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PflichtteilsklauselnGestaltung und Auslösen von Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln
| In der Praxis spielen Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln in gemeinschaftlichen Testamenten und im Ehegattenerbvertrag eine Rolle. An der Zulässigkeit und Wirksamkeit solcher Klauseln bestehen nach ganz h. M. keinerlei Zweifel. Dieser Beitrag befasst sich mit den verschiedenen Gestaltungsformen und deren Wirkungen unter Berücksichtigung der umfangreichen Rechtsprechung zu der Thematik. |
1. Allgemeines
Bei Pflichtteils- und Pflichtteilsstrafklauseln ist zu unterscheiden,
- ob die Ehegatten sich gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder zu Schlusserben einsetzen (sog. Berliner Testament – Einheitslösung) oder
- ob die Ehegatten sich gegenseitig zu (befreiten) Vorerben und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben einsetzen (Trennungslösung).
Während bei der Einheitslösung die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge für den Tod des Erstversterbenden enterbt werden und (erst) nach dem Tod des Letztversterbenden als Schlusserben zum Zuge kommen, findet bei der Trennungslösung keine Enterbung der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge statt (Nacherbeneinsetzung). Ist der pflichtteilsberechtigte Abkömmling lediglich als Nacherbe berufen, kann er indes die (Nach-)Erbschaft beim Tod des Erstversterbenden ausschlagen (§ 2142 Abs. 1 BGB) und vom überlebenden Ehegatten den Pflichtteil nach § 2306 Abs. 2 BGB verlangen.
In beiden Fällen sollen die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge davon abgehalten werden, ihre Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten geltend zu machen und durchsetzen.
Pflichtteilsstrafklauseln verfolgen allgemein das Ziel, dem überlebenden Ehegatten den Nachlass möglichst ungeschmälert zu erhalten (BayObLG MDR 91, 252). Der Erblasser will in der Regel mit der Sanktionsklausel seinen überlebenden Ehegatten nicht nur vor einer vorzeitigen Schmälerung der als Einheit gesehenen Erbmasse oder Gefahr einer solchen schützen, sondern ihm auch und gerade die persönlichen Belastungen ersparen, die mit einer Auseinandersetzung mit dem (angeblich) Pflichtteilsberechtigten regelmäßig verbunden sind (OLG Düsseldorf NJW-RR 11, 1515; OLG München NJW-RR 08, 1034 m. w. N.). Eine derartige Klausel verfolgt das Ziel, den Nachlass zunächst dem überlebenden Ehegatten ungeschmälert zukommen zu lassen. Im Zusammenhang mit der Schlusserbenregelung soll die Verwirkungsklausel auch das Interesse der Ehepartner, insbesondere des Erstversterbenden, daran sichern, dass nicht einer der Abkömmlinge bei der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird (OLG München, a. a. O. m .w. N.).
Beachten Sie | Für beide Fälle gilt aber auch, dass die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch einen pflichtteilberechtigten Abkömmling weder durch eine Pflichtteilsklausel noch durch eine Pflichtteilsstrafklausel verhindert werden kann. Der einzig sichere Weg, den Letztversterbenden beim gemeinschaftlichen Testament oder dem Ehegattenerbvertrag vor der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen zu schützen, ist der Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages für den Fall des Todes des Erstversterbenden. Der aber setzt das Einverständnis der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge voraus und bedarf zudem der notariellen Beurkundung (§ 2346 Abs. 2 BGB).
2. Die grundsätzlichen Ausgestaltungsvarianten
Die Ausgestaltung der Pflichtteilsklausel erfolgt bei der Einheitslösung weit überwiegend so, dass die Abkömmlinge, die nach dem Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteilsanspruch fordern, im Schlusserbfall von der Erbfolge ausgeschlossen sind. Dabei handelt es sich um eine auflösend bedingte Schlusserbeneinsetzung. Tatbestand der Bedingung ist dabei die Geltendmachung des Pflichtteils, Rechtsfolge ist der Ausschluss des Abkömmlings von der Schlusserbfolge, ggf. auch mit Wirkung für seine Abkömmlinge. Der freiwerdende Erbteil wächst dann den anderen Schlusserben an.
