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BerufsrechtEin wegen sexueller Belästigung verurteilter Arzt ist unwürdig für die Ausübung des Arztberufs
| Ein Arzt, der wegen sexueller Belästigung strafrechtlich verurteilt wurde, ist unwürdig, den Arztberuf weiter auszuüben. Das musste ein niedergelassener Kinderarzt erfahren, der erfolglos gegen die Feststellung seiner Unwürdigkeit zur Ausübung des Arztberufs klagte (Verwaltungsgericht [VG] Münster, Urteil vom 17.04.2024, Az. 16 K 1372/23.T). Das Urteil ist gleichermaßen für niedergelassene Ärzte und Krankenhausärzte relevant. |
Strafrechtlich wegen sexueller Belästigung verurteilter Arzt klagt erfolglos gegen Feststellung seiner Unwürdigkeit
Ein als Kinderarzt tätiger Arzt wurde wegen sexueller Belästigung im Jahre 2020 vom Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe von acht Monaten verurteilt. Er hatte in mindestens sechs Fällen seine Auszubildende sexuell belästigt, indem er ihr an die Brüste und an das Gesäß gefasst und sie am bekleideten Vaginalbereich berührt hatte. Bei einer anderen Auszubildenden gab es vier Fälle sexueller Belästigungen: Einmal hatte der Arzt seinen Kopf zwischen die Brüste der Auszubildenden gelegt, zweimal ihr Gesäß gestreichelt und sie ein anderes Mal von hinten umfasst und dabei über ihre Brüste gestrichen. Der Arzt musste an die beiden durch seine Straftaten Geschädigten jeweils 3.000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Nach der strafrechtlichen Verurteilung wurde 2022 die Approbation des Arztes widerrufen. Dagegen erhob der Arzt Klage vor dem Verwaltungsgericht. Parallel dazu wurde von der Ärztekammer auch noch ein berufsgerichtliches Verfahren gegen den Arzt eingeleitet. Das Berufsgericht entschied, dass der Arzt für die Ausübung seines Berufs unwürdig sei.
Merke | Ein Berufsgericht ist ein Gericht, das nach dem Heilberufegesetz (HeilBerG) bei einem VG eingerichtet ist. Dort wird bei schwerwiegenden Vorwürfen entschieden, die gegen Ärzte erhoben wurden. Denn die Ärztekammer kann bei berufsrechtlichen Verfehlungen von Ärzten nur ein Ordnungsgeld bis zu einer Höhe von 5.000 Euro erheben. |
So begründete das Berufsgericht für Heilberufe sein Urteil
Durch die sexuellen Belästigungen habe der Arzt gegen die Berufspflicht verstoßen, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Denn durch diese Straftaten hat er dem in ihn gesetzten Vertrauen auf die ordnungsgemäße Erfüllung berufsbezogener Pflichten nicht entsprochen. Obwohl er nicht das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung von Patientinnen verletzt habe, liege hier gleichwohl eine Verletzung von berufsbezogenen Pflichten vor. Denn sein Verhalten stehe nicht im Einklang mit den beruflichen Werten und Pflichten eines Arztes.
Strafgerichtliche Feststellungen sind bindend
Nach § 76 Abs. 3 nordrhein-westfälisches HeilBerG sind die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts bindend. Dem Berufsgericht war es untersagt, eigenständige Feststellungen über den tatsächlichen Geschehensablauf zu treffen. Denn dem Interesse einer einheitlichen Rechtsprechung und des Vertrauensprinzips auf ein einmal festgestelltes Tatgeschehen wären divergierende Urteile abträglich. Den Interessen des Arztes an einer rechtsstaatlichen Entscheidung wird dadurch entsprochen, das er gegen das Urteil des Amtsgerichts hätte Berufung einlegen können.
Die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss waren nicht gegeben
Das Berufsgericht kann nur in Ausnahmefällen einen sogenannten Lösungsbeschluss von den strafgerichtlichen Feststellungen erlassen. Selbst wenn das Berufsgericht einen alternativen Geschehensablauf für möglich hält, kann wegen des Regel-Ausnahme-Verhältnisses ein Lösungsbeschluss nicht ergehen. Dieser Lösungsbeschluss kann nur ergehen, wenn das Amtsgericht widersprüchliche oder unschlüssige Feststellungen getroffen hat. Der Arzt hatte im berufsrechtlichen Verfahren behauptet, dass ihm seine ehemaligen Auszubildenden entsprechende zwischenmenschliche Signale gesendet haben. Das Berufsgericht war jedoch der Ansicht, dass die Voraussetzungen für einen Lösungsbeschluss nicht vorlagen.
Es lag ein berufsrechtlicher Überhang vor
Eine Verurteilung durch das Berufsgericht erfordert grundsätzlich einen berufsrechtlichen Überhang. Denn der Arzt hat hier nicht nur das Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung seiner Auszubildenden verletzt, sondern auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die Ärzteschaft enttäuscht. Das Berufsgericht war der Ansicht, dass ein solcher berufsrechtlicher Überhang vorliegt, da der Arzt im Kernbereich seiner ärztlichen Tätigkeit gefehlt habe.
Merke | Das Berufsgericht für Heilberufe legt hier den üblichen Maßstab bei Straftaten durch Ärzte an. Bei einem solchen schwerwiegenden Vorwurf sieht sich der Arzt zwei unterschiedlichen Verfahren ausgesetzt:
Um als Arzt praktizieren zu können, wird aber sowohl eine Würdigkeit als auch eine Approbation benötigt. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, ist eine Tätigkeit als Arzt nicht möglich. In der Praxis werden sich diese beiden Entscheidungen im Ergebnis wohl nicht widersprechen. |
Schweigen kann für Beschuldigte Gold sein!
Wegen den weitreichenden und existenzvernichtenden Folgen empfiehlt es sich, bei diesen Verfahren einen spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen. Denn in diesen Verfahren steht dem Beschuldigten auch ein Schweigerecht zu. Ob die Wahrnehmung des Schweigerechts für den Beschuldigten sinnvoll ist, kann ein Rechtsanwalt nach Akteneinsicht beurteilen. Hätte der Beschuldigte in dem o. g. Fall die Taten abgestritten, könnte man ihm wegen einer Aussage-gegen-Aussage-Konstellation möglicherweise die Tat nicht nachweisen.
AUSGABE: CB 2/2025, S. 19 · ID: 50207219