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ErbauseinandersetzungVermietete Nachlassimmobilie: Keine Anwendung von § 566 BGB bei der Erbauseinandersetzung

Abo-Inhalt01.07.2024775 Min. LesedauerVon RA Norbert Monschau, Erftstadt

| Nicht selten kommt es vor, dass eine Immobilie innerhalb einer Erbengemeinschaft an einen Miterben durch (Teil-)Erbauseinandersetzung veräußert wird. In diesen Fällen gehen die Beteiligten regelmäßig davon aus, dass die bestehenden Mietverhältnisse auch auf den Miterben übergehen und dieser daher als alleiniger Vermieter zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt ist. Eine praxisrelevante, gleichwohl wenig beachtete Entscheidung des AG Köln verdeutlicht, dass es bei einer Verkennung der Rechtslage zu erheblichen Schwierigkeiten kommen kann. |

1. Der Übergang der vermieteten Immobilie im Erbfall

Wenn nach einem Todesfall mehrere Personen zur Erbnachfolge berufen sind, bilden diese bekanntlich eine Erbengemeinschaft. Bis zur Erbauseinandersetzung, also der endgültigen Verteilung aller Nachlassgegenstände auf die einzelnen Personen, treten die Erben dann nicht als Einzelpersonen, sondern nur gemeinsam als Gesamthandsgemeinschaft die Rechtsnachfolge des Erblassers an. Bei vermieteten Immobilien im Nachlass bedeutet dies, dass sie als Erbengemeinschaft Eigentum an der Immobilie erwerben und dass zugleich die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag kraft Gesetzes auf sie übergehen.

2. Die Entscheidung des AG Köln zur Erbauseinandersetzung

Im Kontext einer Erbauseinandersetzung knüpft eine Entscheidung des AG Köln allerdings an die Rechtsprechung des BGH an, wonach § 566 BGB auf die Auseinandersetzung einer Bruchteilsgemeinschaft unter den Miteigentümern weder direkt noch entsprechend anwendbar ist (BGH 9.1.19, VIII ZB 26/17).

a) Sachverhalt

Eine Frau war Eigentümerin einer Wohnung. Mit gemeinschaftlichem notariellem Testament setzten sie und ihr Ehemann ihren Sohn und ihre zwei Töchter zu gleichen Teilen als Erben ein. Ihrem Ehemann vermachte die Frau ein lebenslanges Nießbrauchrecht an der Wohnung. Nachdem die Frau verstorben war, vermietete der Ehemann die Wohnung. Kurze Zeit später verstarb auch er. Die drei Kinder vereinbarten als Erbengemeinschaft eine Teilerbauseinandersetzung mit dem Inhalt, dass das Eigentum an der Wohnung sowie das bestehende Mietverhältnis alleine auf den Sohn übergehen sollte. Er verpflichtete sich, die Mieter über den Eigentümerwechsel in Kenntnis zu setzen, teilte diesen aber lediglich mit, dass der Hausverwaltungsvertrag gekündigt wurde und die Miete künftig auf sein Konto zu überweisen sei. In der Folgezeit verlangte er die Zustimmung der Mieter zu einer Mieterhöhung, welche diese auch erteilten. Einige Monate später kündigte er das Mietverhältnis wegen Eigenbedarf. Die Mieter widersprachen der Kündigung mit der Begründung, dass der Sohn nicht alleiniger Vermieter der Wohnung geworden sei. Dieser argumentierte, dass er durch die Teilerbauseinandersetzung, spätestens aber durch einen konkludenten Mietvertrag mit den Mietern in die alleinige Vermieterstellung eingetreten sei.

Leitsätze: AG Köln 9.1.23, 203 C 144/22

§ 566 BGB findet auf die Erbauseinandersetzung weder unmittelbare noch entsprechende Anwendung. Eine Vereinbarung zum Übergang von Lasten und Nutzen berechtigt nicht zur Eigenbedarfskündigung.

(Abruf-Nr. 234101)

b) Entscheidungsgründe

§ 566 BGB greife nicht, da die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig sei und somit keine Veräußerung an einen Dritten stattgefunden habe, so das AG Köln. Die Kündigung sei unwirksam, weil sie nicht von allen Vermietern erklärt worden und der Sohn auch nicht zum Ausspruch der Kündigung im eigenen Namen ermächtigt gewesen sei. Das Mietverhältnis sei mit dem Tod des Nießbrauchers auf Vermieterseite gem. §§ 1056 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB oder nach § 1922 Abs. 1 BGB auf den Sohn und seine Schwestern in Erbengemeinschaft (§§ 2032 ff. BGB) übergegangen.

