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Wahlleistungen Wann wurde eine Vertretervereinbarung „so früh wie möglich“ abgeschlossen?
| Wird eine Vertretervereinbarung (CB 05/2024, Seite 6 ff.) zweieinhalb Stunden nach Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung geschlossen, ist die formale Voraussetzung „so früh wie möglich“ erfüllt (Oberlandesgericht [OLG] Dresden, Urteil vom 17.12.2024, Az. 4 U 1004/24). |
Inhaltsverzeichnis
- Hintergrund: BGH gibt Liquidationsberechtigten den Abschluss der Vertretungsvereinbarung „so früh wie möglich“ auf ...
- ... setzt aber keine zeitlichen Grenzen!
- OLG Dresden kassiert Urteil des LG Görlitz ...
- ... weil das LG Görlitz die BGH-Vorgaben missachtet hatte
- Diese Empfehlungen ergeben sich aus dem Urteil
Hintergrund: BGH gibt Liquidationsberechtigten den Abschluss der Vertretungsvereinbarung „so früh wie möglich“ auf ...
Ein regelmäßiger Streitpunkt im Rahmen von Abrechnungsstreitigkeiten wahlärztlicher Leistungen ist die Frage, ob bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes und Leistungserbringung durch einen Vertreter, das zusätzliche Liquidationsrecht weiter bestehen bleibt. Dies wird regelmäßig von den privaten Krankenversicherern (PKV) bestritten. Wenn neben der wirksamen Wahlleistungsvereinbarung aber eine Vertretervereinbarung im Wege der Individualvereinbarung geschlossen wird, bleibt die zusätzliche Liquidationsberechtigung erhalten. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) schon im Dezember 2007 höchstrichterlich festgestellt und gleichzeitig formale Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer solchen Vertretervereinbarung aufgestellt (Urteil vom 20.12.2007, Az. III ZR 144/07; CB 01/2008, Seite 1).
Insbesondere muss der Patient dabei „so früh wie möglich“ über die Verhinderung aufgeklärt und ihm die folgenden Optionen zur Wahl gestellt werden:
- Behandlung durch den namentlich benannten Vertreter des Wahlarztes unter Beibehaltung des Liquidationsrechts,Vertretervereinbarung: Diese Wahlmöglichkeiten muss der Patient erhalten
- Verschieben des Eingriffs (sofern dieser aufschiebbar ist) oder
- Behandlung durch den diensthabenden Arzt im Rahmen der allgemeinen Krankenhausleistungen (ohne Zuzahlungspflicht).
... setzt aber keine zeitlichen Grenzen!
Der BGH weist in seiner Entscheidung (III ZR 144/07) insbesondere darauf hin, dass eine Regelung für die Vertretervereinbarung im Krankenhausalltag praktikabel sein muss, stellt jedoch bestimmte zeitliche Grenzen für deren Abschluss nicht auf. Der BGH setzt für eine wirksame Vertretervereinbarung voraus, dass der Patient „so früh wie möglich“ über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten und ihm das Angebot zum Abschluss einer Vertretungsvereinbarung zu unterbreiten ist.
Soweit die Vertretungsvereinbarung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss des Wahlleistungsvertrages geschlossen werden soll, verlangt der BGH explizit einen gesonderten Hinweis darauf. Dies kann nur so ausgelegt werden, dass die Vertretervereinbarung also sowohl vor, in unmittelbarem Zusammenhang mit, aber auch nach Abschluss des Wahlleistungsvertrags geschlossen werden kann (die Möglichkeit des Abschlusses der Vertretungsvereinbarung vor Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung bestätigt auch das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken, Beschluss vom 03.07.2023, Az. 5 U 34/23 und das Landgericht (LG) Gießen, Urteil vom 03.12.2024, Az. 5 O 249/23).
OLG Dresden kassiert Urteil des LG Görlitz ...
Im eingangs genannten Fall hatte sich das OLG Dresden als Berufungsgericht mit einer Entscheidung des LG Görlitz (Urteil vom 24.06.2024, Az. 5 O 358/22) zu befassen. Das LG Görlitz hatte im erstinstanzlichen Verfahren die Klage abgewiesen, mit der die zusätzliche Liquidation (Wahlleistungs- und Vertretervereinbarung) geltend gemacht wurde. Konkret war im entschiedenen Fall am Aufnahmetag des Patienten, dem Tag vor dem operativen, kardiologischen Eingriff, um 09:25 Uhr die Wahlleistungsvereinbarung geschlossen worden. Danach war der Patient um 12:00 Uhr desselben Tages über die Verhinderung des Wahlarztes informiert und ihm gleichzeitig die zuvor benannten Optionen zur Wahl gestellt worden. Der Patient entschied sich für die Leistungserbringung durch den namentlich benannten Vertreter des Wahlarztes unter Beibehaltung der Zuzahlungspflicht auf Grundlage der Vertretervereinbarung. Das LG Görlitz begründete seine klageabweisende Entscheidung insbesondere damit, dass der Abschluss der Vertretervereinbarung etwa 2,5 Stunden nach Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung nicht „so früh wie möglich“ geschehen und daher nicht wirksam sei, sodass kein zusätzliches Liquidationsrecht bestehe.
