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TestamentsgestaltungStolperfallen und Praxishinweise zur Beratung bei der Testamentsgestaltung
| Die Überprüfung einer bestehenden letztwilligen Verfügung von Todes wegen, respektive die Neugestaltung einer solchen, gehört zum Tagesgeschäft im Erbrecht. Eine Mehrzahl der Praxisfälle legt aber nahe, dass im Rahmen einer solchen Beratung immer wiederkehrende Fragestellungen zu klären sind. Sind diese Gesichtspunkte nicht geklärt, ist die Fehlerhaftigkeit der Beratung vorprogrammiert. Ich schildere Ihnen in einer losen Serie meine Anregungen im Rahmen kleiner echter Fälle. |
Fall 1: Die übersehene Enterbung
Beispiel |
In einer notariellen Urkunde haben Eltern gemeinsam mit zwei Kindern und weiterer Verwandtschaft eine umfassende Vermögensnachfolge geregelt, in Bezug auf Privat- und Betriebsvermögen, verbunden mit zahlreichen Nießbrauch- und Rentenrechten, eingebettet in eine Kombination aus Ehe- und Erbverträgen. Der beteiligte Sohn hat die Notarurkunde mit unterzeichnet und in einer über 30-seitigen Urkunde einen kleinen Absatz akzeptiert: seine eigene erbvertragliche Regelung die besagt, dass er seine eigenen Abkömmlinge als Erben einsetzt und die Ehefrau von der Erbfolge ausschließt. 30 Jahre später sitzt der Sohn mit Ehefrau und den eigenen Kindern im Beratungstermin. Die Familie ist der Auffassung, dass ein Testament nicht notwendig ist, da die gesetzliche Erbfolge ausreichend ist. |
In dieser Konstellation übersieht die Familie, dass der Ehemann (als Sohn der vormaligen Übergeber) bereits letztwillig verfügt hat. Vor 30 Jahren. Ohne dass er Erinnerung hieran hat. Es würde die gesetzliche Erbfolge demnach nicht greifen und die Ehefrau wäre auf den Pflichtteil gesetzt, mit entsprechend negativen wirtschaftlichen und ggf. steuerlichen Folgen. Bitte prüfen Sie immer, ob es alte letztwillige Verfügungen gibt, die einen Familienteil enterben und ggf. sogar Bindungswirkung entfalten.
Fall 2: Die unbekannte Bindungswirkung
Beispiel |
Ein älterer Herr sitzt vor mir und möchte ein Testament erstellen. Er ist verwitwet, lebt aber unverheiratet in einer neuen Beziehung und beabsichtigt, seine Lebensgefährtin testamentarisch abzusichern, unter anderem über ein Nießbrauchrecht an der ihm gehörigen Eigentumswohnung. Er hat bereits ein handschriftliches Einzeltestament aufgesetzt, das er prüfen lassen möchte. Inhaltlich ist das Testament ausreichend formuliert und im Übrigen formwirksam. Auf meine Frage hin, ob er mit seiner vorverstorbenen Ehefrau eine bindende testamentarische Regelung zugunsten seines Sohnes getroffen hat, zuckt er mit den Schultern. |
Ich beantrage in solchen Fällen immer Akteneinsicht in die Nachlassakte des vorverstorbenen Ehepartners um zu klären, auf welcher Basis der damalige Erbfall abgewickelt worden ist. Nicht selten ergibt sich, dass die Eheleute ein Ehegattentestament, meist in Gestalt eines „Berliner Testaments“, errichtet und eine Bindungswirkung festgelegt haben. Der Witwer ist an diese letztwillige Verfügung gebunden und darf nicht zugunsten seiner Lebensgefährtin testieren.
Fall 3: Fehlgeleitete Vermögenswerte
Beispiel |
In einem Fall bestand zwischen dem Mandanten und seiner verstorbenen Ehefrau seit 20 Jahren eine Gütergemeinschaft, die im Grundbuch in Bezug auf die Immobilie als wesentlicher Vermögenswert nicht vollzogen worden war. Im Rahmen der Nachbearbeitung hat sich herausgestellt, dass das zuständige Notariat eine entsprechende Antragstellung übersehen hat, mit entsprechend negativer Auswirkung für die Pflichtteilsansprüche des Sohnes nach dem Erbe der verstorbenen Mutter. |
Im Mandantengespräch frage ich die Vermögenswerte meiner Mandantschaft ab, insbesondere auch, um die Notwendigkeit einer schenkungssteuerlichen Gestaltung prüfen zu können. Es gibt immer wieder Fälle, in denen die Angaben der Mandantschaft (ungewollt) grob fehlerhaft sind. Lassen Sie sich zu den wesentlichen Vermögenswerten nachprüfbare Unterlagen vorlegen, also entsprechende aktuelle Grundbuchauszüge, die notwendigen Informationen zu Gesellschaftsanteilen und bei liquidem Vermögen den entsprechenden Kontostand und die Herkunft der Gelder bei Eheleuten mit entsprechend quotaler Verteilung. Erst recht gilt dies für ehevertragliche Regelungen, da die meisten rechtlichen Laien die richtige Diktion der Güterstände nicht kennen und z. B. Zugewinn- und Gütergemeinschaft immer wieder verwechseln.
Fall 4: Anknüpfung an lebzeitige Schenkungen und Verträge
Beispiel |
In einem konkreten Fall liegt mir ein Gesellschaftsvertrag vor, in dem sich die Lebensgefährtin des Erblassers als Mitgesellschafterin einer Grundstücks-GbR vorbehalten hat, dass zwar die erbende Tochter ein Abfindungsguthaben erhält, dieses Abfindungsguthaben aber auf den Tod der Lebensgefährtin gestundet ist. Diese Regelung ändert die Rechtsposition der erbenden Tochter deutlich und ist für die eigene erbrechtliche Gestaltung maßgeblich. |
Möchten Mandanten eine Gestaltung bzgl. werthaltiger Vermögenswerte beauftragen, bietet es sich an, sämtliche Verträge bzgl. dieses konkreten Vermögenswertes einzusehen und zu prüfen. Ich treffe immer wieder auf die Gestaltung beschränkende Regelungen. In Gesellschaftsverträgen gibt es ebenso wie in Schenkungsverträgen häufig Klauseln, die den Kreis der Rechtsnachfolger beschränkt (meist auf die Abkömmlinge unter Ausschluss des Ehegatten). Ebenso üblich sind weitere Rechtspositionen (unter anderem Nießbrauchrechte, Rücktrittsrechte), die im Rahmen der Beratung bedacht sein müssen. Sie müssen auf die Vorlage aller Verträge zum maßgeblichen Vermögenswert insistieren. Es zählt nicht nur der Ursprungsvertrag. Auch Nachträge (und seien es nur mündliche Abreden) sind erheblich.
AUSGABE: EE 3/2025, S. 48 · ID: 50322206