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KrankenhausplanungKrankenhaus Rating Report 2023: Krankenhausreform dringend notwendig
| Die Situation der deutschen Krankenhäuser hat sich im Vergleich zum Vorjahr (CB 07/2022, Seite 17 ff.) verschlechtert. Bei einem „Weiter so“ in der wirtschaftlichen Entwicklung der Krankenhauslandschaft würden bis zum Jahr 2030 mehr als die Hälfte (58 Prozent) der deutschen Krankenhäuser einen Jahresverlust erwirtschaften. Die geplante Krankenhausreform ist daher dringend erforderlich, auch weil ein Viertel der bestehenden Bettenkapazität überflüssig werden dürfte. Das geht aus dem Krankenhaus Rating Report 2023 hervor, der am 15.06.2023 auf dem Hauptstadtkongress in Berlin vorgestellt wurde. Dieser Beitrag fasst die zentralen Ergebnisse des Reports zusammen. |
Status quo: Lage nach Corona wieder deutlich schlechter
Berichtsjahr des Krankenhaus Rating Reports 2023 ist das Jahr 2021. Datenbasis der folgenden Ausführungen ist – soweit nichts anderes erwähnt – eine Stichprobe von 521 Jahresabschlüssen aus dem Jahr 2020 und 525 Abschlüssen aus 2021, die insgesamt 976 Krankenhäuser umfassen. Über das Jahr 2022 lagen bisher noch nicht genügend Jahresabschlüsse vor.
Nach einem wirtschaftlich guten Jahr 2020 hat sich die Lage der Krankenhäuser im Jahr 2021 wieder verschlechtert. Maßgeblich dafür war der Rückgang der Corona-Ausgleichszahlungen bei einem stagnierenden Leistungsniveau der Krankenhäuser. Hatte sich die durchschnittliche Insolvenzwahrscheinlichkeit der Krankenhäuser im Jahr 2020 auf 1,0 Prozent verbessert (1,5 Prozent im Jahr 2019), stieg sie im Jahr 2021 wieder auf 1,3 Prozent. Dabei befanden sich 11 Prozent der Krankenhäuser im roten Bereich mit erhöhter Insolvenzgefahr, 16 Prozent im gelben und 73 Prozent im grünen Bereich.
Fast ein Drittel (32 Prozent) der Krankenhäuser schrieben im Jahr 2021 auf Konzernebene einen Jahresverlust, im Jahr davor war es lediglich ein Fünftel (22 Prozent). Die stationäre Fallzahl sank im Jahr 2020 wegen der Coronapandemie außerordentlich stark um 13,5 Prozent, im Jahr 2021 nochmals leicht um 0,3 Prozent und im Jahr 2022 nahm sie geringfügig um etwa 0,8 Prozent zu. Was die Schwere der behandelten Fälle angeht, stieg der Case-Mix-Index 2020 um 4,7 Prozent und 2021 um 1,3 Prozent, weil während der Pandemie vor allem leichtere Fälle nicht stationär versorgt wurden. Im Ergebnis sank das Case-Mix-Volumen weniger stark als die Fallzahl, lag aber im Jahr 2022 vermutlich weiterhin deutlich um etwa 7 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Die Investitionen der Länder beliefen sich im Jahr 2021 auf 3,3 Mrd. Euro. Das sind 0,6 Prozent mehr als im Vorjahr. Bezogen auf die Krankenhauserlöse entspricht dies einem Anteil von 3,2 Prozent, im Jahr 1991 waren es noch rund 10 Prozent gewesen. Zum Erhalt und zur Weiterentwicklung der Unternehmenssubstanz sollten jährlich 7–8 Prozent der Erlöse in Investitionen fließen. Wir schätzen den jährlichen förderfähigen Investitionsbedarf der Plankrankenhäuser zum Substanzerhalt auf mindestens 5,7 Mrd. Euro, zuzüglich Universitätskliniken insgesamt auf 6,6 Mrd. Euro. Krankenhäuser schließen diese investive Lücke nur zum Teil aus eigener Kraft; dies führt zu einem Substanzverzehr, der auch in den Bilanzen sichtbar wird. Besonders stark war der Substanzverzehr bei den ostdeutschen Krankenhäusern, die sich – von einer sehr guten Unternehmenssubstanz kommend – dem niedrigen Niveau der westdeutschen Krankenhäuser immer weiter annähern. Bezogen auf die Erlöse sank das Sachanlagevermögen in Westdeutschland zwischen 2007 und 2021 um fast 15 Prozent, in Ostdeutschland um 40 Prozent.