Bei der Pflichtteilsstrafklausel (sog. Jastrowsche Klausel) wird zugunsten derjenigen Schlusserben, die beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil nicht einfordern, ein Vermächtnis angeordnet. Diese Vermächtnisse sind aufschiebend bedingt und reduzieren den Nachlass und das Vermögen des Letztversterbenden und damit zugleich den Pflichtteilsanspruch des für den Tod des Letztversterbenden enterbten Abkömmlings. Bei der Trennungslösung besteht die Pflichtteilsklausel in dem Ausschluss von der Nacherbfolge und in der Enterbung nach dem Tod des Letztversterbenden.
3. Auslösen der Pflichtteils- bzw. Pflichtteilsstrafklausel
Bei der Trennungslösung wird die Pflichtteilsklausel dadurch ausgelöst, dass der pflichtteilsberechtigte Abkömmling nach dem Tod des Erstversterbenden die Nacherbschaft nach § 2142 Abs. 1 BGB ausschlägt und nach § 2306 Abs. 2 BGB den Pflichtteil vom überlebenden Ehegatten einfordert.
Bei der Einheitslösung bedarf es keines besonderen Aktes für den pflichtteilsberechtigten Abkömmling zur Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs, da er für den Fall des Todes des Erstversterbenden enterbt ist und ihm der Pflichtteilsanspruch von Gesetzes wegen nach den §§ 2303 Abs. 1, 2317 BGB zusteht.
Für das Auslösen der Pflichtteilsklausel und das Eintreten der auflösenden Bedingung (Verwirkung) muss der subjektive und der objektive Tatbestand der Bedingung erfüllt sein. Für die Erfüllung des subjektiven Tatbestandes ist ein bewusster Verstoß des Pflichtteilsberechtigten gegen den Willen des Erblassers erforderlich. Dies ist dann der Fall, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteilsanspruch des § 2314 BGB in Kenntnis der bestehenden Pflichtteilsklausel geltend macht. Da er als pflichtteilsberechtigter Abkömmling wegen der Bekanntgabe der eröffneten letztwilligen Verfügung durch das Nachlassgericht stets die erforderliche Kenntnis der jeweiligen Klausel hat, wird insoweit kein Streit entstehen.
Probleme treten in der Praxis oft bei der Frage auf, ob und wann der objektive Tatbestand der jeweiligen auflösenden Bedingung eintritt. Die Antwort auf diese Frage hängt von der Formulierung der Klausel im Testament oder Erbvertrag ab. Ist sie klar und eindeutig formuliert, gibt es auch hier keine Probleme. Ist die Klausel im Einzelfall auslegungsbedürftig, hängt das Ergebnis von der Auslegung ab.
4. Praxisfälle zur Auslegung und Auslösung der Klauseln
Zahlreiche Urteile befassen sich mit den in der Praxis recht unterschiedlich gestalteten Pflichtteilsklauseln und vor allem mit der Frage, ob und wann die Bedingung mit der Rechtsfolge der Verwirkung eintritt. Im Folgenden wird die jüngste Rechtsprechung dazu beispielhaft dargestellt. Dabei werden jeweils zunächst der entsprechende Wortlaut der Verfügung von Todes wegen gefolgt von wesentliche Passagen der gerichtlichen Entscheidung zur Bewertung und/oder den Rechtsfolgen der jeweiligen Klausel dargestellt. Soweit zusätzlich in Klammern und kursiv weitere Urteile genannt sind, handelt es sich um Hinweise des Autors auf weitere Rechtsprechung im jeweiligen Kontext.
