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InsichgeschäftKann man sich als Erbe selbst vertreten?

Abo-Inhalt21.08.2024643 Min. LesedauerVon RA Holger Siebert, FA Erbrecht und FA Steuerrecht, Berlin

| Das OLG Nürnberg hatte sich jüngst mit dem bekannten Problem auseinanderzusetzen, ob eine an den Alleinerben erteilte transmortale Vollmacht auch dann noch wirkt, wenn der Vollmachtnehmer der Alleinerbe ist. Die aktuelle Entscheidung zeigt, dass die Thematik – in unterschiedlichen Kontexten – immer wieder praxisrelevant ist. Grund genug, diesen Aspekt näher zu beleuchten, zumal hierzu unterschiedliche Auffassungen bestehen. |

1. Der Fall des OLG Nürnberg

Der im Jahr 2022 verstorbene Grundstückseigentümer E hatte seiner Ehefrau F eine notariell beurkundete transmortale Generalvollmacht unter Befreiung von § 181 BGB erteilt. F wurde Alleinerbin des E. Im Jahr 2023 schloss F einen notariell beurkundeten Vertrag über die Übertragung eines Nachlassgrundstücks des E an sich selbst. Auf Veräußererseite handelte F unter Vorlage der Vollmacht ausdrücklich für die Erben des verstorbenen E. Zu diesem Zeitpunkt lag noch kein grundbuchtauglicher Nachweis der Erbfolge vor. Das Grundbuchamt hielt die Auflassung für unwirksam, weil die Vollmacht des E an F aufgrund der Alleinerbenstellung der F mit dem Erbfall per Konfusion erloschen sei.

Nach dem OLG Nürnberg (25.3.24, 15 Wx 2176/23, Abruf-Nr. 241657) ist die Übertragung des Eigentums am Nachlassgrundstück durch F als Stellvertreterin der Erben des E an sich selbst als Erwerberin wirksam, §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1, 164 Abs. 1 S. 1 BGB. Wegen der Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB könne F die Auflassung gegenüber sich selbst erklären. Obwohl F die Alleinerbin des E sei, könne sie die transmortale Vollmacht nutzen. Die Ausfertigung der Vollmachtsurkunde weise dem Grundbuchamt die Erteilung und den Fortbestand der Vollmacht in grundbuchtauglicher Form (§ 29 Abs. 1 GBO) nach. Das OLG Nürnberg schließt sich damit derjenigen Ansicht an, die ein Fortbestehen der Vollmacht im Rechtsverkehr (jedenfalls) nach den Rechtsscheingrundsätzen der §§ 170 – 173 BGB bejaht (siehe unten unter 4. b).

2. Wesen der (transmortalen) Vollmacht

Vollmachten (§§ 164 ff.) ermöglichen es dem Erblasser, außerhalb erbrechtlicher letztwilliger Verfügungen wichtige Vorkehrungen für seinen Todesfall zu treffen. So kann der Erbe seine Verfügungsmacht gegenüber Dritten häufig erst ausüben, wenn er im Nachlassverfahren einen Erbschein erhalten hat, durch den er sich legitimieren kann, was eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt. In diesem Zeitraum kann jedoch hinsichtlich des Nachlasses akuter Handlungsbedarf entstehen. Die dabei für den Nachlass drohenden Gefahren kann der Erblasser dadurch beseitigen, dass er einen Vertreter bestellt, der für ihn und/oder seine Erben in einzelnen Bereichen oder auch generell auftreten soll. Eine solche Vollmacht kann für Erben in vielerlei Hinsicht nützlich sein. Regelmäßig bedarf es bei Vorlage der vom Erblasser stammenden Vollmacht keines Erbscheins; die Verwaltung und Abwicklung des Nachlasses kann beschleunigt bzw. im Einzelfall sogar erst ermöglicht werden. Ist eine Umschreibung eines Grundstücks auf die Erben ohne Erbschein möglich, wird auch die Grundbuchberichtigung wesentlich erleichtert.