Dieser Rechtsauffassung des LG Görlitz hat das OLG Dresden mit seiner praxisnahen Entscheidung eine klare Absage erteilt und der Klage letztlich stattgegeben.
... weil das LG Görlitz die BGH-Vorgaben missachtet hatte
Nach Auffassung des OLG Dresden steht die Urteilsbegründung des LG Görlitz im Widerspruch zu den vom BGH aufgestellten Vorgaben.
Aus der Urteilsbegründung des OLG Dresden |
„Die Unterrichtung über die vorhersehbare Verhinderung des Wahlarztes, die hier zweieinhalb Stunden nach der Unterzeichnung des Wahlleistungsvertrages erfolgt ist, kann hiernach nicht als treuwidrig verspätet angesehen werden. Sie erfolgte am Vortrag der Operation und bot dem Beklagten ausreichend Gelegenheit, sich über die ihm angebotenen Optionen Gedanken zu machen. Maßgeblich ist insofern, dass dem Patienten ausreichend Zeit vor dem Eingriff bleibt, um die Alternativen abzuwägen und eine Entscheidung zu treffen. Demgegenüber würde eine Anknüpfung an den in objektiver Sicht frühestmöglichen Zeitpunkt nicht nur zu Beweisschwierigkeiten führen, sondern wäre für den Klinikträger auch mit erheblichen Risiken behaftet, weil jede Kommunikationsschwierigkeit beispielsweise zwischen Aufnahme und Sekretariat des Wahlarztes automatisch die Unwirksamkeit der Stellvertretervereinbarung und damit den Wegfall eines nicht unerheblichen Vergütungsteils nach sich zöge, auch wenn – wie hier – die Entscheidungsfreiheit des Patienten nicht beeinträchtigt ist.“ |
Damit hat das OLG Dresden genau eine solche Entscheidung getroffen, die der Praktikabilität in der Praxis und den organisatorischen Umständen in Krankenhäusern – wie vom BGH vorgegeben – umfassend Rechnung trägt.
Diese Empfehlungen ergeben sich aus dem Urteil
Der Entscheidung des OLG Dresden ist zu entnehmen, dass die Vertretervereinbarung mithin auch nach Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung noch wirksam geschlossen werden kann. Maßgeblich ist dafür lediglich, dass dem Patienten noch ausreichend Zeit bleibt, sich über die angebotenen Optionen Gedanken zu machen und ohne Druck zu einer Entscheidung zu gelangen.
Es besteht keine starre zeitliche Grenze für den Abschluss der Vertretervereinbarung
Dabei hat das OLG Dresden berücksichtigt, dass der Abschluss des Wahlleistungsvertrages regelmäßig in der stationären Patientenaufnahme des Krankenhauses erfolgt, der Abschluss der Vertretervereinbarung aber auf Station erfolgt, hier also verschiedene räumliche und „verwalterische“ Einheiten in den Vorgang involviert sind. Im Ergebnis bedeutet die Entscheidung des OLG, dass der Abschluss nach der Wahlleistungsvereinbarung grundsätzlich möglich ist, keine starre zeitliche Grenze besteht, aber der Abschluss auch nicht grenzenlos möglich sein soll. Im Einzelfall soll jedenfalls dann ein wirksamer Abschluss vorliegen, soweit die vom BGH und vom OLG Dresden zuvor benannten Vorgaben eingehalten werden.
Eine gesonderte Aufklärung zusätzlich zur Vorlage der Vereinbarung ist nicht notwendig
Bemerkenswert an der Entscheidung des OLG Dresden ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Unterrichtung über die verschiedenen Optionen aus der Vertretervereinbarung allein durch die Vorlage der Vereinbarung selbst erfolgen kann, es also keiner gesonderten zusätzlichen mündlichen Aufklärung bedarf. Damit hat das OLG Dresden klargestellt, dass keine überhöhten Anforderungen im Rahmen der Vertretervereinbarung gestellt werden, wie dies gern vonseiten der PKV behauptet wird.
Dauer und Grund der Verhinderung des Wahlarztes sind in der Vertretervereinbarung nicht anzugeben
Weiterhin bestätigt das OLG Dresden zudem die bisherige Rechtsprechung dahin gehend, dass im Rahmen der Vertretervereinbarung weder Dauer noch Grund der Verhinderung des Wahlarztes anzugeben sind, da diese für die Entscheidung des Patienten nicht relevant sind. Es sollte also unbedingt davon abgesehen werden Dauer und Grund der Verhinderung in der Vereinbarung anzugeben.
- Wahlarzt verhindert? Grund und Dauer müssen dem Patienten nicht mitgeteilt werden! (CB 12/2024, Seite 8 f.)
- Diese Anforderungen müssen individuelle Vertretungsvereinbarungen erfüllen (CB 05/2024, Seite 6 ff.)
- Neues BGH-Urteil: Wann ist die Vertretung des Chefarztes zulässig? (CB 01/2008, Seite 1)
AUSGABE: CB 2/2025, S. 3 · ID: 50284227