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Erbschaftsteuer- und ErbrechtErbschaftsteuerrecht versus Erbrecht: Nicht immer ist der (zivilrechtliche) Gleichklang gegeben
| Das Erbschaftsteuerrecht gilt gemeinhin als zivilrechtslastig. Davon kann aber an vielen Stellen des Gesetzes keine Rede sein. Allein schon die betriebliche Erbschaftsteuer tendiert durch viele Querverweise zum Ertragsteuerrecht (z. B. § 13b Abs. 1 ErbStG i. V. m. § 97 Abs. 1 BewG). Aber auch das strenge, im BGB geregelte Erbrecht kann mithilfe einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise in den Hintergrund treten. Dieser Beitrag zeigt einige Beispiele auf, will aber auch auf Grenzfälle aufmerksam machen. |
1. Es gelten die zivilrechtlichen Grundlagen
Die in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG aufgeführten Erwerbe von Todes wegen verweisen auf die erbrechtlichen Vorschriften des BGB, sodass grundsätzlich bei der Erbschaftsteuer die Regelungen des BGB maßgeblich sind. Insbesondere sind nach dem BGB bestimmte Formvorschriften bei der Erstellung von Testamenten zu beachten. Wenn ein Testament nicht zur Niederschrift bei einem Notar erklärt wird (§ 2231 BGB), ist § 2247 BGB zu beachten.
Hiernach sind erforderlich:
- Eigenhändige Schrift
- Unterschrift mit Vor- und Nachnamen
- Angabe von Datum und Ort der Niederschrift
Bei gemeinschaftlichen eigenhändigen Ehegattentestamenten genügt es nach § 2267 BGB, wenn einer der Ehegatten es eigenhändig schreibt und der andere es mitunterzeichnet.
2. Diese Folgen hat eine formunwirksame letztwillige Verfügung im Erbschaftsteuerrecht
Aufgrund ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (z. B. BFH 28.3.07, II R 25/05, BStBl II 07, 461) ist die Unwirksamkeit einer letztwilligen Verfügung erbschaftsteuerlich unbeachtlich, soweit die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis des Erblasserwillens umsetzen.
Der BFH hatte bereits im Jahr 1969 darauf hingewiesen (BFH 2.12.69, II 120/64, BStBl II 70, 119), dass das ErbStG 1925 in § 11 folgende Regelung enthielt: „Erfüllt der Erbe eine wegen Formmangels nichtige Verfügung von Todes wegen, so ist nur die Steuer zu erheben, die bei Gültigkeit der Verfügung des Erblassers zu entrichten gewesen wäre“. Diese Vorschrift ist im ErbStG 1951 gestrichen worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung glaubte man, auf diese Vorschrift verzichten zu können, weil der dieser Vorschrift zugrunde liegende Rechtsgedanke in § 5 Abs. 3 StAnpG (dem heutigen § 41 Abs. 1 AO) enthalten sei. Dogmatisch wendet sich das Erbschaftsteuerrecht an dieser Stelle von den zivilrechtlichen Wertungen ab und übernimmt die (grundsätzlich nicht beachtliche) wirtschaftliche Betrachtungsweise.
a) Diese Voraussetzungen für die Anerkennung müssen erfüllt werden
In einem weiteren Urteil hat der BFH die Mindestvoraussetzungen für die steuerliche Anerkennung einer unwirksamen Erbregelung wie folgt zusammengefasst (BFH 15.3.00, II R 15/98, BStBl II 00, 588):
- Es muss eine Anordnung des Erblassers vorliegen, die dieser im Hinblick auf seinen Tod getroffen hat.Voraussetzungen für die Anerkennung einer unwirksamen Erbregelung
- Diese Erklärung muss als ernstlich geäußerter letzter Wille angesehen werden können, der – bis auf die unwirksame Form – allen Anforderungen an letztwillige Verfügungen genügt.
- Die Beteiligten müssen die Anordnungen des Erblassers (ohne Zeitverzug) ausgeführt haben.
Die bloße Behauptung der Erbbeteiligten, dass eine mündliche Anordnung des Erblassers vorgelegen habe, ist nicht ausreichend.
b) Umfang der Ausführung, die erfüllt werden muss
Der BFH hat in einem Fall entschieden, dass eine erbschaftsteuerliche Beachtung der unwirksamen Verfügung auch dann zu erfolgen habe, wenn sie nicht in vollem Umfang befolgt wird (BFH 22.9.10, II R 46/09, BFH/NV 11, 261).
c) Wer trägt die Feststellungslast?
