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ArzthaftungAufklärungsbogen nur ein Indiz im Arzthaftungsprozess!
| Immer wieder erheben Patienten in Arzthaftungsprozessen den Vorwurf, präinterventionell nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein. In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Dresden kürzlich veröffentlichten Fall ging es gut für die Behandlerseite aus: Obwohl weder der aufklärende Arzt noch die Arzthelferin konkrete Erinnerungen an das Aufklärungsgespräch vorbringen konnten, gab das Gericht dem Arzt Recht (OLG Dresden, Urteil vom 15.03.2022, Az. 4 U 1972/21). Das Urteil lässt Schlussfolgerungen zu, worauf Ärzte beim Ausfüllen von Aufklärungsbögen achten sollten. |
Inhaltsverzeichnis
Der Sachverhalt
Eine 30-jährige Patientin – die spätere Klägerin – hatte von ihrem Hausarzt wegen Unterleibsbeschwerden Antibiotika verordnet bekommen. Da die Beschwerden fortbestanden, suchte die Patientin die Notaufnahme der Klinik auf. Dort wurden verschiedene Untersuchungen durchgeführt, die Patientin aber nicht stationär aufgenommen. Zwei Tage später stellte sich die Patientin aufgrund anhaltender Schmerzen bei ihrem behandelnden niedergelassenen Gynäkologen vor. Dieser empfahl ihr eine diagnostisch-therapeutische Laparoskopie. Der Gynäkologe führte den Eingriff als Belegarzt in der Klinik dann auch durch. Er entfernte Endometrioseherde sowie den Blinddarm.
Fünf Tage nach Entlassung aus der stationären Behandlung wurde die Patientin durch den Notarzt wegen starker Unterleibsschmerzen erneut in die Klinik eingeliefert. Noch am gleichen Tage wurde – wiederum durch den belegärztlich tätigen Gynäkologen – bei Verdacht auf Peritonitis eine Revisionslaparoskopie empfohlen und auch begonnen. Da sich intraoperativ eine kotige Peritonitis zeigte, übernahm ein Chirurg der Klinik, der die Patientin letztlich auch laparotomierte. Es befand sich eine nekrotisch bedingte Stuhlfistel in der Nähe der Abtragungsstelle des Appendix. Die Verwachsungen wurden gelöst und die Stuhlfistel übernäht. Zehn Tage post-op konnte die Patientin aus der Klinik entlassen werden.
Die Patientin verklagte sowohl den Gynäkologen als auch den Klinikträger. Sie machte sowohl Behandlungs- als auch Aufklärungsfehler in mehrfacher Hinsicht zum Vorwurf: Beide durchgeführten Operationen seien nicht lege artis erfolgt. Das Behandlungsmanagement insgesamt in der Klinik sei zu beanstanden und zu zögerlich verlaufen. Im Übrigen hätte der Gynäkologe den ersten Eingriff so nicht durchführen dürfen, da die Entfernung des Blinddarms in den Fachbereich eines Chirurgen falle. Schließlich sei die Patientin vor beiden Operationen nicht hinreichend aufgeklärt worden – so ihr Vorbringen vor Gericht. Hierauf gestützt verlangte sie ein Schmerzensgeld i. H. v. 50.000 Euro. Ein solches Schmerzensgeld versagten ihr die Richter jedoch. Sie wiesen die Klage insgesamt ab und gaben der Behandlerseite Recht.
Entscheidungsgründe
Das Gericht sah weder einen Behandlungs- noch einen Aufklärungsfehler der behandelnden Ärzte.
Beide Operationen und Behandlungsmanagement lege artis
Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens kamen die Richter zu dem Schluss, dass beide Operationen und auch das Behandlungsmanagement in der Klinik ansonsten lege artis erfolgt seien. Der Gynäkologe habe auch die Appendektomie als Teil der ersten Operation – neben der Entfernung von Endometrioseherden – durchführen dürfen. Zwar sei die Appendektomie nicht Bestandteil der Facharztausbildung zum Gynäkologen. Jedoch bestehe eine entsprechende Fachkompetenz in der Praxis, weil solche Operationen von Gynäkologen ausgeführt würden – so die Wertung der Richter.
Auch Aufklärung ordnungsgemäß
Ferner akzeptierten die Richter den – von der Behandlerseite zu erbringenden – Beweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung vor beiden Operationen. Dies, obwohl der Gynäkologe wegen schwerer Erkrankung nicht vor Gericht aussagen konnte und sich die Arzthelferin nicht konkret an den Fall erinnern konnte – eine eigentlich schlechte Ausgangslage für die Beweisführung vor Gericht. Zwei Gründe allerdings halfen der Arztseite:
Praxistipp | Wie dieser Fall deutlich zeigt, sind handschriftliche Ergänzungen durch den aufklärenden Arzt im Aufklärungsbogen unbedingt zu empfehlen, um den individuellen Charakter des Gespräches zu verdeutlichen. Dies sollte im einzelnen Fall bezugnehmend auf den Eingriff und die konkrete Patientensituation erfolgen. Allein die Unterschrift des Patienten auf dem Bogen reicht im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung nicht aus. |
- 1. Das Gericht berücksichtigte den „Immer-so-Vortrag“ der Arzthelferin im dortigen Fall. Die Richter ließen es gelten, dass die Arzthelferin in etwa der Hälfte der Fälle bei den Aufklärungsgesprächen in der Praxis dabei gewesen sei. Nach ihrer Aussage sei die Aufklärung immer sehr umfangreich gewesen. Der Gynäkologe habe generell den Eingriff erklärt und sehr ausführlich die Risiken erläutert. Den Aufklärungsbogen bekomme die Patientin dann mit nach Hause und bringe ihn zur Aufnahme ins Krankenhaus mit.Gericht lässt „Immer-so-Vortrag“ der Arzthelferin gelten
- 2. Handschriftliche Ergänzungen im Aufklärungsbogen halfen der Behandlerseite. Das OLG hob hervor: Der Aufklärungsbogen sei nur ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs, hingegen kein Beweis für das mündlich Besprochene. Im dortigen Fall jedoch habe der Gynäkologe eine handschriftliche Ergänzung vorgenommen und insbesondere Folgendes notiert: „Bei Blinddarmentzündung Entfernung des Blinddarms sinnvoll.“ Auch dieser Umstand wirkte sich im Rahmen der Beweiswürdigung zugunsten der Behandlerseite aus.Sinnhaftigkeit der Appendektomie war handschriftlich vermerkt
- Aufklärungsroutinen ersetzen fehlende Erinnerung an konkretes Aufklärungsgespräch (CB 10/2021, Seite 12)
AUSGABE: CB 9/2022, S. 10 · ID: 48491622