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Blitzlicht MandatspraxisZGA-Verfahren: Richtig auf die Beweisaufnahme reagieren
| Ist der ZGA streitig, erhebt das Gericht i. d. R. Beweis. Der relevante Zeitraum reicht oft jahrzehntelang zurück. Viele Fakten bleiben unaufklärbar, bei anderen treten Widersprüche zutage. Vieles hängt von der Beweiswürdigung ab. Für Anwälte ist fraglich, wie sie sich prozessual richtig verhalten. |
Beispiel |
Im ZGA-Verfahren erster Instanz behauptet der Ehemann (M), in der Ehezeit von seiner Mutter 40.000 EUR und von seinem Vater 70.000 EUR geerbt zu haben. Die Beweisaufnahme ergibt, dass M von der Mutter 70.000 EUR und vom Vater 30.000 EUR geerbt hat. M passt seinen Vortrag diesen Erkenntnissen nicht an. Das Familiengericht hat dem M im Rahmen der Beweiswürdigung die nachgewiesenen 100.000 EUR als privilegierten Zuerwerb anerkannt. Im Beschwerdeverfahren meint der Anwalt der Ehefrau (F), es seien nur 70.000 EUR (40.000 EUR nach der Mutter und 30.000 EUR nach dem Vater) zu berücksichtigen. Hat er damit Recht? |
ZGA-Verfahren im Verbund oder isoliert sind Familienstreitsachen, § 112 Nr. 2 FamFG. Für diese gelten die allgemeinen Vorschriften der ZPO und diejenigen über das Verfahren vor den LGen entsprechend, § 113 Abs. 1 FamFG. Damit gilt in ZGA-Verfahren der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, § 286 ZPO.
Ist das Ergebnis einer Beweisaufnahme einem Beteiligten günstig, widerspricht es aber teilweise seinem eigenen Vortrag, ist fraglich, ob dieser Beteiligte sich das Ergebnis der Beweisaufnahme zu eigen machen muss, damit das Gericht es für seine Entscheidungsfindung zugrunde legen darf. In einer älteren Entscheidung hat der BGH noch Folgendes festgestellt: Mache sich eine Partei das ihr günstige Beweisergebnis nicht zu eigen, dürfe der Tatrichter seine Entscheidung hierauf nicht gründen (BGH NJW-RR 90, 507 f.). In späteren Entscheidungen sieht der BGH dies anders (z. B. NJW-RR 14, 1147 ff. mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Er geht nun davon aus, dass sich eine Partei die bei einer Beweisaufnahme zutage tretenden ihr günstigen Umstände regelmäßig zumindest hilfsweise zu eigen macht. Die Nichtberücksichtigung des für einen Beteiligten günstigen Beweisergebnisses bedeute für die Beweiswürdigung, dass erhebliches Vorbringen dieses Beteiligten im Ergebnis übergangen und damit dessen verfassungsrechtlich gewährleisteter Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt worden sei.
Lösung |
Nach der BGH-Rechtsprechung ist zu unterstellen, dass der Beteiligte sich hilfsweise die günstigen Beweisergebnisse ausdrücklich zu eigen macht. In der Praxis sollten Anwälte dies auf jeden Fall tun, um Haftungsrisiken zu vermeiden. Das Gericht hat also zu Recht die 100.000 EUR als privilegierten Erwerb anerkannt.(St) |
- Oberheim, Erfolgreiche Taktik im Zivilprozess 7. Aufl., Rn. 1844 ff. (Unterkapitel Verhalten nach der Beweisaufnahme)
AUSGABE: FK 2/2023, S. 21 · ID: 47324790