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NießbrauchÜbertragung von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Nießbrauchsrechten optimal gestalten

Top-BeitragAbo-Inhalt25.07.202532 Min. LesedauerVon Prof. Dr. Gerhard Brüggemann, Münster

| Die Beurteilung des Nießbrauchs an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft führt sowohl hinsichtlich seiner ertragsteuerlichen als auch schenkungsteuerlichen Beurteilung immer wieder zu Unsicherheiten und Überraschungen. In zwei aktuellen Verfahren hatte der BFH (11.2.25, IX R 14/24; 20.9.24, IX R 5/24) vordergründig nur zu klären, ob eine Ablösezahlung für die Aufgabe eines vorbehaltenen Nießbrauchs an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu steuerbaren Einkünften führt. Die Ausführungen des BFH knüpfen an die bisherige Rechtsprechung an, führen aber zu weitergehenden Gestaltungsüberlegungen hinsichtlich der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns gemäß § 17 EStG, wenn nießbrauchsbelastete Anteile nach einer Schenkung veräußert werden. |

1. Musterfall – nach BFH 11.2.25, IX R 14/24

Sachverhalt

Frau K übertrug im Jahr 01 eine Beteiligung an der C-GmbH i. H. v. jeweils 24,5 % unentgeltlich auf ihre Töchter F und G. Sie behielt sich den Nießbrauch vor, der insbesondere das Gewinnbezugsrecht umfasste. Der Nießbrauch beschränkte sich auf die Ziehung der Nutzungen aus den Geschäftsanteilen, wozu insbesondere der anteilige Bilanzgewinn zählte. Nicht zu den Nutzungen sollte hingegen die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte gehören. Diese sollten allein den beiden neuen Gesellschafterinnen zustehen. Diese schlossen zudem einen Poolvertrag über die einheitliche Ausübung der Mitgliedschaftsrechte an der C-GmbH.

Im Jahr 07, also sechs Jahre später, veräußerten die Töchter ihre Beteiligungen. Frau K erhielt für die zuvor vereinbarte Aufhebung des Nießbrauchsrechts eine Ablösezahlung entsprechend dem nach § 14 Abs. 1 BewG ermittelten Kapitalwert des Nießbrauchsrechts.

Vom Finanzamt waren die anteiligen Gewinnausschüttungen bis dahin wegen des Vorbehaltsnießbrauchs bei Frau K als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG versteuert worden. Die C-GmbH wies insoweit in ihren Gewinnverwendungsbeschlüssen auf den Vorbehaltsnießbrauch hin, zahlte den Ausschüttungsbetrag an Frau K aus und gab in der im Zusammenhang mit der Anmeldung der Kapitalertragsteuer erstellten Steuerbescheinigung Frau K als Empfängerin der Netto-Auszahlungen an.

Anlässlich der Veräußerung der Anteile und der Ablösung des Kapitalwerts des Nießbrauchs fragen sich die Beteiligten nun, ob diese Vorgehensweise ertragsteuerlich richtig war und welche steuerlichen Auswirkungen sich aus der Versteuerung der Gewinnausschüttungen für die Besteuerung der Abfindung des Nießbrauchsrechts und der Besteuerung des Veräußerungsgewinns aus der Veräußerung der GmbH-Beteiligungen ergeben.

2. Besteuerung der Gewinnausschüttungen

Für die Besteuerung der Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften sollte grundsätzlich zwischen dem Vorbehaltsnießbrauch und dem unentgeltlichen Zuwendungsnießbrauch differenziert werden.

2.1 Zuwendungsnießbrauch bei GmbH-Anteilen

Der Nießbrauchserlass aus dem Jahre 1983 (BMF 23.11.83, BStBl I 1983, 508), der laut Finanzverwaltung für Einkünfte aus Kapitalvermögen weiterhin zur Anwendung kommt, geht in Rn. 57 unter Verweis auf die BFH-Rechtsprechung davon aus, dass bei unentgeltlicher Bestellung eines Zuwendungsnießbrauchs die Einnahmen dem Nießbrauchbesteller zuzurechnen sind, auch wenn sie dem Nießbraucher zufließen.

