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ArbeitsrechtDas Hinweisgeberschutzgesetz schützt Whistleblower auch im Krankenhaus
| Zum 02.07.2023 tritt das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft. Ziemlich genau zehn Jahre, nachdem der Whistleblower E. Snowden seine Enthüllungen über die NSA öffentlich gemacht hat, wird die EU-Hinweisgeberrichtlinie – mit Verspätung – in nationales Recht umgesetzt. Bisher existierte in Deutschland kein „Whistleblower-Gesetz“, sondern lediglich eine uneinheitliche Einzelfall-Rechtsprechung. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz soll der Schutz von Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese melden, mit dem Ziel gestärkt werden, dass ihnen keine Benachteiligungen im Arbeitsverhältnis drohen. Das gilt auch für Beschäftigte in Krankenhäusern. |
Schutzzweck
Hinweisgebende Personen leisten nach Auffassung des Gesetzgebers einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Missständen. Mangels hinreichenden Schutzes gab es in der Vergangenheit immer wieder Fälle, in denen sie infolge einer Meldung oder Offenlegung von Missständen benachteiligt wurden. Ziel des Gesetzes ist es, diese Benachteiligungen auszuschließen und Hinweisgebern Rechtssicherheit zu geben. Zugleich soll dieses Ziel mit den Interessen von Unternehmen und öffentlicher Verwaltung, die zu Hinweisgeber-Schutzmaßnahmen verpflichtet werden, so in Einklang gebracht werden, dass bürokratische Belastungen handhabbar bleiben (Seite 2 Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 20/3442; online unter iww.de/s8299).
Hinweisgebende Person
Das Gesetz schützt natürliche Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die nach diesem Gesetz vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen. Darüber hinaus werden auch Personen geschützt, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind, sowie sonstige Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind.
Geschützter Bereich
Nicht jede Meldung über Verstöße im beruflichen Kontext ist geschützt bzw. schutzwürdig. Das Gesetz definiert einen sachlichen Anwendungsbereich, nach dem die Meldung Verstöße beinhalten muss, die
Betroffene Meldungen möglicher Verstöße im Krankenhaus |
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- strafbewehrt,
- bußgeldbewehrt sind, soweit die verletzte Vorschrift dem Schutz von Leben, Leib oder Gesundheit oder dem Schutz der Rechte von Beschäftigten oder ihrer Vertretungsorgane dient,
- sich gegen sonstige Rechtsvorschriften richten, wie z. B. der Bekämpfung von Geldwäsche, der Produktsicherheit, der Sicherheit im Straßenverkehr, des Umwelt-, Strahlen- oder Datenschutzes, des Wettbewerbs- oder Steuerrechts etc.
Meldung und Offenlegung
Der Hinweisgeber kann Informationen über Verstöße, die er im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit erlangt hat, melden oder offenlegen.
Bei der Meldung kann der Hinweisgeber wählen, ob er sich an eine interne Meldestelle oder eine externe Meldestelle wendet. Ihm ist es unbenommen, sich an eine externe Meldestelle zu wenden, wenn einem intern gemeldeten Verstoß nicht abgeholfen wurde.
Zur Einrichtung von internen Meldestellen sind Unternehmen
- mit mehr als 250 Mitarbeitenden bereits mit Inkrafttreten des Gesetzes,
- mit 50 bis 249 Mitarbeitenden erst ab dem 17.12.2023 verpflichtet.
Die interne Meldestelle ist so zu gestalten, dass nur die für die Entgegennahme und Bearbeitung der Meldungen zuständigen sowie die sie bei der Erfüllung dieser Aufgaben unterstützenden Personen Zugriff auf die eingehenden Meldungen haben und keine unberechtigten Personen Zugriff auf die Identität der hinweisgebenden Person oder den Hinweis selbst erhalten.
Sowohl interne als auch externe Meldekanäle müssen Meldungen in mündlicher oder in Textform ermöglichen (Meldekanal). Die Meldestellen bestätigen der hinweisgebenden Person den Eingang der Meldung umgehend, spätestens nach sieben Tagen; sie prüfen den gemeldeten Verstoß auf Stichhaltigkeit und halten den Kontakt mit der hinweisgebenden Person. Als Folgemaßnahmen können interne Meldestellen interne Untersuchungen bei dem Arbeitgeber durchführen, interne und externe Meldestellen können die hinweisgebende Person an andere zuständige Stellen verweisen, das Verfahren aus Mangel an Beweisen oder aus anderen Gründen abschließen oder an eine zuständige Behörde zwecks weiterer Untersuchungen abgeben.
Für externe Meldungen wird der Bund beim Bundesamt für Justiz eine Meldestelle einrichten. Zudem sollen die bestehenden Meldesysteme bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie beim Bundeskartellamt als weitere externe Meldestellen mit Sonderzuständigkeiten fortgeführt werden.
Anstelle der (internen oder externen) Meldung besteht auch die – allerdings subsidiäre – Möglichkeit, Informationen über Verstöße offenzulegen. Im Falle der Offenlegung sind Hinweisgeber dann geschützt, wenn sie zunächst eine externe Meldung erstellt haben und hierauf nicht innerhalb von drei Monaten geeignete Folgemaßnahmen ergriffen wurden oder sie keine Rückmeldung über das Ergreifen solcher Folgemaßnahmen erhalten haben; Schutz besteht ebenfalls, wenn die Person hinreichenden Grund hatte, anzunehmen, dass der Verstoß eine unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses darstellen kann, im Falle einer externen Meldung Repressalien befürchten zu müssen, oder dass Beweismittel unterdrückt oder vernichtet werden könnten.
Wenngleich anonyme Meldungen ermöglicht werden sollen, besteht keine verpflichtende Nachverfolgung anonymer Meldungen.
Falsche Meldung
Es werden keine überhöhten Anforderungen an hinweisgebende Personen in Bezug auf die Überprüfung der Richtigkeit der Information gestellt, sodass der Schutz für die hinweisgebende Person auch dann besteht, wenn sich der Hinweis als nicht zutreffend herausstellt, die hinweisgebende Person zum Zeitpunkt der Meldung jedoch davon ausgehen konnte, dass der Hinweis zutrifft (vgl. CB 05/2021, Seite 4 f.).
Vorsätzlich oder grob fahrlässige Weitergaben unrichtiger Informationen führen allerdings zum Verlust des Schutzes und können sogar darüber hinaus zum Schadenersatz führen, da eine falsche Meldung oder Offenlegung für die betroffene Person weitreichende Folgen haben kann.
Schutzmaßnahmen
Hinweisgebende Personen werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen umfangreich vor Repressalien geschützt. Hierzu werden alle ungerechtfertigten Nachteile wie z. B. Kündigung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing gezählt, die eine hinweisgebende Person infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet.
Sanktionen
Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Das gilt für das Verhindern von Meldungen, das Ergreifen von Repressalien sowie für Verstöße gegen den Schutz der Vertraulichkeit der Identität der hinweisgebender Person.
Die Offenlegung wissentlich falscher Informationen durch hinweisgebende Personen wird ebenfalls mit einer Geldbuße belegt. Dadurch soll Nachteilen, die betroffenen Unternehmen und Behörden durch eine solche Offenlegung drohen (insbesondere Reputationsschäden), angemessen entgegengewirkt werden.
AUSGABE: CB 7/2023, S. 7 · ID: 49532390