Die Feststellungslast für ein solches Vorbringen trägt der Steuerpflichtige und nicht das Finanzamt (Fischer in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG 8. Aufl., § 3 Rn. 24). In welcher Form diese Feststellungslast erfüllt werden kann, ist nicht geregelt. Indizien können sein:
- Schriftstücke des Erblassers (z. B. maschinengeschriebenes Testament, handschriftliches Testament ohne Unterschrift, andere Schriftstücke des Erblassers)
- Zeugenaussagen (insbesondere von Personen, die keinen eigenen Nutzen haben) – Zeugenaussagen der unmittelbar Beteiligten sind aber nicht per se unglaubhaft (Esskandari, ErbStB 2014, 77)
- Insgesamt ist aber eine inhaltliche Plausibilität erforderlich (Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG, § 3 Rn. 59)
d) Verunglückte Erbeinsetzung und was nun?
Der Erbfall tritt kraft gesetzlicher Erbfolge oder durch gewillkürte Verfügung von Todes wegen ein. Der Erblasser hat zu Lebzeiten die Möglichkeit, durch Testament oder Erbvertrag Wege zu beschreiten, die von der gesetzlichen Erbfolge abweichen.
... die den eigentlich beabsichtigten Zweck nicht erfüllt |
Beispiel 1 |
Ein Erblasser (EL) ließ ein notarielles Testament erstellen und setzte einen Pastor (P) als Alleinerben ein. Ob es dem EL dabei insbesondere um die Kirchengemeinde als Begünstigte ging, war dem Testament nicht zu entnehmen. Nach Eröffnung des Testaments zeigte daraufhin P – wie es arbeitsrechtlich auch geboten war – dem zuständigen Landeskirchenamt seine Erbeinsetzung mit dem Hinweis an, dass er das Erbe für seine Kirchengemeinde annehmen und es dieser vollumfänglich zur Verfügung stellen wolle. Die Genehmigung wurde sodann erteilt. Die Weiterleitung an die Kirchengemeinde erfolgte durch eine notarielle Schenkungsurkunde „frei im Wege der Schenkung“. Da der Pastor das Erbgut der Kirchengemeinde zukommen lassen wollte (und letztlich auch musste), ging er davon aus, keine Erbschaftsteuer zahlen zu müssen. Er sah sich als nicht bereichert an, hilfsweise hatte er die Weiterleitung des Erbguts an die Kirchengemeinde als Nachlassverbindlichkeit i. S. d. § 10 Abs. 5 Nr. 2, Nr. 3 ErbStG angesehen. Der Erbe bleibt Schuldner der Erbschaftsteuer |
Der Erblasser hat vermutlich in rechtlicher Unkenntnis gehandelt. Für die Auslegung des Testaments bleibt aber durchweg der darin angedeutete Wille des Erblassers (Andeutungstheorie) maßgeblich. Sofern sich also dessen Wille zumindest ansatzweise aus dem Testament selbst ergibt, können auch außerhalb der Testamentsurkunde liegende Umstände berücksichtigt werden (Machulla in Scherer, Münchener Anwaltshandbuch Erbrecht, § 6 Rn. 8). Erbrechtlich gesehen sei hier auf die Grundsätze der Testamentsauslegung verwiesen. In dem hier aufgezeigten Fall hat es nach Meinung des Autors (infolge eines Rechtsirrtums) an dem notwendigen Erblasserwillen gefehlt, denn er hat offensichtlich keine Willenserklärung zugunsten der Kirchengemeinde zum Ausdruck gebracht.
Merke | Vorausgesetzt der Erblasser hatte tatsächlich die Kirchengemeinde begünstigen wollen, wäre die einfachste Lösung gewesen – so banal es klingt –, diese im Testament auch als Erwerberin zu benennen. Dann wäre der Erbfall gem. § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG sogar in vollem Umfang steuerfrei geblieben. Keine rückwirkende Steueraufhebung gem. § 29 ErbStG |
Mitunter kann in der Gestaltungspraxis die Ausschlagung des Erbes eine sinnvolle Lösung sein. Dieses Instrument verfehlt aber seine Wirkung, wenn der von allen Beteiligten gewollte Erwerber nicht der nächste Verwandte des Ausschlagenden ist. Denn die Ausschlagung begünstigt ausschließlich Verwandte.
Beispiel 2 |
M und F leben ohne Trauschein zusammen. Sie besitzen je zur Hälfte die gemeinsam bewohnte Eigentumswohnung. M verstirbt. Ein formwirksames Testament von ihm wird nicht aufgefunden. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein. Der gesetzliche Erbe ist der Bruder von M. Der Bruder von M empfindet sich aber moralisch als nicht erbberechtigt, die hälftige Wohnung stehe doch nun der F zu. |
Derlei Fälle kommen in der Praxis häufiger vor. Erbrechtlich scheint der Fall klar zu sein. Da kein Testament vorliegt, kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Diese begünstigt Verwandte. Da M und F nicht verheiratet waren, gelten sie hinsichtlich der gesetzlichen Erbfolge als fremde Dritte.
