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Arzneimittel„Meine Arbeit als Stationsapothekerin wird von Ärzteschaft und Pflegekräften geschätzt!“
| In den Krankenhäusern Niedersachsens sind seit dem 01.01.2022 Stationsapotheker Pflicht. Gem. § 19 Niedersächsisches Krankenhausgesetz (NKHG) müssen „in ausreichender Zahl Apothekerinnen oder Apotheker als Beratungspersonen für die Stationen eingesetzt werden“. Auslöser war der frühere Krankenpfleger Niels Högel, der im Juni 2019 vom Landgericht Oldenburg wegen Mordes an 85 Patienten zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Carina Helfst, Fachapothekerin für klinische Pharmazie, gehört zum Team der Zentralapotheke des Klinikums Region Hannover (KRH) mit zehn Standorten. Sie ist Stationsapothekerin am KRH Klinikum Robert Koch Gehrden. Im Gespräch mit Ursula Katthöfer (textwiese.com) schildert sie ihre Aufgaben. |
Frage: Frau Helfst, Ziel des NKHG ist es, die Patientensicherheit zu stärken. Doch die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft reagierte pikiert. Wie empfingen Ärzteschaft und Pflegepersonal Sie zu Beginn dieses Jahres in Ihrer neuen Rolle?
Antwort: Ärzte und Pflegekräfte schätzen unsere Arbeit. Das merken wir z. B. an den vielen Rückfragen und Anrufen, die wir bekommen. Allerdings gibt es die Stationsapotheker am KRH schon lange. Ich bin vor vier Jahren in gemachte Fußstapfen getreten. Die Zusammenarbeit ist in den letzten Jahren aber noch viel intensiver geworden. Sie wurde schon vor dem Gesetz gelebt. Mit dem Gesetz wird sie gefestigt.
Frage: Wie organisiert sich Ihre Arbeit im Krankenhaus?
Antwort: Unsere Zentralapotheke befindet sich am Standort des KRH Klinikum Siloah. Sie beliefert alle Häuser. Je nach Größe des Hauses haben alle Standorte einen oder zwei Stationsapotheker, die jeweils ein Büro haben. In unserem 349-Betten-Haus ist immer eine von zwei Stationsapothekerinnen vor Ort. Wir haben unser Büro auf der Station 14, der Inneren Medizin. Wenn wir nicht hier vor Ort sind, dann übernehmen wir andere Tätigkeiten in der Zentralapotheke. Ich bin z. B. noch in der Zytostatika-Abteilung oder am Arzneimittelinformationstelefon tätig. Dort ist immer ein Apotheker für die Standorte ansprechbar. Auch erledigen wir umfangreiche Recherchen, etwa zu der Frage, welche Medikation sich bei Patienten mit Myasthenia gravis eignet.
Frage: Wie häufig prüfen Sie die Medikationen auf den Stationen?
Antwort: Wir haben einen festen Stundenplan, damit wir in der Woche möglichst viele Patienten auf möglichst vielen Stationen sehen. Die meisten Stationen visitieren wir einmal pro Woche. In der Frauenklinik reicht ein zweiwöchiger Rhythmus, da dort vor allem junge Patientinnen mit geringer Medikation sind. Je nach Wunsch der Ärztinnen und Ärzte nehmen wir an Visiten teil oder besprechen uns bei Kurvenvisiten. Ins Arzt-Patienten-Gespräch greifen wir nicht ein, da wir uns die Medikation bereits vor der Visite ansehen und uns mit dem Arzt beraten. Den größeren Teil machen inzwischen die Kurvenvisiten aus. Da wir in unserem Krankenhaus eine elektronische Patientenakte nutzen, kann die Medikation im Bedarfsfall direkt am PC vom Arzt umgestellt oder auch abgesetzt werden.
Frage: Welche Interaktionen stellen sie häufig fest?
Antwort: Bestimmte Psychopharmaka können allein oder in Kombination mit einem Diuretikum eine Hyponatriämie auslösen. Antibiotika wie Rifampicin können in Kombination mit oralen Antikoagulanzien, wie Apixaban, dazu führen, dass das orale Antikoagulanz seine Wirkung verliert. Das kann z. B. bei Patienten mit Vorhofflimmern zu einem erhöhten Schlaganfallrisiko führen. Auf Rifampicin lässt sich nicht verzichten, doch Apixaban kann gegen ein niedermolekulares Heparin in therapeutischer Dosierung ausgetauscht werden. Haben Patienten besondere Nebenwirkungen, bitten die Ärzte uns oft, die Gesamtmedikation zu prüfen. So hatten wir kürzlich einen Patienten, bei dem das Opioid Oxycodon einen starken Juckreiz auslöste. Manchmal erhält der Patient keine leitliniengerechte Medikation und wird deshalb eingewiesen.
Frage: Welche Rolle spielt die leitliniengerechte Therapie bei Ihrer Arbeit?
Antwort: Wir prüfen bei jedem Patienten, ob es sich bei deren Medikation um eine leitliniengerechte Therapie handelt. So weisen wir z. B. darauf hin, falls bei pAVK-Patienten ein Statin fehlt. Dieser Fehler entsteht meist bei der ambulanten Versorgung. Ein typischer Fall wäre auch, dass einem herzinsuffizienten Patienten z. B. das Diuretikum Spironolacton fehlt. Auch prüfen wir, ob bestimmte verordnete Medikamente sich bei geriatrischen Patienten eignen.
Frage: Lassen Ärztinnen und Ärzte sich von Ihnen schulen?
Antwort: Sie fragen regelmäßig danach. Kürzlich haben wir zu Antiinfektiva geschult. Auch die Themen Schmerzmedikation oder perioperatives Gerinnungsmanagement werden stark nachgefragt. Unsere Fortbildungen dauern etwa 30 bis 40 Minuten und finden vor oder nach den Frühbesprechungen statt.
Frage: Können Krankenhäuser die medikamentöse Therapie mit Ihrer Hilfe wirtschaftlicher gestalten?
Antwort: Das ist schwer zu ermessen. Die laufenden Betriebskosten ändern sich für das Krankenhaus nicht signifikant. Wir brauchen ja auch eine IT-Ausstattung und Arbeitsmittel. Wenn wir ein fehlendes Arzneimittel aufdecken, steigen zunächst die Kosten für die Krankenversicherung. Langfristig kann es aber sein, dass ein medikamentös gut eingestellter Patient seltener eingewiesen wird.
Frau Helfst, vielen Dank für das Gespräch! L
AUSGABE: CB 9/2022, S. 16 · ID: 48430976