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DRG-AbrechnungAktuelles Urteil zu den Aufschlägen nach § 275c SGB V (Strafzahlungen)
| § 275c Abs. 3 SGB V verpflichtet Krankenhäuser seit 2022, nach einer Leistungskürzung durch die Krankenkasse einen Aufschlag (Strafzahlung) auf die Rückzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Abrechnungsbetrag zu zahlen. Streit besteht zu der Frage, ob diese Regelung nur für stationäre Behandlungen ab 2022 gilt oder auch für Fälle aus den Jahren 2020 oder 2021, bei denen die Kürzungsentscheidung der Krankenkasse jedoch aus dem Jahr 2022 stammt. Mehrere aktuelle Beschlüsse von Sozialgerichten stärken die Position der Krankenhäuser. |
Inhaltsverzeichnis
Die außergerichtliche Lösung
Im CB 04/2022, Seite 4 haben wir bereits über die Problematik berichtet und empfohlen, Rechtsmittel gegen Entscheidungen der Krankenkassen einzulegen, mit denen die Aufschläge angefordert werden, da die Regelung des § 275c Abs. 3 SGB V zumindest für Fälle, in denen der Patient sich vor 2022 in stationäre Behandlung begeben hat, nicht anwendbar sein dürfte. Wo die stationäre Behandlung des Patienten erst 2022 begonnen hat, sollte zumindest vorsorglich ebenfalls in allen Fällen Widerspruch eingelegt werden, bis die Entscheidung des Krankenhauses, ob man die Leistungskürzung akzeptiert oder nicht, getroffen worden ist.
Das Einlegen des Widerspruchs gegen den Bescheid der Krankenkasse, mit dem ein Aufschlag gefordert wird, hat zwar keine aufschiebende Wirkung, weshalb der Aufschlag grundsätzlich zu zahlen ist. Die Krankenkasse hat jedoch nach § 86a Abs. 3 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Möglichkeit, die Vollziehung ihrer Entscheidung über die Zahlung des Aufschlags ganz oder teilweise auszusetzen. In diesem Fall muss das Krankenhaus den Aufschlag erst einmal nicht zahlen. Einer solchen Lösung wird die Krankenkasse vor allem wohl unter zwei Voraussetzungen nähertreten:
- Der Widerspruch des Krankenhauses gegen den Bescheid der Krankenkasse, mit dem der Aufschlag gefordert wird, ist überzeugend begründet, sodass die Krankenkasse sich nicht sicher sein kann, mit ihrer Forderung dauerhaft Erfolg zu haben, weshalb man erst einmal abwarten will.
- Der Umgang zwischen der Krankenkasse und dem betroffenen Krankenhaus verläuft generell „störungsfrei“, sodass man diesen Umgang nicht belasten möchte.
Wohlgemerkt: Die Kasse kann, muss aber die Vollziehung nicht aussetzen. Wenn sie von der Möglichkeit keinen Gebrauch macht, bleibt nur der Rechtsweg. Diesen kann das Krankenhaus auch von Anfang an bestreiten, wenn es sich gar nicht erst darauf verlassen möchte, dass die Kasse nach § 86a Abs. 3 SGG vorgeht und auf die Vollziehung ihrer Entscheidung vorläufig verzichtet.
Die gerichtliche Lösung
Wenn das Krankenhaus sich mit der Krankenkasse nicht einigt oder die Aussetzung der Vollziehung ablehnt, kann gegen den Bescheid über die Forderung des Aufschlags beim zuständigen Sozialgericht (SG) ein Antrag nach § 86d Abs. 1 Nr. 2 SGG auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gestellt werden. In seinem Beschluss vom 18.03.2022 hat das SG Hannover dem Antrag eines Krankenhauses auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen die Aufschlagsanforderung der Krankenkasse stattgegeben (Az. S 76 KR 112/22 ER KH).
Der Fall
Das Krankenhaus hatte Mitte 2021 einen gesetzlich versicherten Patienten vollstationär behandelt und die Behandlung am 11.08.2021 abgerechnet. Im Rahmen der von der Krankenkasse eingeleiteten Rechnungsprüfung durch den MD kam dieser zu dem Ergebnis, dass eine vom Krankenhaus kodierte und erlösrelevante Nebendiagnose zu löschen sei, was zu einer anderen DRG-Fallpauschale führte. Daraufhin forderte die Krankenkasse nach zunächst vollständigem Rechnungsausgleich einen Betrag von 7.793,18 Euro zurück und setzte zugleich mit Bescheid vom 14.02.2022 eine Aufschlagszahlung nach § 275c Abs. 3 SGB V in Höhe von 779,32 Euro fest. Dabei ist die Krankenkasse für das Krankenhaus nach § 275c Abs. 2 S. 4 Nr. 2 SGB V von einer Prüfquote von 10 Prozent ausgegangen. Der Aufschlag dürfe dann 10 Prozent des aufgrund der Prüfung des MD geminderten Abrechnungsbetrags nicht überschreiten, den Mindestbetrag von 300 Euro allerdings auch nicht unterschreiten. Festgesetzt wurden 10 Prozent des geminderten Abrechnungsbetrags. Das SG Hannover sah diese Entscheidung als rechtswidrig an und hat deshalb die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs angeordnet.
Entscheidung
Zur Begründung seiner Entscheidung, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Krankenhauses anzuordnen, womit nicht gezahlt werden muss, hat das SG Hannover auf den Wortlaut der Gesetzesbegründung verwiesen, aus dem sich seiner Meinung nach ergibt, welcher zeitliche Anknüpfungspunkt für die Festsetzung der Aufschläge vonseiten des Gesetzgebers gewählt worden sei. Aus der Gesetzesbegründung lasse sich entnehmen, dass Aufschläge erst für solche Fälle konform seien, bei denen der Patient im Jahr 2022 ins Krankenhaus aufgenommen wurde. Der Gesetzgeber hätte einen Anreiz für eine ordnungsgemäße Rechnungsstellung schaffen wollen. Rechnungen, die bereits in der Vergangenheit gestellt worden seien, könnten die Krankenhäuser nachträglich nicht mehr ändern. Maßgeblich sei somit die Möglichkeit für die Krankenhäuser, ihr Abrechnungsverhalten zu ändern, um Aufschlagszahlungen zu vermeiden. Aufschläge könnten somit erst für Fälle nach Inkrafttreten der neuen Regelung zu den Strafzahlungen gefordert werden.
Fazit | Die Argumentation des SG Hannover mit Bezug zur Gesetzesbegründung ist in sich schlüssig und wird inzwischen auch durch andere Sozialgerichte bestätigt (vgl. SG Mannheim, Beschluss vom 07.04.2022, Az. S 15 KR 382/22 ER sowie SG Duisburg, Beschlüsse vom 27.04.2022, Az. S 27 KR 340/22 KH-ER sowie S 46 KR 343/22 KH-ER), sodass Krankenhäusern grundsätzlich empfohlen werden kann, damit auch in anderen Fällen zu arbeiten. |
AUSGABE: CB 6/2022, S. 7 · ID: 48284947