Die Vollmacht bezieht sich lediglich darauf, dem Vertreter nach außen die Befugnis zur Vornahme von Rechtsgeschäften für den Vertretenen einzuräumen. Die Bevollmächtigung bestimmt inhaltlich dagegen nicht, ob der Vertreter auch verpflichtet ist, für den Vertretenen das Rechtsgeschäft abzuschließen, ob er dies entgeltlich oder unentgeltlich tun muss oder ob er über die Ausführung der mittels der Vollmacht getätigten Rechtsgeschäfte gegenüber dem Geschäftsherrn Rechenschaft zu legen hat. Alle diese Fragen berühren nämlich ausschließlich das sog. Innenverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Vertreter, meist ein Auftrag oder ein Dienstverhältnis.

Nach dem Abstraktionsprinzip ist dieses Innenverhältnis strikt vom Außenverhältnis zwischen dem Vertreter und dem Geschäftsgegner zu unterscheiden. Die Vollmacht bezieht sich lediglich auf das Außenverhältnis. Die Rechte zwischen dem Geschäftsherrn und dem Vertreter im Innenverhältnis werden dagegen nach dem der Vollmachterteilung zugrunde liegenden Rechtsgeschäft, dem Kausalgeschäft, bestimmt. Als Kausalgeschäft kommt dabei jedes Verpflichtungsgeschäft in Betracht, das auf die Vornahme von Tätigkeiten für einen anderen gerichtet ist (z. B. Auftrag, Geschäftsbesorgung, Dienstvertrag etc.).

3. Bedeutung der Universalsukzession für die Vollmacht

Mit dem Erbfall treten der bzw. die Erben durch Vonselbsterwerb in die Rechtsposition des Erblassers, ohne dass es hierzu weiterer Rechtsakte bedarf (§ 1922 BGB). Auf eine erteilte Vollmacht bezogen bedeutet dies, dass im Falle einer Alleinerbeneinsetzung des Vollmachtnehmers die Positionen von Vollmachtgeber und Vollmachtnehmer verschmelzen. Der Erbe ist jetzt sowohl Vollmachtgeber als auch Vollmachtnehmer. Insoweit dürfte allgemeine Einigkeit bestehen. Im Hinblick auf das Schicksal einer solchen Vollmacht werden allerdings unterschiedliche Meinungen vertreten.

a) Das Lager der Konfusionisten

Ein erheblicher Teil in Rechtsprechung und Literatur vertritt die Auffassung, dass die Vollmacht infolge von Konfusion erlischt, wenn der Vollmachtnehmer Alleinerbe wird. Bestelmeyer sieht diese Folge auch im Falle eines Miterben als gegeben. So hat bereits 1948 das OLG Stuttgart (12.5.48, 1 RS 49/4848, NJW 47/48, 627) entschieden, dass trotz Unkenntnis vom Tod des Vollmachtgebers sein bevollmächtigter Alleinerbe ihn bzw. sich nicht rechtswirksam vertreten kann. §§ 674, 168 S. 1 BGB würden hier keine Anwendung finden. Das OLG Hamm (10.1.13, I-15 W 79/12, MittBayNot 13, 395) generalisiert das in der Weise, als dass die an den Alleinerben erteilte Vollmacht mit dem Erbfall durch Konfusion erlischt. Nach der vom OLG München 15.11.11, 34 Wx 388/11, ZEV 12, 376) vertretenen Gegenansicht soll dies allerdings speziell in dem hier interessierenden Fall nicht gelten, wenn der bevollmächtigte Alleinerbe mit einer Testamentsvollstreckung beschwert ist.

