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RückübertragungsanspruchVererblichkeit eines Grundstücksübertragungsanspruchs bei Vor- und Nacherbfolge

Abo-Inhalt24.09.20241934 Min. LesedauerVon RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

| Lebzeitige Übertragungen u. a. des Familienheims sind in der Praxis sehr beliebt. Neben schenkungs-/erbschaftssteuerlichen Überlegungen ist insbesondere der Wunsch ausschlaggebend, das Familienheim für die Familie zu erhalten. Dieses soll nicht für die Kosten einer Heimunterbringung versilbert werden müssen. Teilweise sollen auch zielgerichtet Pflichtteilsansprüche (wirtschaftlich) verringert werden. |

1. Vereinbarungen von Rückforderungsrechten

In diesem Kontext werden regelmäßig Rückforderungsrechte vereinbart (vgl. Keim/Lehmann Beck‘sches Formularbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2023 III. 2. Grundstücksschenkung), z. B., wenn der Übertragsnehmer

  • den Grundbesitz ohne Zustimmung belastet oder veräußert,
  • seine Zahlungen einstellt oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird oder mangels Masse die Eröffnung abgelehnt wird,
  • vor dem Übertragsgegner verstirbt,
  • keine Vorsorge dafür trifft, dass das Grundstück nicht in den Zugewinn fällt (trotz der Regelung des § 1374 Abs. 2 BGB),
  • oder wenn in den Grundbesitz die Zwangsvollstreckung betrieben wird.

2. Vererblichkeit von Rückforderungsrechten

Bei der Frage der Vererblichkeit ist zwischen dem Recht auf Ausübung des Rückübertragungsanspruchs und dem Recht aus dem Rückübertragungsanspruch zu differenzieren (vgl. BGH 20.2.03, IX ZR 102/02; OLG Hamm 6.9.16, 10 U 107/15). Wenn der Rückübertragungsanspruch zu Lebzeiten des Erblassers ausgeübt wird, fällt das Recht aus dem Rückübertragungsanspruch im Regelfall in den Nachlass. Eine Unvererblichkeit wird nur in besonderen Konstellationen angenommen werden können. Dieser künftige oder bedingte Anspruch aus dem Rückübertragungsanspruch kann durch eine Vormerkung gesichert werden, vgl. § 883 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies erfolgt in der Praxis auch regelmäßig.

a) Vererblichkeit des Rechts auf Ausübung des Rückübertragungsanspruchs

Eine Frage des Einzelfalles ist aber, ob das Recht auf Ausübung des Rückübertragungsanspruchs vererblich sein soll oder nicht. Gestaltungsrechte können als Annex des Rechtsverhältnisses, auf das sie sich beziehen, vererblich sein, BeckOGK/Preuß, 1.5.2024, BGB § 1922 Rn. 189. Das auf eine Mehrheit von Erben übergegangene Recht kann von diesen grundsätzlich nur gemeinschaftlich ausgeübt werden, BGH NJW 04, 767, 769. Eine Vermutung für die Vererblichkeit oder gegen die Vererblichkeit gibt es nicht (vgl. OLG Schleswig FGPrax 21, 251). Wenn – wie häufig – eine ausdrückliche Regelung in den notariellen Verträgen fehlt, ist die Frage der fehlenden Abtretbarkeit/Vererblichkeit im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB zu klären.

