nicht mehr vorgehalten werden.

Die Vermutung einer Beiwohnung i. S. v. § 1600d Abs. 2 S. 1 BGB greift hier ebenfalls nicht, da aufgrund der Aussage des V keine zeitliche Konkretisierung möglich ist. Es ist auch nicht feststellbar, dass Mehrverkehr nicht stattgefunden hat. Denn die Zeugenaussage beinhaltet in Bezug auf außerehelichen Geschlechtsverkehr der M keine dementsprechenden Inhalte. Die Indizien sprechen ebenfalls nicht für die Überzeugung, dass der B tatsächlich leiblicher Vater ist. Um dies feststellen zu können, ist zwar an eine genetische genealogische Untersuchung zu denken, wie vom Sachverständigen vorgeschlagen. Diese Untersuchung ist jedoch von einem Beweiserhebungsverbot belegt. Denn es ist gem. § 17 GenDG nicht gewährleistet, dass der ausländische Dienstleister die gesetzlichen Vorgaben beachtet, um die Analyseergebnisse aufzubewahren und zu vernichten sowie die Proben zu verwenden und zu vernichten. Zudem ist unklar, ob dort verwendete, gespeicherte genetische Vergleichsdaten mit Einwilligung der betroffenen Person erhoben worden sind. Erleichterungen, wie sie § 17 Abs. 8 GenDG für Verfahren bei Pass- oder Personalausweisen sowie in Bezug auf Auslandsvertretungen oder Ausländerbehörden beim Familiennachzug gem. Aufenthaltsgesetz vorsehen, sind nicht einschlägig.

Relevanz für die Praxis

Die Ausführungen zur tatrichterlichen Überzeugung und Ausgestaltung der Amtsermittlungspflicht sind nicht zu beanstanden.

Für die abstammungsrechtliche Zuordnung bestehen aber neben der tatsächlichen Untersuchung erreichbarer Proben auch Indizien, gesetzliche Mutmaßungen wie jene der Beiwohnung innerhalb der Empfängniszeit, aber auch andere, modernere Untersuchungsmethoden, die ggf. nicht im Inland durchgeführt werden können. Hier bestanden keinerlei Anhaltspunkte für weitergehenden außerehelichen Geschlechtsverkehr mit Ausnahme zum B. Dieser intime Kontakt, Beiwohnung im Rechtssinne, ist zeitlich auf Dezember 86 konkretisiert. Die gesetzliche Empfängniszeit beginnend am 300. Tag vor der Geburt dürfte anhand des Sachverhalts eingehalten gewesen sein.

Die Vermutung, dass der B der M während der Empfängniszeit tatsächlich beigewohnt hat, wäre nur dann nicht maßgeblich, wenn gem. § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen. Mangels konkreter Anhaltspunkte genügt die vage Aussage des V als Nachweis dafür wohl nicht. Nur wenn unstreitig Geschlechtsverkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit stattgefunden hat, kann eine richterliche Überzeugung der Vaterschaft angenommen werden (so OLG Frankfurt NJW-RR 23, 12). Da bereits begründete Zweifel an der Vaterschaft die Vermutung zu widerlegen geeignet sind, kann eine abstammungsrechtliche Feststellung nur bei allenfalls geringfügigen Zweifeln ohne Sachverständigengutachten angenommen werden.

Ist eine Beiwohnung nicht erwiesen, braucht es weitere konkrete Beweisanzeichen, die Anlass geben, die Vaterschaft dennoch positiv anzunehmen. Der tatrichterliche Spielraum ist hierbei immens und führt, wie im Fall des OLG Celle, dazu, dass das Gericht den Feststellungsantrag zurückweisen muss, wenn keine deutlich überwiegenden Beweisanzeichen für die Vaterschaft vorliegen. Dass hierbei eine mögliche genetisch-genealogische Untersuchung im Ausland abgelehnt worden ist, ist jedoch nicht unbedenklich. Denn die Möglichkeit, hierdurch den abstammungsrechtlichen Status bei Zweifeln in die eine oder andere Richtung zu konkretisieren, wurde unter Hinweis auf ein damit in Verbindung stehendes Beweisverwertungsverbot nicht genutzt.

Das BVerfG hat anlässlich eines Verfahrens des OLG Celle auf Folgendes hingewiesen: Es erweist sich nicht in jedem Einzelfall als maßgeblich, sich auf die Richtlinien für die Erstattung von Abstammungsgutachten zu berufen (BVerfG NJW 10, 3772, 3773). Die Bindung an Recht und Gesetz über Art. 20 Abs. 3 GG führt vielmehr dazu, dass derartige Richtlinien keine unmittelbare Bindungswirkung für die Entscheidung entfalten.

Daraus folgt Folgendes: Wenn nicht von vornherein ausgeschlossen ist, dass eine Untersuchung im Ausland den gesetzlichen Vorgaben des GenDG entspricht, müssten diese von Amts wegen aufgeklärt werden. Denn es sind bereits in Bezug auf den Familiennachzug Erleichterungen über § 17 Abs. 8 GenDG vorgesehen. Wenn es schon in derartigen Verfahren Erleichterungen gibt, dann doch erst recht in abstammungsrechtlichem Kontext. Dies gilt umso mehr, als die Untersuchung im Ausland Proben des antragstellenden Kindes benutzt und keine grundsätzliche Vermutung für nicht ordnungsgemäß erhobene oder gespeicherte Vergleichsdaten besteht.

Das OLG Celle hätte derartige Fragen stellen, adressieren und insoweit qualifiziert in die Entscheidung implementieren müssen. Die Unterstellung, es sei im Ausland per se nicht gewährleistet, dass die Vorgaben des GenDG eingehalten würden, entbehrt einer tatsächlichen und damit objektivierbaren Grundlage. Und selbst dann, wenn keine entsprechende Gewährleistung angenommen werden könnte, wäre die Untersuchung zur abstammungsrechtlichen Klärung als mögliches letztes Mittel nicht von vornherein ungeeignet, worauf das BVerfG bereits vor Einführung des GenDG hingewiesen hat.

Praxistipp | In der anwaltlichen Praxis wird daher konkret zu Beiwohnung, zum Probenmaterial und zu Anhaltspunkten vorzutragen sein, die eine Vaterschaft nahelegen. Gem. den verfassungsgerichtlichen Vorgaben und in kritischer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des OLG Celle kann zudem auf abweichende ausländische Untersuchungen hingewiesen werden. Ggf. wäre im Rahmen einer Rechtsbeschwerde bei geeignetem Verfahren höchstrichterlich klären zu lassen, ob das GenDG im abstammungsrechtlichen Kontext ein generelles Beweisverwertungsverbot bewirkt.

AUSGABE: FK 2/2024, S. 23 · ID: 49827370

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