b) Die Gutgläubigen

Das OLG München (4.8.16, 34 Wx 110/16, ErbR 17, 40) konnte dann 2016 mit dem Satz zitiert werden: „Nichts zwingt einen mit transmortaler Vollmacht Ausgewiesenen […] nach dem Erbfall dazu, statt einer Auflassung an sich nur den verfahrensrechtlichen Weg der Berichtigung zu wählen (§§ 22, 35 GBO).“ Um kurze Zeit später bereits einschränkend zu konstatieren: „Mit dem Auftritt auch als Alleinerbe im Beurkundungstermin hat er den der Vollmachtsurkunde innewohnenden Rechtsschein zerstört.“ In diesem Lager dürfte auch die aktuelle Entscheidung des OLG Nürnberg zu verorten sein.

c) Die Extensiven

Nach dem Kammergericht (2.3.21, 1 W 1503/20) bedarf es bei transmortaler Vollmacht keines Nachweises der Erbfolge in der Form des § 35 Abs. 1 GBO, auch wenn der Bevollmächtigte erklärt, Alleinerbe des Vollmachtgebers zu sein.

4. Bewertung und Einordnung für verschiedene Konstellationen

a) Keine Konfusion der Vollmacht

Soweit in Teilen die Ansicht vertreten wird, die Vollmacht erlösche durch Konfusion, wenn der Vollmachtnehmer Alleinerbe wird, so ist dies in dieser Pauschalität nicht zutreffend. Durch Konfusion erlöschen können nämlich nur Schuldverhältnisse. Ein Schuldverhältnis setzt begrifflich einen Gläubiger und einen Schuldner voraus, fallen beide in einer Person zusammen, erlischt es. Die Konfusion setzt deshalb Personenidentität im Korrespondenzverhältnis der Personen voraus. Konfusion ist „das Zusammentreffen eines Rechts und der ihm entsprechenden Verbindlichkeit in einem Rechtssubjekt“. Durch dieses Zusammentreffen erlöschen die Forderungen aus Sicht des Gläubigers und die korrespondierenden Verbindlichkeiten aus Sicht des Schuldners. Damit ist die Konfusion neben Tilgung, Schuldenerlass, Erfüllung und den Erfüllungssurrogaten (Aufrechnung und Hinterlegung) ein Grund für das Erlöschen betroffener Forderungen und korrespondierender Verbindlichkeiten.

b) Konfusion nur im Kausalverhältnis (Schuldverhältnis)

Was daher im Zusammenhang mit einer Vollmacht lediglich durch Konfusion erlöschen kann, ist ein etwaiges Kausalverhältnis, wenn ein solches in Form eines Schuldverhältnisses zugrunde liegt (siehe oben). War Grundlage für die erteilte Vollmacht bspw. ein Auftragsverhältnis mit gegenseitigen Verpflichtungen, so endet dieses durch Konfusion, wenn die Personen von Auftraggeber und Auftragnehmer durch den Erbfall verschmelzen. § 672 BGB sagt zwar aus, dass das Auftragsverhältnis im Zweifel nicht mit dem Tod des Auftraggebers erlischt. Hier erlischt das Auftragsverhältnis aber durch Konfusion, die hier nur zufällig durch den Tod des Vollmachtgebers ausgelöst wird. Die erteilte Vollmacht bleibt aber in ihrer Abstraktheit unberührt. Ist die Vollmacht, die ja regelmäßig als transmortale Vorsorgevollmacht vorliegen wird, zwischen nahen Angehörigen (zumeist Ehegatten) erteilt, liegt zumeist kein Schuldverhältnis, sondern ein reines Gefälligkeitsverhältnis zugrunde, welches ebenfalls nicht der Konfusion unterliegt.

c) Kein Selbstvertretungsverbot (Ermächtigung)

Soweit diejenigen, die dies erkannt haben, nunmehr argumentieren, man könne sich nicht selbst vertreten, kann dem entgegengehalten werden: Der Unterschied im Falle einer abstrakt fortbestehenden Vollmacht liegt eben darin, dass der Vollmachtnehmer sein Handeln vom Erblasserwillen her ableitet. Es ist die insoweit der Vollmacht innewohnende Ermächtigung, die den Vollmachtnehmer auch als Erben in die Lage versetzt, unabhängig von der eingetretenen Erbfolge handeln zu können.