Für einen Zuwendungsnießbrauch an GmbH-Anteilen hat das FG Münster für den Fall, dass dem Nießbraucher mangels eindeutiger anderweitiger Zuweisung weiterer Gesellschaftsrechte im Wesentlichen nur das Gewinnbezugsrecht zusteht und ihm insbesondere das Recht zur Mitwirkung an der Erzielung von Kapitalvermögen verwehrt bleibt, diese Auffassung bestätigt. Das FG hat entschieden, dass die Einräumung des unentgeltlichen lebenslänglichen Nießbrauchs an dem Geschäftsanteil einer GmbH lediglich eine Vorausabtretung künftiger Gewinnansprüche darstellt. Dies hat zur Folge, dass die Ausschüttungen weiterhin dem Anteilseigner als Gesellschafter bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind (FG Münster 14.1.03, 7 K 2638/00 E, ErbBstg 03, 193 f.; bestätigend BFH 14.2.22, VIII R 29/18, BStBl II 22, 544).

2.2 Vorbehaltsnießbrauch bei GmbH-Anteilen

Die Entscheidungen zum Zuwendungsnießbrauch legen nahe, dass diese Beurteilung auch auf den Vorbehaltsnießbraucher anzuwenden ist, wenn ihm mangels eindeutiger anderweitiger Zuweisung weiterer Gesellschaftsrechte im Wesentlichen nur das Gewinnbezugsrecht zusteht. Folglich wären dann auch beim Vorbehaltsnießbrauch die Ausschüttungen nicht dem Vorbehaltsnießbraucher, sondern dem Anteilseigner zuzurechnen.

Der Verfasser hat jedoch noch im Jahr 2024 anlässlich eines Antrags auf verbindliche Auskunft hierzu von der Finanzverwaltung die Antwort erhalten, dass sich auch der Vorbehaltsnießbrauch am Kapitalvermögen weiterhin nach dem Nießbrauchserlass aus dem Jahre 1983 beurteilt. Soweit sich jemand anlässlich der schenkweisen Übertragung von Kapitalvermögen an den übertragenen Wirtschaftsgütern den Nießbrauch vorbehält oder der Nießbrauch einem Erben als neuem zur Verfügung über das Kapitalvermögen Berechtigten aufgrund einer letztwilligen Verfügung bestellt worden ist, sind gemäß der dortigen Rn. 55 die Einnahmen dem Nießbraucher zuzurechnen.

Merke | Hat das Kreditinstitut von einer Nießbrauchbestellung Kenntnis, ohne zu wissen, ob der Depotinhaber Anteilseigner ist, bestehen laut BMF-Schreiben vom 16.5.25 keine Bedenken dagegen, dass die Steuerbescheinigung abweichend von Rn. 14 auf den Namen des Depotinhabers ausgestellt, jedoch durch den entsprechenden Hinweis „Nießbrauchdepot“ gekennzeichnet wird. In diesen Fällen muss das Finanzamt, bei dem die Anrechnung beantragt wird, nach Vorlage der Steuerbescheinigung prüfen, wem die Kapitalerträge steuerlich zuzurechnen sind (Rn. 15).

Beachten Sie | Zur Ausstellung von Steuerbescheinigungen in Nießbrauchsfällen siehe das neue BMF-Schreiben vom 16.5.25 (IV C 1-S 2401/00008/014/051).

2.3 BFH-Sichtweise zu Gewinnausschüttungen und Ablösezahlung

Der BFH hatte für einen dem Musterfall entsprechenden Fall in einer früheren Entscheidung (23.5.12, IX R 32/11, BStBl II 12, 675), in der er nur die Besteuerung des Anteilseigners zu beurteilen hatte, noch offengelassen, ob eine Erfassung der Ablösezahlung als Entschädigung für die entgangenen Dividendenansprüche nach § 24 Nr. 1 EStG, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG, § 20 Abs. 2a S. 3 EStG oder nach § 24 Nr. 2 EStG, § 17 Abs. 2 EStG in Betracht kommt.

