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CBChefärzteBrief

BerufsrechtSofortige Approbationsrücknahme bei Verdacht auf Kenntnismängel?

Abo-Inhalt05.04.20224410 Min. LesedauerVon RA, FA MedR, Mediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann und RAin Victoria Hahn, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmundvon RA, FA MedR, Mediator Dr. Tobias Scholl-Eickmann und RAin Victoria Hahn, Kanzlei am Ärztehaus, Dortmund

| Auch wenn sich Zweifel an der fachlichen Qualifikation eines Arztes ergeben und festgestellt wird, dass die Ausbildung in einem Drittstaat nicht vollständig absolviert wurde, ist die sofortige Rücknahme der Approbation nicht gerechtfertigt. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg im Rahmen eines Eilverfahrens (Beschluss vom 08.10.2021, Az. 3 Bs 217/21, online unter dejure.org). |

Sachverhalt

Ein Arzt, der im Irak Medizin studiert hatte, arbeitete mehrere Jahre in verschiedenen Krankenhäusern in Deutschland. Nach erfolgreicher Gleichwertigkeits- und Fachsprachenprüfung wurde ihm die Approbation erteilt.

Er wechselte sodann an ein weiteres Krankenhaus. Der dortige Chefarzt bekam nach kurzer Zeit Bedenken an der fachlichen Qualifikation des Arztes und äußerte diese gegenüber der zuständigen Approbationsbehörde. Sie überprüfte daraufhin nochmals die medizinische Ausbildung des Arztes und stellte fest, dass zwar das Studium im Irak absolviert, jedoch nicht die zwingend erforderliche einjährige praktische Ausbildung (sog. Rotationsassistenz) im Anschluss an das Studium abgeleistet worden war. Dadurch sei die medizinische Ausbildung formal nicht vollständig abgeschlossen. Die Behörde ordnete daraufhin die sofortige Rücknahme der Approbation an.

Der betroffene Arzt legte dagegen Widerspruch ein und stellte zeitgleich vor dem Verwaltungsgericht (VG) Hamburg im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes einen Antrag, dass die Rücknahme bis zur Entscheidung über den Widerspruch nicht vollzogen wird. Dadurch beabsichtigte er, zunächst auch weiterhin als Arzt tätig sein zu können. Dieser Antrag war weitgehend erfolgreich (VG, Hamburg, Urteil vom 24.08.2021, Az. 17 E 3090/20), die Berufung der Antragsgegnerin scheiterte vor dem OVG Hamburg.

Entscheidung des OVG Hamburg

Das OVG bestätigte das Urteil der Vorinstanz: Der Arzt dürfe bis zur Entscheidung über den Widerspruch unter Auflagen weiter seiner ärztlichen Tätigkeit nachgehen. Insbesondere sei dafür zu sorgen, dass der Arzt nur unter Anleitung, Aufsicht und Verantwortung eines weiterbildungsbefugten Arztes tätig werde. Zudem bestehe eine Informationspflicht des verantwortlichen Arztes, Patientenwohlgefährdungen oder erkennbare Kenntnismängel des zu überwachenden Arztes der zuständigen Approbationsbehörde unverzüglich mitzuteilen und in regelmäßigen Abständen einen Bericht über den bisherigen Ausbildungsverlauf und etwaig festgestellte Kenntnismängel vorzulegen.

Entscheidungsgründe

Die Rücknahme der Approbation sei nach der im einstweiligen Verfahren nur möglichen eingeschränkten Prüfung zwar voraussichtlich formell rechtmäßig: Da der Arzt die Rotationsassistenz nicht absolviert habe, sei seine medizinische Ausbildung im Irak nicht abgeschlossen. Auch jetzt könne er keine abgeschlossene medizinische Ausbildung nachweisen. Gleichwohl sei – wie auch die Vorinstanz richtig geurteilt habe – die Anordnung der sofortigen Beendigung der ärztlichen Tätigkeit aus folgenden Gründen nicht gerechtfertigt:

  • Es fehle an einem besonderen öffentlichen Vollzugsinteresse (z. B. wegen einer Gefährdung des Gemeinwohls durch fehlende Sachkenntnis des behandelnden Arztes). Dagegen abzuwägen seien die irreparablen Folgen, die ein sofortiger Entzug der Approbation für die berufliche Existenz des Antragstellers haben könne. Ein Sofortvollzug sei ein schwerwiegender Eingriff in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Grundgesetz (GG) und daher unverhältnismäßig.
  • Der Arzt habe zwar die einjährige praktische Ausbildung im Irak nicht abgeschlossen, aber dafür bereits mehrere Jahre in Deutschland praktisch gearbeitet.
  • Zudem gehe aus den bisher erteilten Zeugnissen des betreffenden Arztes nicht hervor, dass erhebliche Kenntnismängel vorlägen. Auch hätte der Chefarzt mit seinen Vorwürfen nicht genug Einzelheiten vorgetragen, die das Gericht von einer derart mangelnden fachlichen Qualifikation des Arztes überzeugen.
  • Es sei jedoch aufgrund der gerafften Prüfung innerhalb des Eilrechtsverfahrens nicht möglich, die Vorwürfe des Chefarztes hinreichend auf deren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen, sodass (auch) die Interessen des betroffenen Arztes sachgerecht zu berücksichtigen seien.

Die Entscheidung verdient Respekt

Die Entscheidung betrifft sicherlich einen speziell gelagerten Einzelfall. Auch lässt sich dem Beschluss nicht entnehmen, inwieweit die Kenntnismängel des Arztes tatsächlich patientengefährdend waren. Ungeachtet dessen ist zumindest kritisch zu hinterfragen, ob im Falle eines solchen Verdachts die Hinzuziehung der Approbationsbehörde die passende Maßnahme war. Im Rahmen der Weiterbildung sollte es an sich ausreichende Optionen geben, die etwaig bestehenden Kenntnismängel aufzuarbeiten unter fachkundiger Anleitung eines weiterbildungsbefugten Chefarztes. Die Entscheidung verdient insoweit Respekt, als sie den widerstreitenden Interessen Geltung verschafft.

Weiterführender Hinweis
  • Haftungsrecht: Was, wenn der Patient den ausländischen Arzt nicht versteht? (CB 06/2020, Seite 14)

AUSGABE: CB 6/2022, S. 9 · ID: 48127731

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