FeedbackAbschluss-Umfrage

SurrogationDer Erwerb durch Surrogation zur Erhaltung des Nachlasses bei der Erbengemeinschaft

Abo-Inhalt23.04.2024358 Min. LesedauerVon RA Uwe Gottwald, VorsRiLG a. D., Vallendar

| Bis zur Teilung (Auseinandersetzung) der Erbengemeinschaft dient der Grundsatz der dinglichen Surrogation gem. § 2041 BGB der Erhaltung des Nachlasses. Dieser Grundsatz ist in der Praxis sehr bedeutsam, weil das Sondervermögen (Gesamthandsvermögen) des Nachlasses bis zur Auseinandersetzung in der Hand der Miterben zahlreichen Gefahren durch Wertminderungen ausgesetzt ist. Berater von Miterben sollten daher die wichtigsten Konstellationen und Grenzen der Surrogation kennen. |

1. Allgemeines

(Mit-)Erben sollen nicht auf ein Forderungsrecht gegen den Erwerber von Ersatzstücken beschränkt sein. Alle Ersatzstücke i. S. d. § 2041 BGB fallen vielmehr unmittelbar kraft Gesetzes in das Gesamtvermögen der Erbengemeinschaft (Grüneberg/Weidlich, BGB, 83. Aufl., § 2041 Rn. 1). Das bedeutet, dass sie ohne irgendeinen Übertragungsakt zwischen Miterben und Gemeinschaft zum Nachlass gehören und in diejenige Rechtslage eintreten, in der sich im Einzelfall der ersetzte Gegenstand befand. Der Ersatzgegenstand gehört also unter den Voraussetzungen des § 2041 BGB kraft Gesetzes zum Nachlass. Das gilt auch für Surrogate der Surrogate, sog. Kettensurrogation (Staudinger/Löhnig, BGB, 2020, § 2041 Rn. 1). Grund der Regelung des § 2041 BGB ist, die wirtschaftliche Einheit und den Wert des Nachlasses als Gesamthandsvermögen für die Miterben und die Nachlassgläubiger bis zum Abschluss der Auseinandersetzung zu erhalten (BGH NJW 1990, 514).

Nach § 2041 S. 1 BGB tritt der Erwerb durch Surrogation in drei Fällen ein:

  • Bei der sog. Rechtssurrogation („aufgrund eines zum Nachlass gehörenden Rechts“)
  • Bei der sog. Ersatzsurrogation („als Ersatz für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung des Nachlassgegenstandes“)
  • Bei der sog. Beziehungssurrogation („durch ein Rechtsgeschäft erworben, das sich auf den Nachlass bezieht“)

2. Voraussetzungen des Erwerbs durch dingliche Surrogation

a) Die sog. Rechtssurrogation, § 2041 S. 1 Alt. 1 BGB

Zum Nachlass gehört, was in Erfüllung einer zum Nachlass gehörigen Forderung geleistet worden bzw. was Frucht eines Nachlassrechtes ist. Damit kommt die Erfüllung und Nutzung eines Rechtes unmittelbar dem Nachlass zugute. Von der Rechtssurrogation werden auch Ansprüche erfasst, die in Ausübung von Gestaltungsrechten, wie Anfechtung, Rücktritt und Kündigung von Rechtsgeschäften mit der Erbengemeinschaft, entstehen. Da eine Nachlassforderung durch Erfüllung erlischt (§ 362 Abs. 1 BGB), wird durch die Surrogation hinsichtlich des Erfüllungsgegenstandes die wirtschaftliche Substanz, der Wert des Nachlasses, erhalten (Staudinger/Löhnig, a. a. O., Rn. 3).

Beispiele

  • Erblasser E hatte seinem Freund F zu Lebzeiten ein Darlehen in Höhe von 18.000 EUR gewährt. Nach seinem Tod sind seine Ehefrau S zu 1/2 und seine beiden Söhne zu je 1/4 Miterben. Macht ein Miterbe oder machen die Miterben diese Nachlassforderung nach Fälligkeit gegenüber F geltend und zahlt F daraufhin, gehört der Betrag von 18.000 EUR zum Gesamthandsvermögen Nachlass.
  • Der vorgenannte Erblasser E war Eigentümer eines Mehrfamilienwohnhauses, dessen Wohnungen zum Zeitpunkt seines Todes vermietet waren. Nach Eintritt des Erbfalls fallen die Zahlungen der Mieter auf den Mietzins in den Nachlass.

3. Die sog. Ersatzsurrogation, § 2041 S. 1 Alt. 2 BGB

Alles, was ein Ersatzpflichtiger für die Zerstörung, Beschädigung oder Entziehung eines Gegenstandes des Nachlasses schuldet oder geleistet hat, führt zur Zurechnung in den Nachlass. Der Ersatzanspruch als solcher ist eine Nachlassforderung, die bewirkte Leistung fällt unmittelbar mit dem Erbringen des Schuldners in den Nachlass. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Leistende an den Nachlass leistet und der Empfänger für die Erbengemeinschaft annehmen will (Staudinger/Löhnig, a. a. O., Rn. 4). Erfasst werden dadurch im Wesentlichen Schadensersatzansprüche aus vertraglichen (§§ 280 ff. BGB) oder gesetzlichen Schuldverhältnissen (z. B. nach den §§ 823 ff. BGB) und die in Erfüllung dieser Ansprüche geleisteten Geldbeträge. Gleiches gilt für Ansprüche auf das stellvertretende commodum (§ 285 BGB), bereicherungsrechtliche Ansprüche (§§ 812 ff. BGB), oder Ansprüche gegen eine Versicherung, die unmittelbar als Folge der Beschädigung, Zerstörung oder Entziehung von Nachlassgegenständen entstehen (z. B. aus Sach- oder Haftpflichtversicherungen; Staudinger/Löhnig, a. a. O., Rn. 5).