In den beiden aktuellen Verfahren (BFH 11.2.25, IX R 14/24; 20.9.24, IX R 5/24), in denen er wiederum die Besteuerung des Anteilseigners zu beurteilen hatte, geht er aufgrund der ihn bindenden Feststellungen der Vorinstanz davon aus, dass eine Ablösezahlung für die Aufgabe eines vorbehaltenen Nießbrauchsrechts an Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zu keinen steuerbaren Einkünften führt. Dieses Ergebnis leitet er letztlich aus der grundsätzlichen Besteuerung der Gewinnausschüttungen in Nießbrauchsfällen ab (zur Kritik siehe Fischer, DStR 25, 1392; Stein DStR 25, 1177).

2.3.1 Keine Besteuerung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG

Nach Auffassung des BFH stellt die Abfindung zunächst keine Entschädigung dar, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden ist (§ 24 Nr. 1 Buchst. a EStG). Grund hierfür ist, dass dem Steuerpflichtigen auch die Einkünfte, für die eine Abfindung gewährt wird, steuerlich nicht zuzurechnen sind (BFH 11.2.25, IX R 14/24; 20.9.24, IX R 5/24). Zurechnungssubjekt einer Ausschüttung durch eine GmbH ist nämlich grundsätzlich der Anteilseigner (§ 20 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG, § 39 Abs. 1 AO) und nicht der Vorbehaltsnießbraucher.

Beachten Sie | Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 20 Abs. 5 S. 3 EStG. Danach gilt zwar ein Nießbrauchsberechtigter als Anteilseigner; dies aber nur, wenn ihm die Einnahmen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG auch zuzurechnen sind. Da aber dem Nießbrauchsberechtigten die Einnahmen grundsätzlich nicht zuzurechnen sind und § 20 Abs. 5 S. 3 EStG keine abweichende Zurechnung der Einnahmen regelt, sondern diese voraussetzt, kommt die Vorschrift nicht zur Anwendung (siehe bereits BFH 14.2.22, VIII R 29/18, BStBl II 22, 544; VIII R 30/18, BStBl II 22, 548).

Folglich reicht es dem BFH nicht aus, wenn an einem GmbH-Geschäftsanteil unentgeltlich ein Nießbrauch zugunsten eines Dritten bestellt wurde, der dem Nießbrauchsberechtigten lediglich einen Anspruch auf den mit der Beteiligung verbundenen Gewinnanteil einräumt (§ 1068 Abs. 2, § 1030 i. V. m. § 99 Abs. 2, § 100, § 101 Nr. 2 BGB). Erforderlich ist vielmehr, dass ihm auch das wirtschaftliche Eigentum i. S. v. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO an den Geschäftsanteilen, an denen der Nießbrauch eingeräumt wurde, zusteht. Das wirtschaftliche Eigentum an einem Kapitalgesellschaftsanteil geht auf einen Erwerber über, wenn er aufgrund eines bürgerlich-rechtlichen Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte, auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann. Zudem müssen die mit dem Anteil verbundenen wesentlichen Rechte (insbesondere Gewinnbezugsrecht und Stimmrecht) sowie das Risiko einer Wertminderung und die Chance einer Wertsteigerung auf ihn übergegangen sein. Der Erwerber muss eine Rechtsposition innehaben, die ihm entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft verschafft und ihn insofern dem zivilrechtlichen Gesellschafter gleichstellt.

Nach Maßgabe der den BFH bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG geht der BFH im Streitfall davon aus, dass Frau K den Ablösebetrag nicht als Einkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG zu versteuern hat. Das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen ist aus seiner Sicht bereits im Jahr 01 von Frau K auf ihre Töchter übergegangen. Die Zurechnung der Gewinnausschüttungen für die Veranlagungszeiträume 01 bis 06 als Einkünfte der Frau K aus Kapitalvermögen sieht der BFH für rechtsirrig und daher nicht bindend an. Anhaltspunkte dafür, dass die Vorinstanz bei der Auslegung der zugrunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen die gesetzlichen Auslegungsregeln nicht beachtet oder Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, vermag der BFH nicht zu erkennen. Insbesondere habe die Vorinstanz zutreffend berücksichtigt, dass der Nießbrauch ausweislich der vertraglichen Vereinbarungen nicht die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte umfasste, weil diese allein den Töchtern zustanden.

