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TestierfähigkeitTestierfähigkeit bei Depressionen und Alkoholmissbrauch

Abo-Inhalt01.07.2024680 Min. Lesedauer

| Das Brandenburgische OLG hatte sich mit dem Einwand der Testierunfähigkeit betreffend eines an Depressionen und Alkoholsucht leidenden Erblassers zu befassen, der sich das Leben nahm. |

Der Erblasser litt an einer psychiatrisch relevanten Persönlichkeitsstörung in Form einer affektiven Störung mit sowohl depressiven als auch manischen Phasen (bipolare Störung) sowie einem Alkoholproblem. Mit eigenhändigem Testament verfügte er, dass seine Ziehtochter all seinen Besitz erben solle. In zwei Abschiedsbriefen begründete er seine Entscheidung zu dem Suizid und tat im Übrigen kund, dass er alle Erbschaftsangelegenheiten regeln wolle.

Die Ziehtochter beantragte einen Erbschein, der ihre Stellung als Alleinerbin ausweisen sollte. Diesem Antrag trat die Schwester des Erblassers mit der Begründung entgegen, der Erblasser sei aufgrund seiner psychischen Erkrankungen testierunfähig gewesen. Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Einwand der Testierunfähigkeit hat das Nachlassgericht einen Feststellungsbeschluss erlassen. Gegen diese Entscheidung wandte sich die Schwester mit der Beschwerde, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat. Sodann hat es die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

Das OLG (19.3.24, 3 W 28/24, Abruf-Nr. 241112) hat die Beschwerde zurückgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet: Eine Testierunfähigkeit nach § 2229 Abs. 4 BGB habe das eingeholte Sachverständigengutachten nicht bestätigen können. Zwar habe der Erblasser an den genannten Erkrankungen und an weiteren körperlichen Einschränkungen gelitten, welche die Sachverständigen bestätigten. Diese genannten Gründe allerdings ließen für sich allein keinen zwingenden Schluss auf das Vorliegen der Testierunfähigkeit zu. Nur dann, wenn die gesundheitlichen Einschränkungen eine Geisteskrankheit oder erhebliche Geistesschwäche verursachen, welche die freie Willensbestimmung ausschlössen oder zu einer solch starken Bewusstseinsstörung führten, liege auch eine Testierunfähigkeit vor. Dies sei vorliegend nicht der Fall.

Fazit | Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass die bloße Tatsache erheblicher Erkrankungen auch im Sinne des § 2229 Abs. 4 BGB noch keinen zwingenden Schluss auf eine Testierunfähigkeit zulassen. Nur dann, wenn eine Willensbeeinträchtigung ursächlich auf solche Erkrankungen zurückzuführen ist, schließt dies die Testierfähigkeit aus. Es muss also stets und immer hinzukommen, dass der Erblasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung nicht mehr in der Lage gewesen ist, die Bedeutung der von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und danach zu handeln (vgl. OLG Rostock FamRZ 09, 2039). Nach allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ist jeder Erblasser so lange als testierfähig anzusehen, bis nicht das Gegenteil erwiesen ist (OLG Celle ZErb 03, 321, BayObLGZ 95, 898). Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit trägt derjenige, der die Nichtigkeit des Testaments aufgrund Testierunfähigkeit geltend macht, insoweit die Feststellungslast. Der Einwand wird somit zurückgewiesen, wenn das Gericht eine Testierunfähigkeit nicht festgestellt hat. Hat es dagegen Zweifel, geht dies zulasten desjenigen, der die Nichtigkeit des Testaments geltend gemacht hat (OLG Celle, a. a. O.; BayObLG, a. a. O.)

AUSGABE: EE 7/2024, S. 110 · ID: 50066467

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