Praxistipp | Bei der Vertragsgestaltung sollte dies mit den Beteiligten besprochen und eine eindeutige Regelung aufgenommen werden (vgl. etwa den Fall BGH FamRZ 13, 1038). Ein Notar ist aufgrund der Formulierungspflicht gem. § 17 BeurkG hierzu auch verpflichtet. Häufig ist es interessengerecht, dass der Rücktritt nur vom Übertragsgeber persönlich oder nach Maßgabe des § 530 Abs. 2 BGB ausgeübt werden kann. § 530 Abs. 2 BGB erlaubt es dem Erben, den Rücktritt zu erklären, wenn der Beschenkte den Schenker vorsätzlich getötet oder auf sonstige Weise am Widerruf gehindert hat, vgl. Keim/Lehmann Beck‘sches Formularbuch Erbrecht, 5. Aufl. 2023 III. 2. Grundstücksschenkung. Allerdings kann dies zu Problemen führen, wenn der Übertragsgeber geschäftsunfähig wird. Bei höchstpersönlichen Rechten kann ein Betreuer nicht für den Übertragsgeber auf die Rechte verzichten. Das Grundstück ist wegen der regelmäßig eingetragenen Vormerkung in der Praxis so gut wie nicht veräußerbar, weil ein Erwerber ein mit einer Vormerkung belastetes Grundstück nicht kaufen wird, vgl. hierzu Zimmer, ZEV 06, 381. Dieses Problem kann durch entsprechende vertragliche Vorsorge entfernt werden. Möglich ist z. B. eine Regelung, dass das Rückforderungsrecht dann entfällt, wenn der Übergebende dauerhaft nicht mehr im Haus wohnt.

b) Auslegung

Nach §§ 133, 157 BGB ist bei der Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen der wirkliche Wille der Erklärenden zu erforschen. Vorrangig ist ein gemeinsamer Wille der Erklärenden. Wenn ein solcher nicht festgestellt werden kann, ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und die Systematik des Vertrages zu würdigen. Anhaltspunkte für die Auslegung kann manchmal auch die Historie des Vertragsschlusses bieten, insbesondere dann, wenn Vertragsurkunden im Zuge von Verhandlungen abgeändert wurden. Entscheidend ist regelmäßig die wechselseitige Interessenlage unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben.

Merke | Bei der Auslegung ist vor allem zu berücksichtigen, ob der Übertragsgeber durch den Rückforderungsanspruch höchstpersönliche Rechte absichern wollte, wie z. B. eine Pflegeverpflichtung durch den Übertragsnehmer (vgl. hierzu etwa OLG Hamm DNotZ 07, 122). Wenn die Nichterfüllung einer Pflegeverpflichtung zur Rückforderung berechtigen sollte, spricht dies gegen eine Vererblichkeit.

Bei der Auslegung zu beachten ist, dass im Falle der Vererblichkeit der Übertragsnehmer (wirtschaftlich) dauerhaft nur sehr stark eingeschränktes Eigentum erworben hat. Er kann das übernommene Grundstück dauerhaft nicht belasten, ohne sich dem Risiko einer Rückforderung auszusetzen. Er ist von dem guten Willen des Übertragsgebers oder eines – ggf. noch unbekannten – Erben abhängig. Wenn der Übertragsgeber etwa wegen einer Demenz geschäftsunfähig wird, muss ein Betreuer die Zustimmung zu einer Belastung erteilen. Diese Problematik ist insbesondere bei in die Jahre gekommenen Renditeobjekten relevant, bei denen erhebliche Instandhaltungs- und Renovierungsaufwendungen anstehen. Wenn das Ausübungsrecht vererbbar ist, ist es regelmäßig auch weitervererbbar, sodass der Übertragsnehmer zwar formal Eigentum, aber wirtschaftlich letztlich nur ein bedingtes Nutzungsrecht sowie die Lasten des Grundbesitzes erwirbt (vgl. OLG Hamm, a. a. O.). Auch insoweit kann aber vertragliche Vorsorge getroffen werden, z. B. dadurch, dass die Zustimmung zur Belastung in bestimmten Umfang zu bestimmten Zwecken bereits in der Übertragsurkunde erteilt wird.

