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ErbschaftsteuerSteuerermäßigung bei Erbschaftsteuerbelastung

Abo-Inhalt21.08.2024638 Min. LesedauerVon StB Christoph Wenhardt, Brühl

| § 35b EStG sieht eine einkommensteuerliche Steuerermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer vor. Dieser Beitrag erläutert Systematik und Voraussetzungen dieser Vorschrift anhand eines Musterfalls. |

1. Grundsätzliches zum § 35b EStG

Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, so wird auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer, die auf diese Einkünfte entfällt, um einen bestimmten Prozentsatz ermäßigt. Hierbei bestimmt sich der Prozentsatz nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb die persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG und der Versorgungsfreibetrag nach 17 ErbStG sowie der steuerfreie Betrag nach § 5 ErbStG hinzugerechnet werden.

Praxistipp | Keine Hinzurechnung erfahren jedoch die Freibeträge (siehe Kulosa in: Schmidt, EStG, § 35b Rn. 23)

  • nach § 13 ErbStG (z.B. Hausrat, Denkmal oder Familienheim),
  • nach § 13a–13c ErbStG (für Betriebsvermögen) sowie
  • nach § 13d ErbStG (Verschonungsabschlag für zu fremden Wohnzwecken vermietete Grundstücke).

In bestimmten Fällen kann es zu einer Überschneidung von Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommen. Dies ist der Fall, wenn der Erwerber Vermögensgegenstände erwirbt, die latent mit Einkommensteuer belastet sind, da es beim Erblasser noch nicht zur Verwirklichung des Tatbestandes gekommen ist. Die Vorschrift greift insbesondere in den folgenden Fällen (siehe auch Loose, Erbschaftsteuer, 5. Aufl. 2022, A 16):

  • Es werden stille Reserven im Betriebsvermögen nach dem Tod des Erblassers aufgedeckt.
  • Zinsansprüche von Wertpapieren sind zum Todeszeitpunkt noch nicht fällig.
  • Offene Honorarforderungen eines Freiberuflers werden nach dessen Tod vom Erben eingezogen (hierzu der Musterfall unter 4.)

2. Voraussetzungen für die Anwendung des § 35b EStG

a) Doppelbelastung

Die Einkünfte müssen der Einkommensteuer und der Erbschaftsteuer unterliegen, d. h. doppelbelastet sein.

b) Festsetzung der Erbschaftsteuer

Die Erbschaftsteuer muss in einem Erbschaftsteuerbescheid festgesetzt sein.

c) Antrag und Formularhinweise

Die Steuerermäßigung erfolgt nicht von Amts wegen, sondern auf Antrag, regelmäßig gestellt in der Anlage „Sonstiges“, Zeile 4 (Formular ESt- Erklärung 2023). Notwendig sind die folgenden Angaben:

Merke | Für den Antrag gibt es keine Frist. Er kann also später im Einspruchs- und auch noch Klageverfahren gestellt werden.

  • Zeile 5: Einkünfte, für die eine Steuerermäßigung nach § 35b EStG beantragt wird (Einkünfte, die der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, sind hier außer Acht zu lassen).
  • Zeile 6: insgesamt festgesetzte Erbschaftsteuer
  • Zeile 7: erbschaftsteuerpflichtiger Erwerb zuzüglich der Freibeträge nach den §§ 16, 17 ErbStG und des steuerfreien Betrags nach § 5 ErbStG
  • Zeile 8: Hier ist anzugeben, ob in Zeile 5 Einkünfte enthalten sind, die bei der Einkommensteuer ermäßigt besteuert werden.

3. Weitere Hinweise

a) Begünstigungszeitraum

Der Begünstigungszeitraum beträgt fünf Jahre. Fraglich ist, wann er beginnt. Der BFH hat hierzu jüngst entschieden (BFH 28.11.23, X R 20/21, Abruf-Nr. 241278), dass der Begünstigungszeitraum mit Entstehung der Erbschaftsteuer beginnt, d. h. regelmäßig mit dem Tod des Erblassers. Keine Rolle spielt nach Auffassung des BFH:

  • der Zeitpunkt der Klärung der Erbenstellung
  • die Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht
  • die Zahlung der Erbschaftsteuer

b) Keine Anwendung bei Schenkungen unter Lebenden

Handelt es sich um eine Schenkung unter Lebenden, findet die Vorschrift keine Anwendung (siehe auch Gebel in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 35b, Tz. 420 sowie den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, der von Erbschaftsteuer spricht). Nur der Erwerb von Todes wegen ist somit begünstigt.