Beispiele

  • Der zum Nachlass gehörende Pkw des Erblassers wird gestohlen. Die Versicherung zahlt darauf die Versicherungssumme an die Miterben. Die Summe fällt in den Nachlass.
  • Beachten Sie | Schaffen die Miterben unter Verwendung diese Geldbetrages ein Auto an, fällt (auch) dieses in den Nachlass (sog. Kettensurrogation).
  • Bei einem durch einen der (Mit-)Erben verursachten Verkehrsunfall kommt es zum Totalschaden am zum Nachlass gehörenden Pkw. Die Versicherung zahlt daraufhin entsprechend den Vertragsbedingungen einen Geldbetrag in Höhe von 15.000 EUR an die Miterben. Der gezahlte Betrag fällt in den Nachlass.

4. Die sog. Beziehungssurrogation, § 2041 S. 1 Alt. 3 BGB

Die Beziehungssurrogation lässt unmittelbar in den Nachlass fallen, was durch ein Rechtsgeschäft erworben wird, das sich auf den Nachlass bezieht. Dabei braucht das Rechtsgeschäft nicht für den Nachlass getätigt zu werden. Auch wenn der Handelnde in eigenem Namen abschließt, fällt das dafür Erlangte unmittelbar in den Nachlass (Staudinger/Löhnig, a. a. O., § 2041 Rn. 8 ff.). Im Einzelnen besteht Streit darüber, ob eine subjektive oder objektive Beziehung zum Nachlass zu verlangen ist, oder ob beiderlei Beziehung gegeben sein muss. Nach wohl h. M. (vgl. ausführlich: Staudinger/Löhnig, a. a. O., Rn. 8 – 20) ist eine subjektive Beziehung zum Nachlass – der Wille für den Nachlass zu handeln – nicht notwendig. Erforderlich ist eine objektive Beziehung zum Nachlass. Bei Abschluss eines Geschäfts, das sich als typische Maßnahme der Verwaltung des Nachlasses darstellt, oder wenn in sonstiger Weise ein innerer Zusammenhang mit dem Nachlass besteht, folgt daraus eine objektive Beziehung zum Nachlass.

Beispiele

  • Die (Mit-)Erben schließen nach dem Erbfall mit einer dritten Person einen Mietvertrag über ein leer stehendes Wohnhaus, welches zum Nachlass gehört, ab. Die nunmehr fälligen Mieteinnahmen fallen in den Nachlass.
  • Die (Mit-)Erben erwerben aus Mitteln des Nachlasses ein Wohnhaus. Das Wohnhaus fällt in den Nachlass (BGH NJW 12, 316; sog. Mittelsurrogation).
  • Beachten Sie | Werden für den Erwerb nur teilweise Mittel der Erbschaft verwendet, weil etwa einer der (Mit-)Erben den Kaufpreis teils aus eigenen, teils aus Mitteln des Nachlasses erbringt, fällt der Erwerb nur zum Teil in den Nachlass (es entsteht Eigentum nach Bruchteilen, vgl. Staudinger/Avenarius BGB, 2019, § 2111 Rn. 22).
  • Die (Mit-)Erben entscheiden gemeinsam zur Vorbereitung der Auseinandersetzung (§ 2042 BGB) die Kunstsammlung des Erblassers, über deren Teilung sie sich nicht einigen können, zu „versilbern“. Der Erlös aus der Veräußerung gehört zum Nachlass (vgl. OLG Nürnberg FamRZ 14, 796).

5. Fazit

Mit der dinglichen Surrogation bei der Miterbengemeinschaft, die von Krug (ZEV 99, 381) als „Kunstgriff des Gesetzes zur Erhaltung des Nachlasses“ benannt wird, soll und kann erreicht werden, dass sich in den in § 2041 S. 1 BGB genannten Fällen im Verhältnis der Miterben zueinander der Erwerb zum Sondervermögen ggf. auch gegen den subjektiven Willen der Beteiligten Geschäftsparteien, insbesondere einzelner Miterben vollzieht. Sie dient im Wesentlichen dem Schutz der Miterben zum Erhalt eines möglichst ungeschmälerten Nachlasses vor der Auseinandersetzung. Daraus folgt, dass § 2041 BGB nach Teilung des Nachlasses keine Anwendung finden kann. Auch auf die Nachlassverwaltung, die Nachlassinsolvenz und die Nachlasspflegschaft kommt eine analoge Anwendung des § 2041 S. 1 BGB nicht in Betracht, da durch die amtliche Anordnung und Überwachung der Fremdverwaltung ein ausreichender Schutz für die Interessen der Erben und Nachlassgläubiger besteht (MüKo/Gergen, BGB, 9. Aufl., § 2041 Rn. 4).

Das Prinzip der dinglichen Surrogation ist auch in weiteren erbrechtlichen Bestimmungen von Bedeutung (§§ 2018, 2019 BGB – Erbschaftsanspruch, § 2111 BGB – Nacherbschaft und § 2374 BGB – Erbschaftskauf).

AUSGABE: EE 5/2024, S. 78 · ID: 49965042

Favorit
Teilen
Drucken
Zitieren

Beitrag teilen

Hinweis: Abo oder Tagespass benötigt

Link
E-Mail
X
LinkedIn
Xing
Loading...
Loading...
Loading...
Heft-Reader
2024

Bildrechte