OLG Frankfurt: 21.2.23, 21 W 104/22 |
Klauseltext: „… ausgenommen (von der Schlusserbfolge) ist dabei das Kind, das einen Pflichtteil beansprucht und erhalten hat.“ Entscheidung: „Damit ist Voraussetzung für das Auslösen der Sanktionswirkung nicht nur die Geltendmachung des Pflichtteils gegenüber dem überlebenden Ehegatten, sondern zusätzlich auch ein Mittelabfluss vom Nachlassvermögen.“ |
OLG Frankfurt: 1.2.22, 21 W 182/21 |
Klauseltext: „Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstverstorbenen den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztversterbenden ebenfalls nur das Pflichtteil.“ Entscheidung: „Eine Aufforderung zur Nachbesserung des seitens des Pflichtteilsberechtigten vom Erben angeforderten Nachlassverzeichnisses führt in der Regel noch nicht zur Verwirkung des Erbanspruchs nach dem Längstlebenden, sofern die Pflichtteilsstrafklausel vorsieht, der Pflichtteil müsse hierzu vom Längstlebenden gefordert werden.“ |
OLG Karlsruhe: 18.11.20, 11 W 50/19 |
Klauseltext: „Wer beim Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil verlangt, erhält auch beim Tod des Längstlebenden lediglich den Pflichtteil.“ Entscheidung: „Die Geltendmachung des übergeleiteten Pflichtteilsanspruchs durch einen Sozialhilfeträger führt zum Eingreifen einer Pflichtteilsstrafklausel und somit zur Enterbung des Leistungsbeziehers (Schlusserbe).“ (Vgl. OLG Hamm FamRZ 14, 1232) |
OLG Hamm: 27.1.21, I-10 W 71/20 |
Klauseltext: „Sollte eines unserer Kinder diesen unseren gemeinsamen letzten Willen nicht anerkennen, bekommt es nur seinen Pflichtteil.“ Entscheidung: „Eine Einsetzung als Schlusserbe entfällt, wenn der in einem Ehegattentestament zum Schlusserben eingesetzte Abkömmling nach dem ersten Todesfall trotz testamentarisch vorgesehener Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt. Es gilt dann die Anwachsung gemäß § 2094 BGB als gewollt.“ Strafklausel indiziert Schlusserbeneinsetzung der Abkömmlinge „Eine Pflichtteilsstrafklausel stellt regelmäßig ein Indiz dafür dar, dass die pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge nach dem Letztversterbenden zu Schlusserben eingesetzt sind, insbesondere dann, wenn es sich um ein privatschriftliches eigenhändiges Testament handelt.“ (Kritisch: OLG Hamm ZEV 23, 231; OLG Düsseldorf ZEV 14, 303) „Bei der die Schlusserbeneinsetzung beinhaltenden Pflichtteilsstrafklausel in einem gemeinschaftlichen Testament handelt es sich um eine wechselbezügliche und damit erbrechtlich bindende Verfügung im Sinne des § 2270 BGB.“ (So auch: AG Rastatt BWNotZ 19, 184) |
OLG München: 11.12.18, 31 Wx 374/17 |
Klauseltext: „Verlangt einer unserer Abkömmlinge auf den Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil, so sind er und seine Nachkommen von der Erbfolge auf Ableben des Längerlebenden (Längstlebenden) ausgeschlossen.“ Entscheidung: „Eine Pflichtteilsklausel, die auf ein „Verlangen“ des Pflichtteils nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten abstellt, greift nicht bereits dann ein, wenn der Pflichtteilsberechtigte die Erbenstellung des überlebenden angreift (im Anschluss und in Abgrenzung zu OLG München, Beschluss vom 7. April 2011, 31 Wx 227/10).“ |
OLG Köln: 27.9.18, 2 Wx 314/18 |