d) Reichweite der Vollmacht

Dass die dem Erben erteilte Vollmacht in ihrer Handlungsfähigkeit grundsätzlich weiter reicht als die Erbfolge, zeigt sich am Beispiel angeordneter Testamentsvollstreckung. Hat der Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet, so wirken die Handlungen des Bevollmächtigten gegenüber Geschäftspartnern und gegenüber dem Grundbuchamt ohne Zustimmung des Testamentsvollstreckers für und gegen die Erben, soweit sich nicht unmittelbar aus der Vollmacht etwas anderes ergibt. Die Vollmacht besteht selbstständig neben der Testamentsvollstreckung. Sie verleiht dem Bevollmächtigten eigenständige, vom Erblasser und nicht vom Testamentsvollstrecker abgeleitete Befugnisse. Im Außenverhältnis gilt dies unabhängig davon, ob der Bevollmächtigte vom Bestehen der Testamentsvollstreckung Kenntnis hat oder nicht.

e) Kenntnis des Gerichts

Diejenigen, die der dem Alleinerben erteilten Vollmacht nach dem Erbfall die Vertretungsmacht versagen, zwingen den Alleinerben, die eingetretene Erbfolge geflissentlich zu verschweigen. In Unkenntnis des Erbfalls wäre dann die Umschreibung (nicht Berichtigung) des Grundbuchs bedenkenlos möglich. Im Ergebnis würde der „bevollmächtigte Erbe“ nach teilweiser Ansicht dann wohl als „vollmachtloser Vertreter“ auftreten. Dann könnte er als Erbe das vorgenommene Rechtsgeschäft aber genehmigen (§ 177 Abs. 1 BGB). Selbst wenn das nicht ginge, wäre das Grundbuch im Ergebnis nicht falsch. Es müsste jetzt nicht mehr berichtigt werden. Das gleiche Ergebnis würde sich ergeben, wenn der Bevollmächtigte zunächst berechtigt davon ausgeht, nicht Alleinerbe geworden zu sein und aufgrund der Vollmacht handelt, er später aber, z. B. durch Ausschlagung des vorrangig berufenen Erben, in die Alleinerbenstellung rutscht.

Nicht minder beachtenswert ist der umgekehrte Fall, in dem die Einsetzung des Vollmachtnehmers als Alleinerben später z. B. durch wirksame Testamentsanfechtung wegfällt. Geht man bspw. mit dem OLG Hamm (10.1.13, I-15 W 79/12, MittBayNot 13, 395) davon aus, dass eine dem Alleinerben erteilte Vollmacht im Erbfall durch Konfusion erlischt, stellt sich am Ende auch die berufsrechtliche Frage, ob ein Notar, der vom Erbfall weiß, durch Verschweigen des Erbfalls die begehrte Rechtsfolge herbeiführen darf.

Fazit | Die dem Alleinerben erteilte Vollmacht sollte m. E. schon aus Gründen des Schutzes des Rechtsverkehrs und einer gewährleisteten, vom Erblasser ja gerade gewollten Handlungsfähigkeit Bestand haben. In jedem Fall aber sollte die Problematik mit seinen – je nach Auffassung – unterschiedlichen Konsequenzen bei der erbrechtlichen Beratung und Gestaltung bedacht werden.

Weiterführende Hinweise
  • Amann, Die Reichweite transmortaler und postmortaler Vollmachten unabhängig von Erbfolge und Testamentsvollstreckung – zugleich Anmerkung zum Beschluss des OLG Hamm vom 10.1.13, I-15 W 79/12, MittBayNot 13, 367
  • Werner, Zum Verhältnis von trans- und postmortalen Vollmachten und Testamentsvollstreckung, ErbR 23, 13
  • Wendt, Auf dem Wege zum Grundbuchamt: Prosperität der „Transmortalen Vollmacht“ Ein Dekadenblick, ErbR 21, 657

AUSGABE: EE 9/2024, S. 156 · ID: 50124273

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