Durch die Teilerbauseinandersetzung sei der Sohn zwar Alleineigentümer, nicht aber alleiniger Vermieter geworden. Es gebe keinen erbrechtlichen Grundsatz, dass die Erbauseinandersetzung auf Schuldverhältnisse des Erblassers bzw. der Erben zu Dritten wirke. Wie auch sonst bedürften Änderungen der Vertragsparteien einer Vereinbarung aller Vermieter mit allen Mietern.

Der Sohn sei auch nicht in direkter oder entsprechender Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB in das Mietverhältnis eingetreten. Anders als eine GbR sei die Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig mit der Folge, dass die Erben jeweils persönlich Vermieter werden. Einer Analogie stehe der mit § 566 BGB bezweckte Schutz des Mieters vor dem Verlust im Fall der Veräußerung der Wohnung an einen Dritten entgegen. Der Mieter müsse bei der Übertragung auf einen Miterben nicht geschützt werden, weil der neue Alleineigentümer als Miterbe bereits Vermieter war und ohnehin an den Mietvertrag gebunden sei (BGH 9.1.19, VIII ZB 26/17).

Mit der Anwendung auf eine Erbauseinandersetzung würde der Mieter weiterer Schuldner für etwaige eigene Ansprüche beraubt, sie würde ihn daher belasten (Becker, BWNotZ 13, 98, 103). Der neue Alleineigentümer könne sich schützen, indem er in der Auseinandersetzung auf Regelungen hinwirke, die ihm die alleinige Geltendmachung von Gestaltungsrechten und Abgabe von Willenserklärungen ermöglichten (Becker, BWNotZ 13, 98, 105; Herrler, MittBayNot 19, 323, 328; vgl. auch BGH v. 10.12.97, XII ZR 119/96; 19.3.14, VIII ZR 203/13).

Merke | Das AG schließt auch eine einvernehmliche konkludente Vertragsänderung aufgrund der von dem Sohn (alleine) vorgenommenen Betriebskostenabrechnungen, der Zustimmung der Mieter zu einer von ihm verlangten Mieterhöhung und der Entgegennahme von Mängelanzeigen aus. Entsprechende auf eine Zustimmung zu einer Änderung der Vertragsparteien gerichtete Willenserklärungen lägen jedenfalls seitens der Mieter nicht vor. Der Kündigungserklärung des Sohnes könne auch nicht entnommen werden, dass er die Miterbinnen vertreten habe; auf eine entsprechende Bevollmächtigung käme es daher nicht an. Eine – hier ohnehin nicht gegebene – ordnungsgemäße Bevollmächtigung i. S. v. § 174 BGB sei auch nicht entbehrlich, weil das Mietverhältnis nach dem Tod des Nießbrauchers gem. §§ 1056 Abs. 1, 566 Abs. 1 BGB mit der Erbengemeinschaft und nicht mit dem Sohn allein fortgesetzt worden sei. Letztlich sei auch nicht von einer Duldungsvollmacht auszugehen.

c) Relevanz für die Praxis

Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig (BGH 7.4.89, V ZR 252/87; 19.5.11, V ZB 197/10; NJW-RR 2011, 1030; BFH 19.1.23, IV R 5/19). Ihre Mitglieder sind im Verhältnis zu ihr daher nicht als „Dritte“ anzusehen (Streppel, ZErb 20, 235, 236 f.). Somit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 566 BGB nicht vor. Auch eine analoge Anwendung von § 566 BGB ist ausgeschlossen. Der BGH hat dies für die Veräußerung an einen Miteigentümer entschieden, da es an der für die entsprechende Anwendung erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlage im gesetzlich durch § 566 BGB geregelten Fall und dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt mangelt (BGH 9.1.19, VIII ZB 26/17). Das AG Köln folgt diesem Ansatz konsequent und verneint auch für die Erbauseinandersetzung eine analoge Anwendung der Norm.

3. Weitere praktische Anwendungsfälle

Nichts anderes dürfte gelten für die Erfüllung von Vorausvermächtnissen. Auch hier überträgt die mangels Rechtsfähigkeit nicht zu den Miterben im Verhältnis eines „Dritten“ stehende Erbengemeinschaft auf eines ihrer Mitglieder. In dieser Fallgestaltung ist § 566 BGB tatbestandlich nicht einschlägig und auch nicht analog anwendbar.