c) Vererblichkeit bei Vor- und Nacherbfolge

Noch komplizierter wird es, wenn der Übertragsgeber nicht befreiter Vorerbe und der Übertragsnehmer der Nacherbe ist. Wenn der Nacherbe ein Abkömmling des Vorerben ist, gibt es in der Praxis z. B. bei Renditeobjekten den Wunsch, nacherbschaftsbefangenen Grundbesitz bereits lebzeitig im Wege der vorweggenommenen (Nach-)Erbfolge auf den Nacherben zu übertragen. Ohne diese Übertragung stehen die Nutzungen dem Vorerben zu (§ 2111 Abs. 1 S. 1 BGB), nach der Übertragung ohne weitere Regelung dem Nacherben. Häufig werden hier Nutzungsvorbehalte wie ein Nießbrauch oder ein Wohnungsrecht und/oder Rückforderungsrechte für den Übergeber vereinbart, vgl. Hartmann DNotZ 17, 28, 43/44. Zunächst ist in diesem Fall auch zu prüfen, ob die Rückforderungsrechte vererblich sind oder nicht. Wenn die Rückforderungsrechte nicht vererblich sind, gehen sie mit dem Tod des Vorerben/Übergebers unter. Wenn sie aber vererblich sind, ist fraglich, ob die Rückforderungsrechte freies durch die Vor-/und Nacherbschaft ungebundenes Vermögen sind, oder ob die Surrogation gem. § 2111 BGB einschlägig ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass die Regel des § 2111 BGB nicht disponibel ist (beckOGKBGB-MüllerChristmann, § 2111 Rn. 8).

Das OLG München (ZEV 12, 333) ist in einem Verfahren betreffend die Löschung der Vormerkung im Grundbuch zugunsten des Vorerben wegen des Rückforderungsrechts ohne nähere Begründung davon ausgegangen, dass der Rückübertragungsanspruch nicht mehr in die Nacherbfolge falle. Richtig ist, dass in diesen Fällen das betroffene Grundstück mit der Zustimmung des Nacherben durch die Übereignung an ihn aus der Nacherbfolge ausgeschieden ist. Es ist aber nicht zwingend, dass deswegen keine Surrogation gem. § 2111 BGB erfolgt. Reimann (DNotZ 07, 479, 592) erkennt das Problem der Surrogation und will dies dadurch lösen, dass die Übergabe mit dem ausdrücklichen Vorbehalt versehen wird, dass der Übergabegegenstand nur vorbehaltlich seiner Rückübertragung aus dem Nachlass ausscheidet.

Überzeugender ist die Auffassung von Hartmann (DNotZ 17, 28, 43). Dieser geht von einer wirtschaftlichen Betragungsweise aus. Der Vorerbe erhält durch die Übergabe des Grundstücks und damit mit „Mitteln des Nachlasses“ unmittelbar aus demselben Vertragsverhältnis den Anspruch auf Rückforderung. Dieser Anspruch ist damit Surrogat des ehemaligen Nachlassgegenstands „Grundstück“, § 2111 Abs. 1 S. 1, 3. Alt BGB. Hierfür spricht auch folgende Kontrollüberlegung. Wenn keine Surrogation angenommen wird, verzichtet der Nacherbe im Zuge der Übertragung des Grundstücks an ihn vollständig auf sein Nacherbenanwartschaftsrecht. Durch die Übertragung steht er – zumindest teilweise – erheblich schlechter dar als ohne die Übertragung. Ohne die Übertragung stehen die Nutzungen dem Vorerben zu, der diese häufig aber für den Erhalt und die Modernisierung einsetzen muss, also faktisch nur wenig von ihnen hat. Diese Sachlage ändert sich durch die Übertragung an den Vorerben nicht. Die Nutzungen stehen zwar dann dem Nacherben zu, abzüglich z. B. eines vereinbarten Wohnrechts. Wenn zusätzlich noch ein Nießbrauch vereinbart wird, hat der Nacherbe wirtschaftlich nichts von der Übertragung. Ohne die Surrogation kann der nicht befreite Vorerbe dann aber durch die Ausübung des Rückforderungsrechts freies Eigentum erwerben. Ohne die Übertragung hätte er diese Möglichkeit nicht. Auf diese gravierende Folge nach der h. M. müssen die beteiligten Notare gem. § 17 BeurkG klar hinweisen.

AUSGABE: EE 10/2024, S. 169 · ID: 50145500

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