Sie sind auf dem neuesten Stand
Sie haben die Ausgabe Juni 2025 abgeschlossen.
WirtschaftsforschungEchte Strukturreformen statt Geldregen nötig: Bürokratie inzwischen Geschäftsrisiko Nr. 1
| Die zunehmende Bürokratie wird für immer mehr Unternehmen zu einem immer größeren Problem. Bürokratie erhöht die Kosten, verlängert Genehmigungsverfahren und erschwert Investitionen. Dies beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit und verschlechtert die Stimmung erheblich. Für einen wirtschaftlichen Aufschwung sind Bürokratieabbau und Strukturreformen notwendig. |
1. Unternehmen klagen über Bürokratieaufwand
Laut der im März veröffentlichten Umfrage „Wirtschaftslage und Finanzierung im Handwerk 2024/25“ von Creditreform berichten vier von fünf der befragten Betriebe von einem gestiegenen Verwaltungsaufwand. Ein Drittel gibt an, mehr als zehn Stunden pro Woche für administrative Aufgaben aufwenden zu müssen. Ein weiteres Viertel der Befragten investiert zwischen sechs und zehn Stunden pro Woche in Bürokratiearbeit. Die Folgen sind frappierend:

- In sieben von zehn Handwerksbetrieben verursacht der zunehmende Bürokratieaufwand zusätzliche Kosten und es bleibt weniger Zeit für die Auftragsbewältigung.... und das sind die Folgen
- 42,5 % geben in der Befragung an, dass die Kunden länger warten müssen.
- 40,6 % sagen, dass sich Produkte und Leistungen verteuern.
- Fast ein Viertel kann nur mit Verzögerung investieren oder neue Produkte einführen.
Nicht anders sieht es bei den IHK-zugehörigen Unternehmen aus. So rangieren in der „Konjunkturumfrage Jahresbeginn 2025“ der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), erstmals seit darin gezielt auch nach Geschäftsrisiken gefragt wird, die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen auf Platz 1. Mit 60 % erreichen sie ein Allzeithoch. Besonders oft werden sie von der Industrie als Risiko genannt. Wie die DIHK mitteilt, haben knapp 7.000 Unternehmen bei den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen von der Möglichkeit der Freitextantworten Gebrauch gemacht. Das mit Abstand am häufigsten genannte Stichwort war „Bürokratie“. Rund 47 % der Freitextantworten beinhalten die Bürokratie-Problematik!
2. Sinnvolle Organisationsform – mit Kehrseite
Nun ist Bürokratie zunächst einmal nichts Schlechtes, sondern eine „legal-rationale Organisationsform“, wie es im Gabler Wirtschaftslexikon heißt. Wesentliche Merkmale seien z. B. ein geordnetes System von Regeln auf der Basis einer Satzung, eine hierarchisch gegliederte unpersönliche Ordnung von Positionen, die schriftliche Erfassung und Dokumentation aller Vorgänge oder die Gleichbehandlung der Antragsteller. Ohne Bürokratie ist ein komplexes Staatswesen nicht denkbar. So weit, so gut. Doch es gibt eine Kehrseite.
Entgegen allen Beteuerungen der Politik nimmt die Bürokratie weiter zu. Sowohl für die Bürger als auch für die Unternehmen steigt der Bürokratieaufwand. Die Unternehmen ächzen unter immer mehr Dokumentations-, Prüf- und Nachweispflichten sowie immer längeren Genehmigungsverfahren. Diese Aufgaben nehmen stark zu und damit auch die Bürokratiekosten, also die Kosten, die Unternehmen, Bürgern und auch dem Staat durch die Erfüllung administrativer und gesetzlicher Vorgaben entstehen. Der Kostenfaktor Bürokratie ist für die Unternehmen inzwischen erheblich – und längst ein Wettbewerbsnachteil.
Beispiel |
Mehr als die Hälfte der Handwerksbetriebe muss inzwischen einen Mitarbeiter für Bürokratieaufgaben abstellen. Dies verursacht zusätzliche Kosten. |
3. Stimmung so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr
Die Folge: Die Wirtschaft lahmt – nicht nur, aber auch wegen des Geschäftsrisikos Bürokratie. Die Stimmung unter den Handwerksbetrieben ist so schlecht wie seit 15 Jahren nicht mehr, ergab die Umfrage von Creditreform. Der Geschäftslageindex fiel auf den niedrigsten Stand seit 2010. Nur noch gut jeder zweite Betrieb bewertet die eigene Geschäftslage als gut oder sehr gut.
Noch besorgniserregender ist die Lage bei den IHK-Unternehmen: Laut der aktuellen DIHK-Konjunkturumfrage bezeichnen derzeit nur 26 % der Unternehmen ihre Geschäftslage als „gut“, während 25 % von einer schlechten Lage sprechen.

4. Geld allein macht nicht glücklich
Nun könnte man denken: Viel Geld hilft viel, z. B. das Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Mrd. EUR. Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) soll es die deutsche Wirtschaft kräftig ankurbeln – allerdings erst ab dem kommenden Jahr. Und viel Geld allein nützt wenig: Die Strukturen müssen stimmen. Sonst kommt das Geld – z. B. auch wegen bürokratischer Hürden – nämlich gar nicht dort an, wo es gebraucht wird.
Beispiel |
So manches Unternehmen und so mancher Bürger wird sich noch an die Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 erinnern: „Schnell und unbürokratisch“ sollte geholfen werden, doch nicht wenige warten bis heute auf Entschädigungen. |
Das Erfolgsmodell Deutschland steht auf dem Spiel |
AUSGABE: BBP 6/2025, S. 154 · ID: 50392642