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TestamentMinimaltext auf Kneipenblock mit Initialen des Begünstigten als wirksames Testament
| Einen interessanten Fall, in dem es um Fragen der Echtheit eines Schriftstücks, des Testierwillens und der hinreichenden Bestimmung des Erben ging, hatte das OLG Oldenburg zu entscheiden. |
Sachverhalt
Der unverheiratete Erblasser hatte keine Nachkommen. Seine Eltern und seine Schwester, die vier Kinder hatte, sind vorverstorben. Nach dem Tod des Erblassers, der zuletzt eine Kneipe betrieb, fand seine Lebensgefährtin einen Notizzettel einer Brauerei, auf dem grundsätzlich die Bestellungen in der Gastronomie notiert werden. Auf diesem stand handschriftlich lediglich: „BB kriegt alles [Datum und Unterschrift mit Vor- und Nachnamen]“.
Die Beteiligte (BB) beantragte einen Alleinerbschein nach dem Tod des Erblassers. Das Nachlassgericht hat einen gemeinschaftlichen Erbschein der Kinder der verstorbenen Schwester aufgrund gesetzlicher Erbfolge angekündigt und ausgeführt, dass der vorgelegte Zettel kein wirksames Testament darstelle, weil ein Testierwille nicht feststellbar sei.
Darüber hinaus fehle es an einer hinreichenden Konkretisierung der „BB“, weshalb nicht sicher festgestellt werden könne, dass die Beteiligte wirklich gemeint sei. Die gerügte Echtheit des Schreibens könne nach alledem dahinstehen.
Abruf-Nr. 242050
Gegen diesen Beschluss wandte sich die Beteiligte mit der form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen und die es dem OLG zur Entscheidung vorgelegt hat. Das OLG Oldenburg (20.12.23, 3 W 96/23, Abruf-Nr. 242050) hat den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben, festgestellt, dass die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen vorliegen, und das Nachlassgericht angewiesen, den von der Beteiligten beantragten Erbschein zu erteilen.
Leitsätze: OLG Oldenburg 20.12.23, 3 W 96/23 |
(Abruf-Nr. 242050) |
Entscheidungsgründe
Das OLG hat festgestellt, dass die Beteiligte (BB) gewillkürte Alleinerbin des Erblassers geworden ist, da es sich bei dem Schreiben um ein wirksames, hinreichend bestimmtes Testament handele, welches der Erblasser eigenhändig und mit Testierwillen errichtet habe.
Dabei hat es die Echtheit des Schreibens aufgrund eigener Vergleiche mit vorgelegten Schriftproben angenommen. Gegen eine Fälschung spreche schließlich die konkrete Formulierung des auf den 4.12.22 datierten Schreibens. Dieses enthalte die Mindestanforderungen eines Testaments, wie die eigenhändige Abfassung und Unterschrift. Die Unterschrift weise Vor- und Nachnamen auf und das Schreiben sei datiert gewesen.
Die Beteiligte sei in dem Schriftstück ausreichend bestimmt bezeichnet. Soweit, wie hier, ein Erbe nicht eindeutig bezeichnet worden sei, sei im Wege der Auslegung zu ermitteln, wen der Erblasser konkret einsetzen wollte. Hierbei hat eine am Erblasserwillen orientierte Auslegung zu erfolgen, die ihre Grenzen im Bestimmtheitsgebot der Anordnung finde (wird ausgeführt).
Der Erblasser habe das Schriftstück auch mit einem ausreichenden Testierwillen verfasst. Das stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der persönlichen Anhörung der Beteiligten fest.
Relevanz für die Praxis
Das Gericht hat sich ausführlich mit typischen Problemen der Erbeinsetzung befasst, nämlich der Bewertung
- der Echtheit eines eigenhändigen Testaments,
- des Testierwillens sowie
- der Bestimmtheit des eingesetzten Erben.
Der Testierwille des Erblassers ist in der Praxis dann nicht problematisch, wenn eigenhändige Testamente – wie häufig – die Überschrift „Mein Testament“ oder „Mein letzter Wille“ enthalten. Auch die Bezeichnung der eingesetzten Person/en als Erben oder Miterben spricht für das Vorliegen eines Testierwillens. Entspricht das Schriftstück allerdings wie hier nicht den für Testamente üblichen Gepflogenheiten (z. B. in Form eines Briefes, Notizzettels oder als Teil eines Tagebuchs), sind an den Nachweis des Testierwillens strenge Anforderungen zu stellen (OLG Braunschweig, NJW-RR 19, 583; OLG Düsseldorf, FamRZ 15, 700; OLG München, NJW-RR 09, 16). Dabei muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat oder zumindest das Bewusstsein hatte, die Urkunde könne als Testament angesehen werden. Bei verbleibenden Zweifeln findet die Vorschrift des § 2084 BGB, wonach diejenige Auslegung vorzuziehen ist, bei der die Verfügung Erfolg haben kann, keine Anwendung (OLG Braunschweig, a. a. O.; OLG Düsseldorf, a. a. O.).
Die Bestimmtheit der als Erben eingesetzten Person (§ 2065 BGB) ist für die Wirksamkeit eines Testaments von entscheidender Bedeutung. Ist der Erbe – wie hier mit BB – nicht eindeutig bezeichnet, hat eine am Erblasserwillen orientierte Auslegung (bei Geltung des § 2084 BGB) zu erfolgen, die ihre Grenze im Bestimmtheitsgebot des § 2065 BGB findet.
AUSGABE: EE 7/2024, S. 111 · ID: 50061055