Größere Häuser schneiden beim Rating und der Ertragslage besser ab. Dieser Größenvorteil kehrt sich jedoch ab einer bestimmten Größe um. D. h., kleine sowie besonders große Krankenhäuser erzielen eine geringere Umsatzrendite als Häuser mit einer Bettenzahl zwischen 500 und 900, ausgenommen Fachkliniken. Häuser in Klinikketten, solche mit einem mittleren und hohen Spezialisierungsgrad sowie Einrichtungen mit einem hohen Case-Mix-Index weisen ein signifikant besseres Rating und eine signifikant bessere Ertragslage auf.
Analysen im Rahmen des „DigitalRadar“ zeigen, dass Krankenhäuser mit höherer Ertragskraft keinen höheren digitalen Reifegrad aufweisen. Jedoch gibt es einen deutlichen Zusammenhang mit der Größe von Klinikketten. Große Klinikketten können höchstwahrscheinlich die Zentralisierung und Standardisierung ihrer IT-Strategie und -Infrastruktur auf Konzernebene zu ihrem Vorteil nutzen und damit einen höheren digitalen Reifegrad erreichen.
Personal: Fachkräftemangel verschärft sich
In den Krankenhäusern ist die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zwischen 2015 und 2022 um 12,0 Prozent gestiegen. Zugleich hat allerdings der Anteil der Teilzeitbeschäftigten leicht zugenommen. Im ärztlichen Dienst in Krankenhäusern hat er sich zwischen 2004 und 2020 von 12 Prozent auf 30 Prozent mehr als verdoppelt. Eine starke Zunahme war zudem bei ausländischen Beschäftigten in Krankenhäusern zu beobachten, insbesondere bei den Pflegekräften. Trotz der steigenden Beschäftigtenzahl in den Gesundheitsberufen sind nach wie vor zahlreiche Stellen nicht besetzt.
Im Jahr 2022 lag die Zahl der von Krankenhäusern gemeldeten offenen Stellen um 88 Prozent höher als 2015. Zwar ist seit 2019 eine Zunahme bei der Anzahl der Auszubildenden zu beobachten – z. B. stieg der Anteil der unter 25-jährigen Pflegekräfte von 7,5 Prozent im Jahr 2015 auf 8,8 Prozent im Jahr 2022. Allerdings wird diese Zunahme nicht genügen, um den Teil der Belegschaft, der in den kommenden Jahren in Rente gehen wird, komplett zu ersetzen. Von 2015 bis 2022 ist der Anteil der Pflegekräfte über 55 Jahre von 16,9 auf 22,6 Prozent und im ärztlichen Dienst von 12,9 auf 16,9 Prozent gestiegen.
Der Anteil der Pflegekräfte mit einem akademischen Berufsabschluss ist von 2015 bis 2022 von 2 auf 5 Prozent gestiegen. Ebenso hat sich die Vergütung von Pflegekräften zwischen 2015 und 2021 spürbar verbessert. Besonders hoch sind die Pflegelöhne im Saarland und in Baden-Württemberg. Das hängt offensichtlich damit zusammen, dass beide Bundesländer jeweils an die Hochlohnländer Luxemburg und Schweiz grenzen. Die Dauer einer Beschäftigung ist von 2015 bis 2021 besonders bei Pflegeberufen gesunken, während sie im ärztlichen Dienst nahezu unverändert blieb.