Ein großes Bedürfnis an klarer und strenger Abgrenzung der gegenseitigen Rechte und Pflichten der früheren Miteigentümer besteht in der Praxis auch bei Vermögensauseinandersetzungen im Rahmen von Scheidungsfolgenvereinbarungen. Ein Beispiel: Ehegatten als Miteigentümer setzen sich bei Trennung so auseinander, dass einer von ihnen, beispielsweise gegen Schuldübernahme und/oder Abfindungszahlung bzw. zur Abgeltung von Zugewinnausgleichsansprüchen, die vermietete Immobilie übernimmt.

Das gleiche Prinzip gilt bei Wohnungseigentum, wenn einer der Sonder- oder Teileigentümer weiteres Sonder- oder Teileigentum erwirbt. Der Erwerber war in diesen Fällen bereits zuvor Miteigentümer des Grundstücks und gilt daher nicht als „Dritter“ im Sinne von § 566 BGB (BGH 23.11.11, VIII ZR 74/11).

Zusammengefasst bedeutet dies, dass in diesen spezifischen Fallkonstellationen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 566 BGB nicht erfüllt sind und eine analoge Anwendung ausgeschlossen bleibt.

Merke | In der Praxis ist es daher wichtig, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu sehen und die daraus resultierenden Handlungsempfehlungen umzusetzen, um rechtliche Unsicherheiten und potenzielle Konflikte zu vermeiden.

4. Handlungsempfehlungen

Angesichts der komplexen Rechtslage sollten Miterben präzise Vereinbarungen treffen. Diese sollten dem Begünstigten ermöglichen, Gestaltungsrechte auszuüben und Willenserklärungen abzugeben. Einfache Nutzen- und Lastenübergänge sind unzureichend. Mögliche Lösungsansätze umfassen:

  • Schuldbefreiende Vertragsübernahme unter Mitwirkung des Mieters
  • Zwischenschaltung eines „echten“ Dritten (insbesondere einer GbR)
  • Abschichtungsvereinbarung: Austritt des vorletzten Miterben aus der Erbengemeinschaft
  • Übertragung des Erbteils
  • Freistellung und unwiderrufliche Vollmacht des Neueigentümers
  • Ermächtigung des Neueigentümers zur Ausübung von Gestaltungsrechten

Eine Ermächtigung und entsprechende Vollmacht könnte wie folgt gestaltet werden (nach Krauß, Immobilienkaufverträge in der Praxis, 10. Aufl. 2024, Rn. 3784, im Anschluss an Herrler, MittBayNot 19, 323, 328):

Musterformulierung / Ermächtigung und Vollmacht

Der Erwerber tritt als künftiger Alleineigentümer ab dem Zeitpunkt des Besitzübergangs im Innenverhältnis zum Veräußerer in alle Rechte und Pflichten aus dem bekannten Mietverhältnis ein. Da im Verhältnis zum Mieter kein gesetzlicher Mietübergang erfolgt, weil der Erwerber als bisheriger Miteigentümer nicht „Dritter“ im Sinne des § 566 BGB ist, ermächtigt und bevollmächtigt der Veräußerer den Erwerber ab Besitzübergang umfassend, unbefristet und unwiderruflich. Diese Ermächtigung und Vollmacht, die vom Verbot des Geschäfts mit sich selbst (§ 181 BGB) befreit ist, gilt über den Tod hinaus und umfasst die uneingeschränkte Erteilung von Untervollmachten. Der Erwerber ist berechtigt, jegliche Erklärungen im Zusammenhang mit dem genannten Mietverhältnis abzugeben und entgegenzunehmen, beispielsweise Kündigungen, Mieterhöhungsverlangen, Ankündigungen von Modernisierungsmaßnahmen, Nebenkostenabrechnungen und Kautionsabrechnungen. Auf Verlangen ist eine gesonderte Vollmachts- und Ermächtigungsurkunde auszustellen. Der Erwerber stellt den Veräußerer ab Besitzübergabe im Innenverhältnis uneingeschränkt von jeglicher Haftung aus dem Mietverhältnis frei, insbesondere soweit diese Haftung aus der Verwendung der Vollmacht oder Ermächtigung resultiert. Der Notar hat empfohlen, zur weiteren Absicherung des Veräußerers dessen förmliche Entlassung aus der Vermieterhaftung durch den Mieter zu erwirken. Dies werden die Beteiligten eigenständig versuchen; der Vollzug der Eigentumsumschreibung soll davon jedoch nicht abhängig sein.

Praxistipp | Der Berater sollte das praxisrelevante Problem der Nichtanwendbarkeit des § 566 BGB in den genannten Fallkonstellationen kennen und den Beteiligten einen umfassenden Überblick über die Rechtslage sowie lösungsorientierte Handlungsempfehlungen geben.

AUSGABE: EE 7/2024, S. 115 · ID: 50050982

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