Klauseltext: „Sollte eines unserer Kinder nach dem Tode des Erstversterbenden vom Überlebenden seinen Pflichtteil fordern, so soll es auch nach dem Tode des Überlebenden auf den Pflichtteil beschränkt bleiben.“ Entscheidung: „Eine Zuwiderhandlung liegt bereits vor, wenn der Pflichtteil bewusst und ernsthaft in Kenntnis der Pflichtteilsstrafklausel geltend gemacht wird. Die erfolgreiche, womöglich gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs ist nicht erforderlich, um die Sanktion auszulösen, sodass es ebenso unerheblich ist, ob und in welcher Höhe der Pflichtteilsanspruch objektiv bestanden hat und ob die Zahlung auf den Pflichtteil erfolgte.“ |
OLG Hamm: 29.3.22, 10 W 91/20 |
Klauseltext: „Sollte ein Kind nach dem Tod des ersten Verstorbenen das Pflichtteil verlangen, bekommt es nach dem Tod des Zweiten auch nur das ihm zustehende Pflichtteil.“ Entscheidung: „Für das Eingreifen der Verwirkungsklausel ist es nicht erforderlich, dass der Pflichtteil tatsächlich ausgezahlt oder gerichtlich geltend gemacht wird. Es genügt vielmehr, dass der Abkömmling versucht hat, den Pflichtteil zu erhalten. Das ist der Fall, wenn er in objektiver Hinsicht den Pflichtteil ausdrücklich und ernsthaft fordert und in subjektiver Hinsicht dabei bewusst in Kenntnis der Verwirkungsklausel handelt. Weitere subjektive Voraussetzungen, etwa ein bewusstes oder gar böswilliges Auflehnen gegen den Erblasserwillen, sind nicht erforderlich.“ |
5. Musterformulierungen zu den Pflichtteilsklauseln
Zur Vermeidung von Auslegungsproblemen sollten die Klauseln daher grundsätzlich klar und eindeutig gefasst werden. Hierzu sollen die folgenden Formulierungen eine Hilfestellung für verschiedene Intentionen bieten.
Musterformulierungen / Pflichtteilsklauseln |
„Wir setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein. Schlusserben nach dem Tod des Letztversterbenden sind … und … zu gleichen Teilen. Ergänzende Klauselvarianten Nrn. 1 bis 4 (jeweils alternativ zu verwenden und ohne die Anmerkungen in kursiv):
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Mögliche Zusätze zu den Varianten 1 bis 4:
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6. Weitere Praxistipps
Im Hinblick auf die Auslösung jedweder Pflichtteilsklausel sollte die Formulierung so gewählt werden, dass Voraussetzung neben dem Geltendmachen (Beanspruchen oder Fordern) gegen den Willen des überlebenden Ehegatten der Erhalt des Pflichtteils im Sinne eines Mittelabflusses vom Nachlassvermögen Voraussetzung ist. In diesem Fall gibt es keinen Streit in welche Handlungen ein Geltendmachen, Beanspruchen oder Fordern darstellen. Mit der Formulierung „gegen den Willen“ wird klargestellt, dass die Sanktionswirkung der Klausel dann nicht ausgelöst wird, wenn der überlebende Ehegatte mit der Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs einverstanden ist oder dieser dem/den Abkömmling/en nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil freiwillig auszahlt. In diesem Falle können die Freibeträge der Abkömmlinge auch für den Tod des Erstversterbenden ausgenutzt werden.
Der Erbe kann nach § 2331a Abs. 1 BGB die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn ihn die sofortige Erfüllung des gesamten Anspruchs wegen der Art der Nachlassgegenstände ungewöhnlich hart treffen, insbesondere zur Aufgabe seiner Familienwohnung oder zur Veräußerung eines Wirtschaftsgutes zwingen würde, das für den Erben und seine Familie die wirtschaftliche Lebensgrundlage bildet. Über die Stundung entscheidet das Nachlassgericht (§ 2331a Abs. 2 BGB), wenn der Pflichtteilsanspruch als solcher nicht bestritten wird.
AUSGABE: EE 2/2025, S. 26 · ID: 49804302