Zahl der Ärzte in Teilzeit von 2009 bis 2022 mehr als verfünffacht Merke | Wie im Krankenhausbereich ging auch im vertragsärztlichen Bereich die Ärztezahl kontinuierlich nach oben, wobei immer mehr Ärzte in Teilzeit tätig sind. Im Jahr 2009 arbeiteten 8 Prozent in Teilzeit, mit 43 Prozent hat sich der Anteil bis zum Jahr 2022 mehr als verfünffacht. Daher ist umgerechnet die Zahl der Vollkräfte im vertragsärztlichen Bereich zwischen 2009 und 2022 konstant geblieben. Überdies arbeiten immer mehr in einem Angestelltenverhältnis: 6 Prozent im Jahr 2008 und 26 Prozent im Jahr 2022. |
Projektion bis zum Jahr 2030
Wir schreiben die Jahresabschlüsse aus dem Jahr 2021 unter Berücksichtigung der bereits über die Jahre 2022 und 2023 vorliegenden Erkenntnisse und beschlossener Gesetzesänderungen sowie der demografischen Entwicklung bis 2030 fort.
Mögliche Zukunftsszenarien |
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Ausblick
In den kommenden Jahren verlassen die „Babyboomer“ schrittweise den Arbeitsmarkt und die geburtenschwachen Jahrgänge aus den 2000er-Jahren rücken nach. Die Zahl an Fachkräften wird weiter sinken, ihre Löhne werden weiter steigen. Während steigende Löhne auf den Gütermärkten zu Preiserhöhungen führen, steigen die Preise im regulierten Gesundheitswesen nicht von allein. Zudem werden höhere Preise die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen kaum senken. Schlimmstenfalls könnten Leistungen rationiert werden.
Lösungsansätze für die Herausforderungen der Zukunft |
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Zielbild: Etwa jedes vierte Bett entfällt
Die geplante Krankenhausreform formuliert implizit ein Zielbild der künftigen Krankenhausstruktur. Im Jahr 2021 waren die rund 437.000 Betten in den Allgemeinkrankenhäusern nur noch zu 66 Prozent ausgelastet. Bei einer Zielauslastung von 85 Prozent und bei fortschreitender Ambulantisierung bestünde im Zielbild ein Bedarf von nur etwa 316.000 Betten. Wenn wir der Einfachheit halber die G-BA-Notfallstufen mit den genannten Krankenhausleveln gleichsetzen, könnte es im Zielbild 13 Prozent mehr Level-3-Kliniken, 34 Prozent mehr Level-2-Kliniken und nur noch halb so viele Level-1-Kliniken geben, worunter auch eine große Zahl an sog. 1i-Kliniken fiele. Eine flächendeckende Versorgung sollte damit weiterhin gut möglich sein.
Fazit | Der Weg vom Status quo zum Zielbild bedeutet erhebliche Veränderungen. Auch in ländlichen Regionen, in denen die Flächendeckung eine große Rolle spielt, müssen Standorte zu größeren Einheiten zusammengelegt werden. Damit ließe sich ein höheres Krankenhauslevel und bei optimaler Standortwahl gleichzeitig die Flächendeckung erreichen. Eine erste grobe Abschätzung zeigt, dass fast 200 Standorte der Stufe 1 zusammengelegt werden könnten, sodass anschließend rund 80 neue Standorte der Stufen 1 bis 3 entstünden. Würden alle diese Standorte neu gebaut, ist mit einem Investitionsbedarf von 18 Mrd. Euro zu rechnen. Dabei wird berücksichtigt, dass der Sanierungsbedarf an den alten Standorten entfällt. In städtischen Gebieten entsteht ebenfalls zusätzlicher Investitionsbedarf, wenn Kapazitäten gebündelt, umgewidmet oder geschlossen werden sollen. Dieser dürfte größer als 18 Mrd. Euro sein. |
- Dieser Beitrag basiert auf Augurzky, Boris et al.: Die Revolution?! Krankenhaus Rating Report 2023. Die Studie kann für 359 Euro (inkl. 7 Prozent MwSt.) beim Verlag medhochzwei (medhochzwei-verlag.de) bestellt werden (ISBN 978-3-86216-915-3).
AUSGABE: CB 7/2023, S. 13 · ID: 49552754