2.3.2 Keine Besteuerung nach § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG

Der Ablösebetrag unterliegt auch nicht der Besteuerung als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG. Diese Vorschrift erfasst Entschädigungen, die gewährt werden für die Aufgabe oder Nichtausübung einer Tätigkeit, für die Aufgabe einer Gewinnbeteiligung oder einer Anwartschaft auf eine solche. Als Gewinnbeteiligung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. b EStG kommen aber lediglich gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in Betracht. Rein schuldrechtliche Rechtsgrundlagen für Leistungen einer Gesellschaft oder gewinnabhängige Tantiemen begründen hingegen keine Gewinnbeteiligung im Sinne dieser Vorschrift.

Da Frau K aufgrund des Nießbrauchs nur der Anspruch zusteht, die auf die Geschäftsanteile entfallenden Gewinnausschüttungen zu vereinnahmen, ist sie nicht gesellschaftsrechtlich an der A-GmbH beteiligt. Darüber hinaus hat sie keine mit den Geschäftsanteilen verbundenen Rechte inne. Insbesondere ist die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte aus den Geschäftsanteilen durch Frau K im Schenkungsvertrag ausdrücklich ausgeschlossen.

2.3.3 Keine Besteuerung nach § 24 Nr. 2 EStG

Der Ablösebetrag ist auch nicht als Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit nach § 17 i. V. m. § 24 Nr. 2 EStG zu versteuern. Eine Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft i. S. v. § 17 EStG erfordert, dass der Erwerber vom Veräußerer zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen Anteilen erlangt. Frau K konnte jedoch zum Zeitpunkt der Ablösung des Nießbrauchsrechts kein wirtschaftliches Eigentum mehr vermitteln. Aufgrund der Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung im Jahr 01 war schon zu diesem Zeitpunkt die Verwirklichung von Einkünften i. S. v. § 17 EStG ausgeschlossen.

Der Vorbehalt eines Nießbrauchs bei der Übertragung steht der Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung nicht entgegen. Da die Vorschrift des § 24 EStG an eine bereits vorliegende Verwirklichung eines Einkünftetatbestands anknüpft und dieser im Zeitpunkt der Ablösung des Nießbrauchs nicht (mehr) gegeben ist (siehe schon unter 2.3.1), scheidet auch eine Besteuerung nach § 24 Nr. 2 EStG aus. Dies gilt nach Auffassung des BFH jedenfalls dann, wenn kein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der zunächst erfolgten Übertragung der Anteile unter Nießbrauchsvorbehalt und der später für die Ablösung des Nießbrauchsrechts geleisteten Zahlung besteht.

Beachten Sie | Insoweit weist der BFH lediglich darauf hin, dass die Frage, ob der Rechtsgrund für die spätere Ablösung des Nießbrauchs bereits bei der Anteilsübertragung im Jahr 01 angelegt war und nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu einer rückwirkenden Änderung führen würde, jedenfalls nicht für das Jahr 08 zu entscheiden ist.

3. Auswirkung der Entscheidungen für den Anteilseigner

Der Hinweis des BFH, dass der Rechtsgrund für die spätere Ablösung des Nießbrauchs jedenfalls im Einzelfall bereits bei der Anteilsübertragung angelegt sein kann und dann nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu einer rückwirkenden Änderung führen würde, hat für den Anteilseigner erhebliche Bedeutung. Denn er legt die Frage nahe, wie sich die Ablösung eines Nießbrauchs an einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG anlässlich der Veräußerung der Anteile auf die Ermittlung des Veräußerungsgewinns auswirkt.

3.1 Ablösung des Nießbrauchs und Anschaffungskosten gem. § 17 EStG

Der BFH verweist hierzu auf eine 2014 ergangene Entscheidung zur Besteuerung des Anteilseigners hin (18.11.14, IX R 49/13, BStBl II 15, 224; s. hierzu auch Brüggemann, ErbBStG 15, 157 ff.), in der er die Übertragung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft unter Vorbehaltsnießbrauch als eine unentgeltliche Übertragung nach § 17 Abs. 2 S. 5 EStG eingestuft und die Zahlungen für die Ablösung eines Vorbehaltsnießbrauchs an einer Beteiligung i. S. v. § 17 EStG im Rahmen der Ermittlung der Einkünfte nach § 17 EStG als nachträgliche Anschaffungskosten angesehen hat.