4. Berechnung der Steuerermäßigung

Zur Berechnung der Steuerermäßigung müssen zunächst zwei Maßgrößen ermittelt werden:

  • 1. die anteilig auf die nach § 35b S. 1 EStG begünstigten Einkünfte entfallende Einkommensteuer und
  • 2. der Ermäßigungsprozentsatz gemäß § 35b S. 2 EStG.

Der Betrag nach § 35b S. 1 EStG multipliziert mit dem Ermäßigungsprozentsatz ergibt den Betrag der Steuerermäßigung. Zur weiteren Erläuterung soll folgender Musterfall dienen:

Beispiel

Erblasser E, der als Freiberufler tätig war und seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt hat, verstirbt am 1.4.23. Im Testament hat E, der verwitwet ist, seinen dreißigjährigen Sohn S zum Alleinerben bestimmt. Zum Todestag steht noch eine Honorarforderung des E in Höhe von 80.000 EUR offen. Die erbschaftsteuerliche Bereicherung des E, die auch die Honorarforderung enthält, beträgt 900.000 EUR. Die noch offene Honorarforderung zieht S in 2023 ein. Die Summe der Einkünfte des S beträgt im Kalenderjahr 2023 240.000 EUR und seine daraus resultierende tarifliche Einkommensteuer beträgt 45.000 EUR.

Im Beispielsfall sind somit folgende Berechnungsschritte vorzunehmen:

  • 1. Ermittlung der festgesetzten Erbschaftsteuer
  • 2. Berechnung des Gesamterwerbs, d. h. steuerpflichtiger Erwerb zuzüglich Freibeträge nach § 16 ErbStG
  • 3. Ermittlung des Ermäßigungsprozentsatzes
  • 4. Ermittlung der Einkünfte, für die die Steuerermäßigung des § 35b EStG zur Anwendung kommt sowie der begünstigten tariflichen Einkommensteuer
  • 5. Ermittlung der Steuerermäßigung gem. § 35b EStG und der festzusetzenden Einkommensteuer

Die Berechnung sieht dann wie folgt aus:

Berechnung der Steuerermäßigung

1. Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs und der Erbschaftsteuer (aus Vereinfachungsgründen wurde die Beerdigungskostenpauschale außen vor gelassen):

Erbschaftsteuerliche Bereicherung

900.000 EUR

abzüglich persönlicher Freibetrag

./. 400.000 EUR

steuerpflichtiger Erwerb

500.000 EUR

Für S beträgt die Steuerlast somit 75.000 EUR (15 % von 500.000 EUR).

2. Ermittlung des Gesamterwerbs

steuerpflichtiger Erwerb

500.000 EUR

zuzüglich persönlicher Freibetrag

+ 400.000 EUR

Gesamterwerb

900.000 EUR

3. Ermittlung des Ermäßigungsprozentsatzes

75.000 EUR x 100 EUR

900.000 EUR = 8,33 %

4. Berechnung der begünstigten tariflichen Einkommensteuer

Die Honorarforderung i. H. v. 80.000 EUR beträgt 1/3 der Summe der Einkünfte von 240.000 EUR. Damit ist 1/3 der tariflichen Einkommensteuer von 45.000 EUR begünstigt, d. h. 15.000 EUR.

5. Berechnung der Steuerermäßigung und der festzusetzenden Einkommensteuer

8,33 % × begünstigte tarifliche Einkommensteuer i. H. v. 15.000 EUR

= Steuerermäßigung (aufgerundet) 1.250 EUR

Es ergibt sich für Sohn S somit eine festzusetzende Einkommensteuer i. H. v. 43.750 EUR (45.000 EUR ./. 1.250 EUR).

AUSGABE: EE 9/2024, S. 160 · ID: 50079108

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