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SchenkungReichweite der Schranke des § 2287 BGB bei einem Erlassvertrag
. 243255
| Im Rahmen einer Berufung hat das OLG Oldenburg nach § 522 Abs. 2 ZPO zur Problematik Stellung genommen, wann ein Missbrauch der Verfügungsmacht des Erblassers durch eine Schenkung i. S. d. § 2287 Abs. 1 BGB vorliegt (OLG Oldenburg 10.7.24, 3 U 14/24, Abruf-Nr. 243255). |
Die Parteien sind Geschwister. Die Klägerin ist alleinige Vertragserbin ihrer letztversterbenden Mutter (Erblasserin). Die Klägerin begehrt im Hinblick auf einen Erlassvertrag die Zahlung nicht geleisteter Kaufpreisraten von dem Beklagten, an den die Erblasserin ein Grundstück im Wert von 300.000 EUR gegen Ratenzahlung veräußert hatte. Aufgrund eines Erlassvertrages mit der Erblasserin hat der Beklagte die Zahlungen eingestellt. Die Klägerin begehrt mit der Klage die rückständigen Ratenzahlungen.
Das LG hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die Erblasserin dem Beklagten die Kaufpreisschuld wirksam erlassen habe. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das OLG angekündigt, dass es beabsichtige, die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Nach § 2286 BGB könne und dürfe der Erblasser, der sich durch Erbvertrag auf eine bestimmte Verfügung von Todes wegen festgelegt habe, über sein Vermögen trotz der eingegangenen Bindung durch Rechtsgeschäfte unter Lebenden grundsätzlich frei verfügen. Missbraucht der Erblasser dieses ihm verbliebene Verfügungsrecht, genieße der Vertragserbe den Schutz des § 2287 BGB.
Nach der Rechtsprechung zur Anwendung dieser Bestimmung komme es darauf an, dass die Schenkung (hier: der Erlass) ihrem Gehalt nach auf eine Korrektur des Erbvertrages angelegt war, was dann der Fall sei, wenn der Erblasser ohne anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse wesentliche Vermögenswerte – ohne angemessene Gegenleistung – anderen zuwendet (vgl. EE 24, 135). Zu beachten sei allerdings, dass die eigentliche Schranke des § 2287 BGB nicht das lebzeitige Eigeninteresse des Erblassers sei, sondern die durch umfassende Abwägung aller Umstände zu treffende Feststellung, dass der Erblasser seine lebzeitige Verfügungsbefugnis nicht missbraucht habe. Neben einem lebzeitigen Eigeninteresse könnten daher weitere Rechtfertigungsgründe im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung gleichfalls Berücksichtigung finden, wie z. B. Pflicht- und Anstandsschenkungen, Schenkungen zu ideellen Zwecken und belohnende Schenkungen, soweit sie in einem angemessenen Verhältnis zum Vermögen des Erblassers und zum Anlass stehen sowie Schenkungen aus familiären oder anderen persönlichen Rücksichten.
Praxistipp | Die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs aus einer missbräuchlichen Schenkung trägt der Vertragserbe. Da der Vertragserbe an dem beeinträchtigenden Rechtsgeschäft aber regelmäßig nicht beteiligt war und der Erblasser keine Auskunft mehr geben kann, sind die Beweisanforderungen zugunsten des Vertragserben gelockert. Bei Vorliegen einer Schenkung muss der Beschenkte die Umstände darlegen, die auf ein berechtigtes Interesse des Erblassers schließen lassen; dann erst trifft den Vertragserben die volle Beweislast für die nicht billigenswerte Beeinträchtigung des Vertragserben. |
AUSGABE: EE 9/2024, S. 145 · ID: 50126288