Sachverhalt

In dem entschiedenen Fall hatte der Vater seinem Sohn zunächst einen Gesellschaftsanteil von 30 % und etwa drei Jahre später einen weiteren Gesellschaftsanteil von etwa 35 % gegen Vorbehalt des lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs geschenkt. Weitere zwei Jahre später verkauften K und V ihre Anteile. Im gleichen Zug verzichtete der Vater gegen Entgelt auf seinen Nießbrauch.

Die vom Sohn begehrte Berücksichtigung dieses Entgelts als nachträgliche Anschaffungskosten wurde vom BFH zugestanden, weil er den Sohn als wirtschaftlichen Eigentümer der Anteile (allerdings erst im zweiten Rechtszug) angesehen hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn kein erkennbarer sachlicher Zusammenhang zwischen der zunächst erfolgten Anteilsübertragung unter Nießbrauchsvorbehalt und der später für die Ablösung des Nießbrauchsrechts geleisteten Zahlung besteht. Der entgeltliche Verzicht auf das Nutzungsrecht ist dann als selbstständiges Rechtsgeschäft einzustufen, das auf die zuvor erfolgte unentgeltliche Übertragung des belasteten Wirtschaftsguts keinen Einfluss hat (BFH 14.6.05, VIII R 14/04, BStBl II 06, 15; s. auch den Verweis auf dieses Urteil in H 17 Abs. 4 [Vorbehaltsnießbrauch] EStH).

3.2 Fortführung des Musterfalls

In der dem Urteil des BFH vom 11.2.25 (IX R 14/24) vorangegangenen Urteil des FG Köln (29.2.25, 7 K 95/23) hatte das Finanzamt ausweislich des Sachverhalts unter Verweis auf das Urteil des BFH vom 18.11.14 (IX R 49/13, BStBl II 15, 224) für einen dem Musterfall vergleichbaren Fall Anschaffungskosten anerkannt. Wenn daher in Fortführung des Musterfalls

  • der Käufer sich unter Einbeziehung des Ablösebetrags zur Zahlung eines Kaufpreises von jeweils 2.000.000 EUR an die Töchter verpflichtet und
  • für die geschenkten Anteile Anschaffungskosten der Frau K von jeweils 25.000 EUR unterstellt werden,
  • beim Verkauf der Anteile durch die Töchter die Nießbrauchsrechte der Frau K gegen Zahlung eines Ablösebetrags von jeweils 500.000 EUR abgelöst werden,
  • nicht Frau K, sondern die Töchter trotz des Nießbrauchsvorbehalts wirtschaftliche Eigentümer geworden sind und
  • die Veräußerungskosten je verkauftem Anteil 10.000 EUR betragen,

ermittelt sich der Veräußerungsgewinn gem. §§ 17, 3 Nr. 40c EStG für die Töchter jeweils wie folgt:

Veräußerungsgewinn gem. §§ 17, 3 Nr. 40c, 3c Abs. 2 EStG
  • Veräußerungspreis 2.000.000 EUR × 60 %

1.200.000 EUR

  • – Anschaffungskosten 25.000 × 60 %

–   15.000 EUR

  • – Nachträgliche Anschaffungskosten
  • Wegen Abfindung Nießbrauch 500.000 × 60 %

–   300.000 EUR

  • – Veräußerungskosten 10.000 × 60 %

–   6.000 EUR

  • = Stpfl. Veräußerungsgewinn (vor Freibetrag)

879.000 EUR

Wäre Frau K zunächst wirtschaftliche Eigentümerin der unter Vorbehalt des Nießbrauchs übertragenen GmbH-Anteile geblieben, hätte sie die Anteile wirtschaftlich erst mit dem Nießbrauchsverzicht auf ihre Töchter übertragen, und zwar entgeltlich gegen die Ablösezahlung. Den Töchtern wären dann Anschaffungskosten nur in Höhe der Ablösungszahlung gem. § 255 Abs. 1 HGB entstanden. § 17 Abs. 2 S. 5 EStG ist bei einem entgeltlichen Erwerb nicht anwendbar, sodass der Erwerber seinen Veräußerungserlös nicht um die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers (hier jeweils 25.000 EUR) vermindern könnte (BFH 24.1.12, IX R 51/10, BStBl II 12, 308).