Für den Fall, dass der Bruder des M die hälftige Eigentumswohnung letztendlich der F überlassen möchte, sollte vorab mit dem FA geklärt werden, ob es sich dabei um eine Weiterschenkung handelt (Steuerklasse III, Freibetrag nur 20.000 EUR) oder ob das wirtschaftlich Gewollte der Besteuerung zu unterwerfen ist. Mindestvoraussetzung ist eine Anordnung des Erblassers, die dieser im Hinblick auf seinen Tod getroffen hat (BFH 15.3.00, II R 15/98, a. a. O.). Im Grundsatz müsste es dabei auch möglich sein, eine nur mündlich errichtete letztwillige Verfügung anzuerkennen (RFH 15.10.42, III 87/42, RStBl 42, 1116; vgl. Fischer in Fischer/Pahlke/Wachter, ErbStG, § 3 Rn. 24).
3. Erbvergleich/Postmortale Testamentsauslegungsverträge
Grundsätzlich ist die Erbauseinandersetzung für die Besteuerung ohne Belang (BFH 30.6.60, II 254/57 U, BStBl III 60, 348).
Hingegen handelt es sich bei einem Erbvergleich um einen Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit über erbrechtliche Verhältnisse im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779 Abs. 1 BGB). Ein solcher Erbvergleich (Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 3 Rn. 80 bis 90) ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der Besteuerung zugrunde zu legen (BFH 27.9.12, II R 52/11, BFH/NV 13, 938). Das Gleiche gilt für einen Vertrag über die Auslegung mehrdeutiger letztwilliger Verfügungen und für ein rechtskräftiges Urteil in Erbstreitigkeiten. Es ist erbschaftsteuerlich so zu verfahren, als ob der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen eine entsprechende Regelung getroffen hätte (RFH 14.7.38, III e 24/38, RStBl 38, 857; BFH 11.10.57, III 139/56 U, BStBl III 57, 447; 1.2.61, II 269/58 U, BStBl III 61, 133). Für die Steuerbemessung und -berechnung kommt es deshalb auf die Verhältnisse am Todestag an. Ob das in dem Vergleich Vereinbarte auch das Ergebnis eines zivilrechtlichen Urteils über das streitige Erbrecht hätte sein müssen, ist ohne Belang (BFH 24.7.72, II R 35/70, BStBl II 72, 886).
Der BFH hat wiederholt festgehalten, dass die erbschaftsteuerrechtliche Anerkennung eines solchen Erbvergleichs eine nicht weiter verallgemeinerungsfähige Ausnahme von dem Grundsatz darstellt, dass weder die Erben noch sonst am Nachlass beteiligte Personen berechtigt sind, den Kreis der steuerpflichtigen Personen oder den Umfang der steuerpflichtigen Bereicherung nach dem Erbfall durch freie Vereinbarung eigenmächtig neu zu bestimmen (BFH 26.2.08, II R 82/05, BStBl II 08, 629; 1.7.08, II R 71/06, BStBl II 08, 874; 4.5.11, II R 34/09, BStBl II 11, 725). Das FG München nimmt darauf Bezug (6.9.17, 4 K 1916/16, EFG 17, 1802). Auch das Argument, dass die in der notariellen Vereinbarung getroffenen Bestimmungen unter dem Gesichtspunkt eines effektiveren Vollzugs zweckmäßig gewesen sein könnten und den wirtschaftlichen oder familiären Bedürfnissen entsprächen, rechtfertigen noch keine erbschaftsteuerrechtliche Anknüpfung.
4. Erbschein ist maßgeblich
Nach § 2365 BGB ergibt sich eine Vermutungswirkung auf die Richtigkeit des Erbscheins hinsichtlich der Erbfolge und Erbquote.
Der BFH hat entschieden (22.11.95, II R 89/93, BStBl II 96, 242), dass Finanzbehörden und -gerichte regelmäßig von dem Erbrecht auszugehen haben, wie es im Erbschein bezeugt ist. Werden jedoch gewichtige Gründe erkennbar, die gegen die Richtigkeit des Erbscheins in tatsächlicher oder in rechtlicher Hinsicht sprechen, sind sie dazu berechtigt und verpflichtet, das Erbrecht und – bei Miterben – die Erbanteile selbst zu ermitteln. Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins kann jederzeit und in jeder Weise durch Gegenbeweis widerlegt werden. Der Erbschein muss hierzu nicht vom Nachlassgericht aufgehoben werden. Der Gegenbeweis kann auch durch eine andere Auslegung des Testaments geführt werden.
Im Urteilsfall hatte der Erblasser im Testament den Erben alle Vermögensgegenstände einzeln zugewiesen und keine Erbquoten benannt. Im Erbscheinverfahren wurden die Quoten nach der Summe der Werte der Einzelgegenstände errechnet. Im Besteuerungsverfahren wurden den Miterben alle Gegenstände nach den Erbscheinquoten zugerechnet.
Beachten Sie | Das Verfahren wurde vom BFH an das vorinstanzliche FG zurückverwiesen. Ob dort alle Erwerbe wie Vorausvermächtnisse behandelt wurden, ist mangels Veröffentlichung nicht bekannt.
Richtschnur ist bei allem der Wille des Erblassers |
AUSGABE: EE 2/2025, S. 32 · ID: 50302615