4. Ergebnisse für den Musterfall

Die Ablösung eines Nießbrauchsrechts an einer GmbH-Beteiligung ist für den Nießbraucher ein nicht steuerbarer Vorgang, wenn ihm nicht das wirtschaftliche Eigentum zuzurechnen ist. Die Argumentation des BFH legt allerdings nahe, dass er anders entschieden hätte, wenn die Ausgestaltung der Nießbrauchvereinbarung wirtschaftliches Eigentum begründet. Dies wäre insbesondere der Fall, wenn der Nießbraucher in der Gesellschafterversammlung über Stimmrechte verfügt hätte, denn dann hätte er auch die Gewinnausschüttungen zu versteuern. Hat er wirtschaftliches Eigentum und verzichtet er später auf sein Nießbrauchsrecht, wäre ein Ablöseentgelt bei ihm den Einkünften aus § 17 EStG zuzuweisen.

Wird den Töchtern nicht nur das zivilrechtliche, sondern auch das wirtschaftliche Eigentum an der GmbH-Beteiligung zugewiesen, hätten sie zunächst die seit der Anteilsübertragung (der Mutter) zugeflossenen Gewinnausschüttungen als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 EStG). Auch der spätere Gewinn aus dem Verkauf der Beteiligung wäre ihnen steuerlich zuzurechnen. Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns könnten sie zum einen die seinerzeit von Frau K getragenen Anschaffungskosten in Abzug bringen (§ 17 Abs. 2 S. 5 EStG). Zum anderen könnten sie die Ablösezahlung an Frau K als nachträgliche Anschaffungskosten gewinnmindernd berücksichtigen (vgl. BFH 18.11.14, IX R 49/13 Rn. 12 ff., BStBl II 15, 224).

Ergänzend sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach Auffassung des FG Münster die entgeltliche Ablösung eines Nießbrauchsrechts bzw. der entgeltliche Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht innerhalb von zehn Jahren nach einer Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen ebenfalls zu keinen steuerbaren Einkünften i. S. v. § 23 EStG führt. Derartige veräußerungsähnliche Vorgänge, bei denen es an dem für eine Veräußerung erforderlichen Rechtsträgerwechsel fehlt, werden von § 23 EStG nicht erfasst (FG Münster 12.12.23, 6 K 2489/22 E, DStRE 24, 924). Im Revisionsverfahren wird der BFH auch hierzu Stellung nehmen und die Auffassung des FG Münster im Hinblick auf seine jüngere Rechtsprechung voraussichtlich bestätigen (Rev. BFH IX R 4/24).

5. Schenkungsteuerliche Zurechnung

Bisher wurde für die schenkungsteuerliche Beurteilung regelmäßig allein auf den Übergang des zivilrechtlichen Eigentums abgestellt (Götz, DStR 13, 448). Auch für die Inanspruchnahme der Verschonung nach §§ 13a, 13b ErbStG ist nach derzeitigem Stand allein die zivilrechtliche Zuordnung des Geschäftsanteils maßgeblich.

Anders als bei Personengesellschaftsanteilen, die bei einer Übertragung unter Nießbrauchsvorbehalt nur verschonungsfähig sind, wenn eine Mitunternehmerstellung auf den Erwerber übergeht, kommt es für die Verschonungsfähigkeit nach § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG darauf an, dass der Beschenkte einen Anteil an einer Kapitalgesellschaft erwirbt und der Schenker am Nennkapital dieser Kapitalgesellschaft im Zeitpunkt der Schenkung mit unmittelbar mehr als 25 % beteiligt ist.

Ob der Beschenkte auch wirtschaftlicher Eigentümer des Geschäftsanteils wird, ist jedenfalls nach bisheriger Rechtsprechung für die Frage der Verschonung ohne Belang.

AUSGABE: ErbBstg 8/2025, S. 190 · ID: 50470868

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